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"Gundermann" startet im Kino

23. August 2018

Der neue Film von Regisseur Dresen ist die Geschichte eines eigensinnigen Baggerfahrers: Poet, Idealist, Sozialist - aber auch Stasi-Spitzel. Zuletzt wird Gundermann selbst zum Zielobjekt des DDR-Staatsschutzes.

Filmstill "Gundermann"
Bild: Pandora Film/Peter Hartwig

Herr Wichmann aus der dritten Reihe - Provinzpolitik als Kinofilm

04:54

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Es ist ein Kinofilm zur deutsch-deutschen Geschichte geworden. Vieles aus dieser Übergangszeit zwischen den letzten Tagen der maroden DDR, dem Mauerfall und der unruhigen Nach-Wendezeit liegt noch heute im Dunkel der Geschichte. Manche Biografie bleibt widersprüchlich, weil sich im Rückblick vieles nicht mehr erklären lässt.

Andreas Dresen (54), der im ostdeutschen Gera aufgewachsen ist, wollte kein "Biopic" über Gerhard Gundermann drehen, also bewusst nicht nur die persönliche Biografie des bekannten DDR-Liedermachers und Baggerführers verfilmen.

Dem politisch engagierten Regisseur war wichtig, das umgebende System mit zu beleuchten, das die Stasi-Spitzelei unter den Kulturschaffenden des Arbeiter- und Bauernstaates ermöglichte. Wer hier wen bespitzelte - und vor allem warum - das ist eine nachhaltig wichtige Frage in Dresens neuem Kinofilm "Gundermann".

Doppelleben als Musiker und IM

Eine entscheidende Szene, die vieles davon entlarvt: Gundermann - genial verkörpert von dem jungen, langhaarigen Alexander Scheer - sitzt in der Küche eines Arbeitskollegen. Gerhard Gundermann, auf der Arbeit eher als Clown und politischer Idealist bekannt, eröffnet seinem Gegenüber, dass er IM, also "inoffizieller Mitarbeiter" der Stasi ist.

Bei seinem Arbeitskollegen (Milan Peschel) löst das zu seiner Verwunderung spontanes Gelächter aus. Der fragt ihn: "Und, was hast getratscht?" "Ich habe nur Gutes erzählt", sagt Gundermann verschämt. Darauf der Kollege: "Ich war auch bei der Stasi. Und hauptsächlich auf Dich angesetzt."

Ein dicker Aktenordner, in dem alle Informationen über Gundermanns "Zielobjekte" von der Stasi gesammelt wurden, spielt auch nach der Wende eine entscheidende Rolle. "So eine dicke Schwarte?", flachst Gundermann im Film. "Wir können nochmal zusammen reingucken in meine Texte."

Der "echte" Gundermann, hier 1993 bei einem Konzert in CottbusBild: picture-alliance/ZB/R. Weisflog

Statt Biopic eine deutsche Geschichte

Andreas Dresen hat sein filmisches Handwerk an der Berliner Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" gelernt. Vor und nach der Wende war er dort als Student und angehender Regisseur eingeschrieben, hat die Verdrängung der ostdeutschen Kultur nach 1990 hautnah miterlebt. Das in der DDR Gelernte galt auf einmal nichts mehr.

Auch bei diesem Projekt bekam der später erfolgreiche Regisseur ("Halbe Treppe", "Die Polizistin", "Halt auf freier Strecke") das zu spüren. Fast zehn Jahre hat er gebraucht und viel kämpfen müssen, bis er das Drehbuch und die ambitionierte Filmproduktion finanziert bekam. "Man muss sich teilweise als Ostdeutscher dafür rechtfertigen, wenn man über seine eigene Biografie erzählen will", beklagt Dresen in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel".

Andreas Dresen (re) ist auch Musiker, neben ihm Gundermann-Darsteller Alexander Scheer bei der Filmpremiere Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/J. Krick

Der Film über Gerhard Gundermann war ihm ein echtes Anliegen. "Er hat so eine verrückte DDR-Biografie gehabt!", sagt Dresen, der zusammen mit Drehbuch-Autorin Laila Stieler die Film-Geschichte entwickelt hat. "Er hat im Tagebau im Abraumbagger gesessen, aus dieser Erdverbundenheit seine Kunst entwickelt und wunderbare poetische Lieder geschrieben. Abends ist er dann nach der Arbeit losgefahren mit seiner Band."

Schauspieler Alexander Scheer singt im Film alle Lieder selbstBild: Pandora Film/Peter Hartwig

Als Spitzel eine tragisch-komische Figur

Dieser Film ist der vielleicht wichtigste Film von Regisseur Andreas Dresen - ein Beitrag zur Aufarbeitung einer Zeit, die wenig erforscht ist. DDR-Lebensgefühl, nicht mit westlicher Brille betrachtet, intim und sehr persönlich gedreht, und behutsam in einen größeren, gesellschaftspolitischen Zusammenhang gesetzt: Auch "Gundermann" trägt deutlich seine Handschrift. Den Menschen in seinen Filmen begegnet Dresen immer auf Augenhöhe. Nie verurteilt er, nie macht er sich lustig über Schwächen.

20 Jahre nach dem Tod des in der DDR sehr beliebten, aber wegen seiner Stasimitarbeit auch umstrittenen Liedermachers Gerhard Gundermann (1955-1998) wirft dieser differenzierte Kinofilm - der irgendwie auch ein Musik- und Heimatfilm ist - ein Schlaglicht auf die IM-Tätigkeit vieler prominenter Künstler, Musiker und Schriftsteller, die oft Jahre später aufgedeckt wurde.

Zunehmend misstrauisch: Schauspieler Axel Prahl als Stasi-Führungsoffizier Bild: picture-alliance/dpa/Pandora Filmverleih/P. Hartwig

Gundermann, so die Ironie der Geschichte, wurde 1984 wegen "prinzipieller Eigenwilligkeit" aus der SED ausgeschlossen und von da an selbst von der Stasi bespitzelt. "Ich gehöre zu den Verlierern", vertraut Gundermann seinen Bagger-Tagebüchern an. "Ich habe aufs richtige Pferd gesetzt, aber es hat nicht gewonnen." Danach gehen die Lieder des Arbeiterpoeten aus der Lausitz nochmal doppelt unter die Haut.

 

Mehr zu Gundermann auch in der neuen Ausgabe von DW KINO.

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