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Der schwierige Weg zur neuen Regierung

29. September 2021

Nach der Bundestagswahl wird ein Bündnis von drei Parteien immer wahrscheinlicher. Spitzenpolitiker der Grünen und der FDP haben sich schon mal getroffen.

Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck führen Sondierungsgespräche
Auf Instagram gepostetes Selfie, von links: Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck. Bild: Instagram/@volkerwissing/via Reuters

Was für eine Aufregung um ein Bild von vier Spitzenpolitikern: Überraschend schon am Dienstag Abend nach der Bundestagswahl trafen sich die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck mit FDP-Chef Christian Lindner und dem Generalsekretär der Liberalen, Volker Wissing.

Offenbar in einer Privatwohnung. In den sozialen Medien wurde das Foto breit kommentiert. Denn der Post bei Instagram trägt die Unterschrift: "Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und wir finden sogar welche. Spannende Zeiten."

Erstes Thema: Vertrauen schaffen 

Sie haben also schon Gemeinsamkeiten gefunden? Grüne und FDP: Die beiden Parteien, die vor allem bei den Themen Klimaschutz, Steuern und Haushalt eigentlich Welten trennen? Glaubt man den meisten Beobachtern im politischen Berlin, dann wollen die Spitzenvertreter der beiden möglichen Partner zunächst vor allem persönlich zueinander finden.

Bald in einer Regierung? Baerbock und Lindner mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf ScholzBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Am Dienstag etwa sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, dem Sender Phoenix: "Ein wesentliches Element dieser Vorsondierung ist ja, dass man Vertrauen zueinander aufbaut, dass man in Ruhe sprechen kann. Dass man vertraulich sprechen kann."

Nicht nochmal solche Gespräche wie vor vier Jahren

Fest steht: Grüne und FDP wollen es diesmal auf jeden Fall anders machen als vor vier Jahren, als beide Parteien lange in riesigen Gruppen mit der Union von CDU und CSU verhandelten, und die FDP die Gespräche schließlich abbrach, weil Christian Lindner das Gefühl hatte, mit den FDP-Forderungen nicht durchzudringen.

Kanzlerin Angela Merkel verhandelte 2017 über eine Jamaika-Koalition, am Ende scheiterten die GesprächeBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die sogenannte Jamaika-Koalition kam nicht zustande. Auch menschlich war man sich damals kaum näher gekommen. Deshalb jetzt der ungewöhnliche Schritt, dass die beiden kleinen möglichen Partner mit den Gesprächen beginnen. Wenn sie dann Gemeinsamkeiten ausgelotet haben, wollen sie auf die beiden immer noch größeren Parteien Union und SPD zugehen.

Alles scheint auf einen Kanzler Scholz zuzulaufen

Für eine Regierungsbildung kommt vor allem die siegreiche SPD in Frage. Deren Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht deshalb die Gespräche von FDP und Grünen gelassen und hat sie mehrfach begrüßt.

Ein knapper Sieg, aber ein Sieg: Die SPD gewinnt die Wahl.

Scholz hat außerdem ganz klar gemacht, dass er auf die Bildung einer sogenannten Ampelkoalition setzt. Ampel wegen der drei Parteifarben Rot, Gelb und Grün. Mit ihm als Kanzler, versteht sich. 

Söder gratuliert Scholz zum Sieg

Gleichzeitig wächst bei CDU und CSU so langsam die Einsicht, dass die Union, die das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte verkraften muss, keinen Anspruch erheben kann, trotzdem weiter zu regieren. Am Dienstag sagte etwa der bayrische Ministerpräsident und Chef der CSU, Markus Söder, in München: "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz. Eindeutig".

Mit jedem Tag wird die Hoffnung auf eine Unions-geführte Regierung kleiner: Markus Söder und Armin Laschet Bild: Sebastian Gollnow/Pool/REUTERS

Und Söder schaffte es auch, Scholz zum Wahlsieg zu gratulieren. Ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel, die das schon am Montag gemacht hat, wie ein Regierungssprecher am Mittwoch sagte. Das hatte der Unions-Kanzlerkandidat, CDU-Chef Armin Laschet, bisher öffentlich versäumt, auch wenn Parteikreise sagen, er habe das getan. Söder hat sicher auch registriert, dass die Menschen in Deutschland laut Umfragen jetzt Scholz als Kanzler wollen und nicht Laschet. 

Weitere Treffen werden folgen

Dem ersten Treffen der Politiker von Grünen und Liberalen werden weitere folgen. Am Freitag, so teilten Baerbock und Wissing am Mittwoch mit, werden beide Seiten in größerer Runde zusammenkommen. Wann genau, wo, wie lang, worüber wird gesprochen? Alles geheim.

Ein Anruf bei der Pressestelle der Grünen: "Wir können nichts dementieren oder bestätigen. Wir bitten um Geduld", heißt es nur. Auch das ist offenbar eine Lehre aus den Gesprächen von vor vier Jahren: Damals wurden ständig Informationen aus den Runden an die Öffentlichkeit gegeben, was die Atmosphäre doch arg störte.

Am Wochenende trifft sich etwa die FDP dann auch mit SPD und Union zu ersten Gesprächen, die Grünen am Sonntag mit den Sozialdemokraten. Echte Sondierungen oder gar Koalitionsverhandlungen sind das aber alles noch nicht, dazu war die Zeit seit der Wahl zu kurz. Und die Positionen von FDP und Grünen liegen in vielen Feldern einfach noch zu weit auseinander.

Stolpersteine Klima und Finanzen

Die FDP etwa setzt beim Klimaschutz vor allem auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den EU-Emissionshandel, den sie auf möglichst alle Sektoren erweitern will. Die Grünen wollen dagegen erstens viel staatliches Geld in die Hand nehmen und durchaus mit Gesetzen und Verordnungen arbeiten. Bei einem früheren Kohle-Ausstieg etwa oder beim Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030.

DW-Interview mit Grünen-Chef Habeck

03:10

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Auch deshalb will die FDP die kleine Hintertür, vielleicht doch eine Regierung mit der Union und den Grünen bilden zu können, nicht vorzeitig zuschlagen. Aber für Jamaika steht eine große Mehrheit der Grünen kaum zur Verfügung. Die Grüne Jugend hat die Parteispitze zu einer klaren Absage an eine Koalition mit der Union aufgefordert.

Wird Habeck Vizekanzler?

Es wird also viel geheim getagt in diesen Tagen in Berlin, und sicher auch deshalb schießen wilde Gerüchte ins Kraut. Haben sich die beiden Spitzen-Grünen darauf geeinigt, dass nach dem eher enttäuschenden Wahlkampf mit der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nun der Co-Vorsitzende Robert Habeck das Ruder übernimmt? Und dann womöglich auch Vizekanzler unter Olaf Scholz werden soll? Am Dienstag veranlasste dieses Gerücht Habeck zu einem ungewöhnlichen Schritt.

Kanzlerkandidatur für Dich, Vizekanzler für mich? Annalena Baerbock und Robert HabeckBild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Unangekündigt schritt er im Bundestag vor die Kameras und sagte: "Die Frage, wer Vizekanzler wird, ist völlig irrelevant. Wir haben noch nicht einmal einen Kanzler." Bloß keinen Streit im eigenen Lager, lautet das Motto. Denn Alleingänge ihrer Führung von solch einer Tragweite mögen die Grünen gar nicht.

Baerbock und Habeck haben sich abgesprochen

Zuvor hatte schon die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt gesagt : "Es gibt Artikel dazu. Und es gibt die Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit ist, dass unter den beiden alles besprochen ist, und dass wir Personalentscheidungen am Ende treffen werden."

Das zumindest dementieren Habeck und Baerbock nicht: Dass sie Absprachen getroffen haben, wer in einer möglichen Regierung was machen könnte. Nur was genau? Das wollen die Grünen erst am Ende des langen Weges zu einer neuen Regierung mitteilen.