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Schah-Besuch 1967 und die Studentenbewegung

Eskandar Abadi
2. Juni 2017

Am 2. Juni vor 50 Jahren starb der Student Benno Ohnesorg bei Protesten gegen den Besuch des iranischen Herrschers. In seinem Buch "Schahbesuch 1967" analysiert der Historiker Eckard Michels die Dramatik der Ereignisse.

Deutschland Anti-Schah-Demonstration in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/C. Hoffmann

"Die 68er-Bewegung", unter diesem Schlagwort wurden die internationalen, politisch linksgerichteten Studentenproteste und Bürgerrechtsbewegungen zusammengefasst, die Ende der 1960er Jahre  in vielen Ländern für Aufruhr sorgten. Doch sollte man für Deutschland nicht viel eher 1967 als Ausgangsjahr betrachten? Im Mai/Juni 1967 wurde der neuntägige Staatsbesuch des persischen Schahs Mohammed Reza Pahlavi und seiner Frau Farah von bundesweiten Protesten begleitet. In deren Verlauf erschoss am 2. Juni der Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg in West-Berlin. Eckard Michels hat die historische Bedeutung des 2. Juni 1967 als Wendepunkt in der Geschichte der Bundesrepublik untersucht und dabei den ursprünglichen Anlass der Proteste, den Schahbesuch, minutiös und auf breiter Quellenbasis rekonstruiert. Eskandar Abadi sprach mit dem Autor über den   2. Juni 1967 als innen- wie außenpolitisches Ereignis.

Historiker Eckard MichelsBild: Christoph Links Verlag/S. Gatter

Professor Eckard Michels lehrt am Birkbeck College der Universität von London. Er ist Experte der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert und der Militärgeschichte.


DW: Professor Michels, was hat Sie bewogen, speziell den iranischen Aspekt dieses Themas zu analysieren? Haben Sie Verbindungen in den Iran?

Eckard Michels: Persönliche Kontakte in den Iran habe ich keine, mein Interesse ist das eines Historikers. Über den 2. Juni ist ja schon viel geschrieben worden, aber der eigentliche Anlass für die Proteste an jenem Tag in Westberlin, nämlich der Staatsbesuch des Schahs, taucht nirgendwo so richtig auf. Der ist immer nur so eine Art Hintergrundmelodie.

Die Gründe, warum der Schah nach Deutschland gekommen ist, und warum sich die Proteste gerade an diesem Staatsbesuch und nicht an dem eines anderen Diktators aus Entwicklungsländern entzündet haben – das ist alles nie aufgearbeitet worden. Und so wollte ich eine Gesamtgeschichte des 2. Juni schreiben, in der auch die außenpolitischen und damit iranischen Aspekte stärker zur Geltung kommen.

Einige Demonstranten bei Anti-Schah-Proteste in Berlin trugen Masken mit Karikaturen von Kaiserin FarahBild: picture-alliance/AP Photo/E. Reichert

Dieser Aspekt steht bei Ihnen an prominenterer Stelle als in den bisherigen Darstellungen des Themas. War der Schahbesuch tatsächlich so entscheidend für die Politisierung der Studenten und die Radikalisierung der Studentenbewegung?

Ursprünglich hat der Iran natürlich kaum eine Rolle für die Politisierung der deutschen Studenten gespielt. Da waren andere Themen vorherrschend, beispielsweise die unzureichende Situation an den Hochschulen. Damals war das Schlagwort Massenuniversität schon weit verbreitet. Außerdem waren es sicherlich auch der Vietnamkrieg und die Angst vor den sogenannten Notstandsgesetzen, die die Studenten motiviert haben, sich zu politisieren.

Der Iran spielte also wirklich nur in den Wochen unmittelbar vor Beginn des Staatsbesuchs eine gewisse Rolle. Doch natürlich sind bestimmte Maßnahmen der westdeutschen Behörden im Vorfeld und während dieses Staatsbesuchs von den deutschen Studenten so interpretiert worden, als seien sie direkt gegen die westdeutschen Studenten gerichtet.

Was hat Sie an den bisherigen Darstellungen der radikalen Studentenbewegung gestört, dass sie sich einer so tiefgehenden und ausführlichen Erforschung der Ereignisse des Jahres 1967 in Deutschland gewidmet haben?

Mich hat zweierlei gestört. Zum einen, dass der Schah immer nur gleichsam als eine Hintergrundfigur auftaucht, wie auch der Iran an sich, während so ein Staatsbesuch ja immer eine zweiseitige Angelegenheit zwischen einem Gastgeber und dem eingeladenen Staatsoberhaupt ist.

Zum Zweiten hat mich auch gestört, dass die iranische Opposition in der Bundesrepublik, die auch vor allem unter den Studenten zu finden war, in den ganzen deutschen Darstellungen zum 2. Juni und zu dessen Vorgeschichte überhaupt nicht auftaucht. Da wird eine reine Nabelschau betrieben, es wird nur auf die Aktivisten des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes geschaut und die iranische studentische Opposition vollkommen ausgeblendet, obwohl diese in der Bundesrepublik sehr gut organisiert war und ihre deutschen Kommilitonen eigentlich erst animiert hat, für dieses Event auf die Straße zu gehen.

Vor dem Schöneberger Rathaus kam es am 2. Juni 1967 zu Tumulten. Dabei gab es auch Sympathiekundgebungen für den SchahbesuchBild: picture-alliance/dpa

Hat sich Ihnen die Geschichte im Laufe Ihrer Forschungen anders dargestellt, als Sie zunächst vermuteten?

Ich hatte bestimmte Vorstellungen: Zum Beispiel hatte ich gedacht, dass die Situation im Iran und das Wissen um das Regime des Schahs unter den westdeutschen Studenten ursprünglich eine wichtigere Rolle gespielt hat als es dann tatsächlich der Fall war. Da musste ich meine ursprünglichen Annahmen revidieren.

Zum Zweiten hatte ich mir auch vorgenommen, dieses Bild des Schah-Regimes etwas zurechtzurücken und das Bild des brutalen rücksichtslosen Herrschers ein bisschen abzumildern und zu zeigen, dass die westdeutschen Studenten einer Chimäre erlegen waren. Aber meine Vorurteile gegenüber dem Schah-Regime haben sich im Laufe meiner Recherche weitestgehend bestätigt. Vor allem nach der Lektüre der angelsächsischen Studien über den Iran unter dem Schah war da nicht viel möglich.

Was mir allerdings deutlich geworden ist, ist, wie geschickt der Schah zumindest in außenpolitischer Hinsicht agierte, indem er versucht hat, die westlichen Länder gegen den Ostblock auszuspielen und damit ein Höchstmaß an finanzieller und rüstungstechnischer Unterstützung von beiden Seiten zu bekommen.

Es gab ja auch einige positive Aspekte der Schah-Zeit, wie das Frauenwahlrecht, das im Iran früher eingeführt wurde als zum Beispiel in der Schweiz. Was hat Sie denn besonders gestört? Der Savak, die brutale Geheimpolizei?

Benno Ohnesorg wurde beim Besuch des persischen Kaiserpaars erschossenBild: picture-alliance/Keystone/AP/Herr

Von der wusste ich natürlich vorher auch. Die Geheimpolizei ist in den meisten Diktaturen ja sehr brutal. Was mich eher schockiert hat, war die Selbstherrlichkeit des Schahs und wie weitgehend die Medien im Iran und auch der Hof diesem Mann zu Füßen lagen. Sie haben ihm wirklich immer nur Lobhudeleien ins Ohr geflüstert, so dass der Schah irgendwann von seiner eigenen Größe derart überzeugt war, dass er die tatsächlichen Verhältnisse vollkommen verkannt hat. Er hat nicht realisiert, dass der Iran doch letztendlich nur eine Mittelmacht im Mittleren Osten war und sein Regime keine Fortführung der großen persischen Monarchie der Antike. Da manifestierte sich bei ihm schon in den 60er Jahren ein gewisser Größenwahn, der sich in den70ern dann immer stärker ausprägte. Das war das Überraschendste und das Abstoßendste für mich. Abgesehen davon, dass es natürlich auch eine Diktatur war, in der gefoltert worden ist und Menschen ermordet wurden.

Was man aber auch sagen muss, ist, dass durch die relativ starke iranische Opposition in den westlichen Ländern in den 60ern und 70ern das Schah-Regime als der Inbegriff des Bösen dargestellt wurde, obwohl es letztendlich auch nicht schlimmer war als andere Diktaturen in anderen Dritte-Welt-Ländern. Im Gegenteil: Wenn man das heute im Rückblick mit dem Regime Saddam Husseins im Irak oder das Gaddafis in Libyen vergleicht, war das Schah-Regime ja ein noch relativ gemäßigtes.

Nach Benno Ohnesorgs gewaltsamen Tod kam es in vielen deutschen Städten zu Protesten wie hier in HannoverBild: picture-alliance/dpa/W. Weihs

Karl-Heinz Kurras, der Polizist, der den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, war ein Stasi-Mann. Hatte die DDR ein Interesse daran, die Studentenbewegung zu radikalisieren, oder hat sie aus den Ereignissen erst nachträglich Kapital geschlagen?

Im Wesentlichen hat die DDR erst im Nachhinein von der Studentenbewegung profitiert, weil diese sich gegen den westdeutschen Staat ausgesprochen hat. Anfänglich hingegen war das ganze Phänomen für die DDR-Behörden viel zu diffus, als dass man da klare Ansatzpunkte gefunden hätte, mit wem man eigentlich zusammenarbeiten wollte. Die westdeutsche Studentenbewegung hat sich zwar extrem nach links radikalisiert, aber eben eine linke Richtung eingeschlagen, die näher am Maoismus in China lag als an den Modellen des real existierenden Sozialismus im Ostblock.

Rudi Dutschke war aus der DDR geflohen. Darauf weisen Sie auch hin. Gab es weitere Gründe für die Studentenbewegung, sich gegen die DDR zu richten?

Es gab innerhalb des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbundeinen starken antiautoritären Flügel, der durch den Schah-Besuch 1967 noch bestärkt wurde. Dieser Flügel rezipierte mehr die Schriften von Herbert Marcuse, der sagte, eine Revolution in den westlichen Ländern werde nicht mehr vom Proletariat getragen, sondern von einer intellektuellen Avantgarde, nämlich den Studenten. All das waren Dinge, die die Studentenbewegung in der Bundesrepublik in Gegensatz zum Marxismus-Leninismus der DDR gestellt haben. Diese Kräfte waren schon vor 1967 im SDS vorhanden, aber durch den Schah-Besuch, durch den 2. Juni und durch die führende Rolle, die der SDS dann in Westberlin einnahm, erhielten sie weiteren Auftrieb.

Warum sollte man als Deutscher und warum als Iraner Ihr Buch heute unbedingt lesen?

Bild: Christoph Links Verlag

Als Deutscher sollte man es lesen, wenn man sich für die Studentenbewegung interessiert und ein etwas breiteres Panorama haben möchte als nur einen isolierten Blick auf den 2. Juni und auf die Vorgänge in Westberlin. Als Deutscher sollte man das Buch aber auch lesen, um mehr über den Mittleren Osten und die Rolle des Irans in den 60er Jahren zu erfahren.

Als Iraner sollte man das Buch lesen, weil dann deutlicher wird, welche Rolle der Iran für Deutschland gespielt hat und umgekehrt: dass es also lange enge politisch-kulturelle Beziehung zwischen beiden Ländern gegeben hat. Es ist überhaupt interessant, dass die Konflikte, die heutzutage in den Medien auftauchen – etwa die zwischen Iran und Saudi-Arabien oder im Bezug auf die Vorherrschaft über den Persischen Golf – auf die Zeit der 1960er und 70er Jahre zurückzuführen sind, wenngleich sie damals aus machtpolitischen Gründen entstanden sind und sie heute eine religiöse Form angenommen haben. 

Das Gespräch führte Eskandar Abadi.

Eckard Michels: Schahbesuch 1967. Fanal für die Studentenbewegung. Ch. Links Verlag, Berlin 2017, 360 Seiten. ISBN 9783861539438

 

 

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