Zwei Jahre war sie wegen Renovierung geschlossen. Jetzt meldet sich die Hayward Gallery in London mit einem Paukenschlag zurück – und feiert den deutschen Fotografen Andreas Gursky. Sein Weltblick lässt staunen.
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Der Maler mit dem Fotoapparat: Andreas Gursky in London
London feiert den deutschen Fotografen mit einer großen Retrospektive in der wiedereröffneten Hayward Gallery. Gurskys Kunstprinzip ist das Sezieren und Zusammenfügen der Welt.
Bild: Andreas Gursky/VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Salerno
Im Hafen von Salerno stehen hunderte Fahrzeuge eines Autoherstellers, die auf ihre Verschiffung warten, dahinter farbige Container und darüber, in einer weiteren Schicht, die Wohnblöcke der Hafenstadt. Aufgenommen von einem Berg wirkt Gurskys Bild wie ein klassisches Landschaftsgemälde – die Stadt am Meer – gleichzeitig verdichtet es industrielle Gegenwart.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
Hilfe, ich bin ein Star!
Andreas Gursky ist als Künstler eher zurückhaltend und spricht ungern über seine Arbeiten. Doch bei der Pressekonferenz in der wiedereröffneten Hayward Gallery ist er ein vielgefragter Interviewpartner. Die Retrospektive zeigt rund 60 Arbeiten aus knapp 30 Jahren intensiver, fotografischer Beschäftigung mit dem Zustand der Welt - im Großformat.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
Der montierte Blick
Gurskys Fotografien können die Nähe zur Malerei nicht verhehlen. Wegen des erhöhten Aufnahmewinkels verschaffen sie dem Betrachter eine demokratische Perspektive: Die häufig in Schichten montierten Motive und Elemente wirken gleichberechtigt. "Mich interessiert, wie sich die Welt zusammensetzt", sagt der deutsche Fotokünstler.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
May Day IV, 2000
Seit vielen Jahren reist Gursky durch die Welt, um an gesellschaftlichen Brennpunkten seine fotografischen Studien zu betreiben. Für die digitale Nachbearbeitung nimmt er sich Monate oder sogar Jahre Zeit. Es entstehen Fotografien, die auf den ersten Blick wie gemalt aussehen.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
Gruppenbild mit Kanzlerin
Kein historischer Schnappschuss, sondern ein Kunstprodukt: Die Köpfe der vier Bundeskanzler hat Gursky digital vor das Gemälde des Malers Barnett Newman montiert. Die Arbeit "Rückblick" entstand 2011 im Atelier: Bundeskanzlerin Angela Merkel, rechts daneben der "Kanzler der Einheit" Helmut Kohl, ganz links Gerhard Schröder und - zu erkennen am Zigarettenrauch - Helmut Schmidt.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
Rhein II
Diese Ansicht des Rheins zählt zu den Kultwerken des deutschen Fotografen. Es entstand 1999 und lässt das Kunstprinzip Gurskys erahnen - es besteht aus dem künstlerischen Sezieren und Zusammenfügen der Welt. "Rhein II, 1999" erzielt 2011 bei einer Auktion in New York den Rekordpreis von mehr als drei Millionen Dollar.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
99 Cent
Kunterbunte Warenwelten wie hier in diesem Supermarkt sind ein Kunstprodukt des Fotografen. Indem er die Motive optisch zusammenrückt, verdichtet der Künstler das Leben auf eine Kunstwelt. Serielle Strukturen faszinieren Andreas Gursky. Sie finden sich in vielen seiner gefeierten Fotografien.
Bild: picture-alliance/Zumapress/R.Tang
7 Bilder1 | 7
Wie ein schwarzes Monster kriecht ein Feld von Sonnenkollektoren über die hügelige Landschaft. Gurskys Bild einer 70 Hektar großen Photovoltaik-Anlage im französischen Les Mées zeigt die Ambivalenz umweltschonender Technik: Einerseits erstickt sie den Boden, zugleich nimmt sie eine malerische Form an. Die Fotografie des 63-jährigen Deutschen ist als Aushängeschild der Londoner Schau gut gewählt, denn sie zeigt programmatisch das künstlerisches Prinzip der rund 60 ausgestellten Arbeiten.
Gurskys Markenzeichen ist das Großformat. Seine Fotografien füllen Wände und sind von umwerfender Präsenz. Gursky porträtiert Orte und Szenen des Lebens und der Wirtschaft – aber nur symbolisch.
Gursky setzt die Welt neu zusammen
Seine Kunst entsteht am Rechner: Hier montiert er Bilder in neue Zusammenhänge. "Mich interessiert die Art, wie sich die Welt zusammensetzt", sagte der Fotograf und beruft sich auf die "pure Freude des Sehens."
Gurskys Fotos pflegen die Nähe zur Malerei. Dabei führt der Künstler die Einschränkungen der menschlichen Wahrnehmung vor. Seine Motive sind häufig aus einem hohen Blickwinkel aufgenommen. So ermöglichen sie eine "demokratische" Perspektive, in der alle Elemente gleichberechtigt wirken. Nachvollziehen lässt sich das an Gurskys Werken, die bis in die 1980ger Jahre zurückreichen, darunter auch Gurskys Kultwerke "Paris", "Montparnasse" und "Rhine II", das 2011 bei einer New Yorker Auktion den Rekordpreis von 3,1 Millionen Dollar erzielte.