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PolitikAfrika

Der Sahel zwischen Frustration und Aufbruch

24. Juni 2024

Angesichts vom Militär dominierter Regierungen zwischen Mali und Tschad suchen die dortige Zivilgesellschaft und ihre deutschen Partner eine neue Basis für die Zusammenarbeit.

Mali Militärjunta untersagt politische Aktivitäten | Symbolbild TV
Restaurant in Bamako, Mali (Symbolbild): Die Militärregierungen schränken den politischen Spielraum der Bürger einBild: Michele Cattani/AFP

"Das waren keine Staatsstreiche, das waren Umstürze, die von der Bevölkerung angeschoben wurden." Als Aminata Touré Barry als Vertreterin der Zivilgesellschaft in Mali bei einem Treffen mit deutschen Partnern mit diesen Worten die Situation in ihrer Heimat beschrieb, erntete sie nicht nur in den Reihen der deutschen Organisationen erstauntes Raunen. Als erste protestierten Aktivistinnen und Aktivisten aus den Sahelländern selbst gegen diese Analyse.

Schnell wurde klar: Die Militärputsche, die seit 2020 die formal demokratischen Regierungen in den Sahelländern Mali, Burkina Faso und Niger hinweggefegt haben, haben auch die Zusammenarbeit mit Deutschland erschüttert. Für Deutschland sehr wichtige Werte wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaat sind dort in den Hintergrund gerückt oder wurden ganz abgeschafft.

Deutschland will präsent bleiben

Auch unabhängige Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen tun sich unter diesen Umständen schwer, so weiterzumachen wie bisher. Dass es innerhalb der zivilgesellschaftlichen Gruppen im Sahel selbst erhebliche Meinungsunterschiede gibt, macht die Sache nicht einfacher, gibt Marcel Maïga zu, der zum Steuerkreis des deutschen NGO-Netzwerks "Fokus Sahel" gehört: "Dabei gibt es auf der Seite des Sahel nach wie vor ein großes Interesse daran, dass Deutschland sich engagiert. Und auf deutscher Seite will man trotz aller Schwierigkeiten weiter mit diesen Ländern zusammenarbeiten."

Aminata Touré Barry von der Malischen Vereinigung für Familienwohlfahrt sieht die Staatsstreiche im Sahel als Umbrüche von untenBild: Thomas Mösch/DW

Ulrich Thum arbeitet für das Afrika-Referat der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die in Malis Hauptstadt Bamako seit den 1960er Jahren mit einem Büro vertreten ist. Er bestätigt, dass auch offizielle deutsche Stellen weiter im Sahel präsent sein wollen. Allerdings betont er auch die insbesondere in Mali politisch schwierige Situation. Die FES erfragt dort jedes Jahr mit ihrem "Mali-Mètre" die Stimmung. "Dort sieht man einerseits eine recht hohe Unterstützung für die Regierung", fasst Thum die jüngsten Ergebnisse zusammen. "Gleichzeitig sieht man bei diesen Umfragen, wie groß das Verlangen nach Sicherheit im Lande ist. Das sind durchaus zwei Trends, die sich ein bisschen widersprechen."

Nach den Putschen: Fortschritt? Rückschritt?

Aminata Touré Barry, die Vorsitzende der Malischen Vereinigung für Familienwohlfahrt (AMASBIF), sieht darin keinen Widerspruch. Die früheren gewählten Regierungen hätten die Probleme eben nicht gelöst: "Wenn Partner wie Deutschland jetzt nicht mit Mali zusammenarbeiten wollen, dann haben sie das Problem nicht verstanden", so ihr Vorwurf. Die Menschen in Mali benötigten weiterhin Sicherheit, Gesundheitsversorgung und Nahrung und bräuchten dabei die Unterstützung ausländischer Partner. Im Moment sei dazu vor allem Russland bereit. Dass Deutschland einen Mangel an Meinungsfreiheit und Demokratie beklage, beruhe auf Fehleinschätzungen, kritisiert Barry.

Ousmane Maïga mit seiner Jugendorganisation AJCAD hofft auf weitere ZusammenarbeitBild: Thomas Mösch/DW

Mali ist ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen auch in den Sahelländern selbst sind. So kommt Ousmane Maïga von der Jugendorganisation AJCAD (Jugendvereinigung für bürgerschaftliches Engagement und Demokratie) zu einem ganz anderen Ergebnis: "Wir erleben große Rückschritte bei Demokratie und Politik. Dass freie und transparente Wahlen immer weiter verschoben werden, macht viele unzufrieden, insbesondere unter uns Aktivisten für bürgerschaftliches Engagement." Zwar gebe es jetzt durchaus Versuche, Versöhnung und ein friedliches Miteinander zu fördern, gibt Ousmane Maïga zu. Aber zur Lösung der vielen Probleme im Land hätte es keinen Staatsstreich gebraucht. Und mit Blick auf den demokratischen Machtwechsel im benachbarten Senegal ergänzt er: "Das zeigt, wie man Wandel erreichen kann, ohne das System total umzukrempeln."

Die Jugend ist frustriert

Die große Mehrheit der Menschen im Sahel sind junge Menschen unter 35 Jahren. Ihr Frust und ihre Perspektivlosigkeit prägen die Lage in allen Sahelländern. So auch im Tschad, der im Mai mit umstrittenen Wahlen eine fast dreijährige Phase des Übergangs nach dem plötzlichen Tod des seit 1990 amtierenden Präsidenten Idriss Déby beendete. Mit seinem nun offiziell als Nachfolger bestätigten Sohn Mahamat Idriss Déby steht jetzt ein mit 40 Jahren eher jugendlicher Mann an der Spitze des Staates.

Das ändere aber nichts an der desolaten Lage der jungen Menschen im Land, schimpft die junge Frauenrechtlerin Epiphanie Dionrang: "Es gibt so viele Einschränkungen, gerade auch für die Jugend. Da ist außerdem der Hass zwischen den Ethnien. Die jungen Menschen sind frustriert, denn sie sind geboren und aufgewachsen unter ein und demselben Regime, ohne dass sich etwas verändert hat." Dies führe zu Radikalisierung, die wiederum auf schlimmste Weise unterdrückt werde, betont Dionrang.

Frauenrechtsaktivistin Epiphanie DionrangBild: Thomas Mösch/DW

Wie können nun die deutschen Partner in einer solchen Situation helfen? Dionrang hält nichts davon, immer neue Forderungen zu stellen. "Wir müssen zunächst bei uns selbst anfangen", ist sie überzeugt. Vor allem müsse der Rechtsstaat durchgesetzt werden, damit Gesetze, zum Beispiel zum Schutz von Frauen, nicht nur auf dem Papier stehen und Verstöße dagegen geahndet würden: "Die Partner könnten uns dabei helfen, diese Straflosigkeit zu beenden und unsere Rechte als Bürger durchzusetzen."

Weiter zusammenarbeiten zum Wohle der Menschen

Alle Partner des deutschen Netzwerks Fokus Sahel sind sich einig, dass es jetzt noch mehr darauf ankomme, einander zuzuhören und die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen. Marcel Maïga aus dem Steuerkreis von Fokus Sahel sieht das genauso: "Dort an der Basis kommt man zu anderen Schlussfolgerungen. Da gibt es dann auch mal unterschiedliche Auffassungen. Das ist ganz normal."

Marcel Maïga kennt den deutschen und malischen Blick auf PartnerschaftsarbeitBild: Thomas Mösch/DW

Man könne trotzdem zusammenarbeiten, um das Leben der Menschen zu verbessern. Dass dies auch unter schwierigsten Bedingungen funktioniert, erfährt Marcel Maïga immer wieder in seiner Arbeit im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen der sächsischen Stadt Chemnitz und Timbuktu in Mali: "Wir arbeiten derzeit zwar auf niedrigem Niveau, aber wir können trotzdem mit unseren Partnern vor Ort Projekte realisieren, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen."

Thomas Mösch Afrika-Redakteur mit besonderem Blick auf Westafrika, Sicherheit und Ressourcenpolitik
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