Anspannung nach Attentat
23. Mai 2013Der blutige Überfall am helllichten Tag hat die multikulturelle Gemeinschaft des Londoner Stadtteils Woolwich entzweit und Ängste vor einem Rückschlag in den Beziehungen zu den britischen Muslimen geweckt. Viele Bewohner der sozial schwachen Gegend im Londoner Süden mahnen jedoch zu Ruhe und Besonnenheit.
Der Generalsekretär des britischen Muslimsrats, Farooq Murad, spricht von "Wut und Entsetzen" in Anbetracht des Vorfalls. Die Täter hätten "Allah beleidigt und unseren Glauben entwürdigt", sagt er und verurteilt die Tat auf Schärfste. Die Botschaften von Religionsführern und dem Premierminister hätten ihn jedoch "ermutigt".
Londons Bürgermeister Boris Johnson trifft sich in Woolwich mit Polizei und Vertretern der örtlichen Gemeinde. Der Mord dürfe nicht als ein religiös motiviertes Verbrechen gesehen werden, sagt Johnson: "Es geht nicht darum, den Islam oder Aspekte der britischen Außenpolitik zu beschuldigen. Jeder kann sehen, dass die Schuld für diesen Angriff einzig und allein in den Köpfen jener zu suchen ist, die für diese Tat verantwortlich waren."
Ein Vertreter der lokalen Sikh-Gemeinde sagt der DW, alle seien "entschlossen, Harmonie und Frieden zu erhalten."
Gemischte Reaktionen
Die Bewohner des Viertels beschreiben Woolwich als eine normalerweise sehr ruhige Wohngegend. Für einen Nachbarn, der seit gut fünf Jahren hier lebt, ist der Stadtteil multikulturell: "Jeder lebt wie in einer großen glücklichen Familie. Ich glaube nicht, dass es einen Grund gegeben hat, dass so etwas gerade hier passiert. Normalerweise ist das keine gefährliche Gegend."
"Ich gehe hier ganz in der Nähe in die Kirche", fügt er hinzu. "Und wenn so ein Terrorakt hier passiert, von Muslimen verübt, dann ist das auch für uns Christen nicht gut. Es ist als würde man sagen, alle Muslime greifen andere Leute an, aber das stimmt nicht. Die Zeitungen schreiben, es sei eine religiöse Sache, das glaube ich aber nicht", sagt er und betont, dass er jeden Glauben respektiere.
Es gibt aber auch viel Wut auf den Straßen von Woolwich, besonders in der weißen Arbeiterklasse. Eine Frau, deren Tochter eine nahegelegene Grundschule besucht, ist entsetzt über das, was passiert ist.
"Der Bürgermeister hat heute früh im Fernsehen gesagt, dass man nicht den Islam beschuldigen könne. Aber alles, was wir sehen, sind Muslime, die Leute terrorisieren. Also muss das wohl doch eine Rolle spielen", sagte sie der DW. "Man kann nicht immer sagen, das habe nichts mit dem Islam zu tun, denn die sind es doch, die diese Dinge machen", so die Frau weiter. Zudem beschwert sie sich über die zunehmende Zahl von Einwanderern in ihrem Viertel.
Muslime "in Verruf bringen"
Es herrscht Nervosität unter der nicht-weißen Bevölkerung. Ein Passant, ursprünglich aus Namibia und vor fünf Jahren nach London gekommen, beschreibt die Atmosphäre nach dem Mord als "angespannt."
"Ich halte das für fürchterlich, Extremisten sollten nicht akzeptiert werden", sagt er im Gespräch mit der DW.
Das Gebiet rund um den Eingang zur Royal-Artillery-Kaserne ist am Donnerstag wieder ruhig. Einige Bürger haben Blumen am Tor niedergelegt. Auf einer Karte heißt es "RIP - für den gefallenen Soldaten."
Eine Verkäuferin in einem Wettbüro auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist "sprachlos" angesichts des Verhaltens der Mörder, die ihr Opfer mit machetenartigen Messern erstachen.
Einer der beiden mutmaßlichen Täter wurde nach dem mörderischen Überfall von Passanten gefilmt, wie er eine Reihe politischer Statements abgab: "Ich entschuldige mich, dass Frauen dies hier gesehen haben, aber in unserem Land müssen unsere Frauen das gleiche sehen. Ihr Leute werdet nie wieder sicher sein", sagte der Mann in die Kamera. Später wurde er von der Polizei festgenommen.
"Ich dachte, dass das, was er getan hat, alle Muslime in Verruf bringt", sagt die Frau aus dem Wettbüro. "Es war einfach schockierend."