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Der Skandal um die Pässe: Hat die Bundesdruckerei minderwertige Pässe an Albanien geliefert?

9. Oktober 2002

-Albanische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruption und Amtsmissbrauch

Köln, 9.10.2002, DW-radio, Mirela Oktrova-Demiraj

Vor ungefähr einem Jahr bekam die deutsche Bundesdruckerei vom albanischen Innenministerium den Auftrag, etwa zwei Millionen Pässe herzustellen. Ein gutes Geschäft auch für die Bundesdruckerei, deren Ertragslage wegen des Nachfragerückgangs bei Personaldokumenten sich deutlich verschlechtert hat. Der Vertrag kommt seitdem nicht mehr aus den Schlagzeilen. Der Innenminister spricht von starken Abweichungen von den Vertragsvereinbarungen, während die albanische Staatsanwaltschaft wegen Korruption und Amtsmissbrauch ermittelt. Am Wochenende wurden deswegen drei hohe Beamte des albanischen Innenministeriums festgenommen, darunter auch der stellvertretende Innenminister, Bujar Himci.

"Wer hat diesmal wen um wie viel betrogen" - die Ähnlichkeit mit früheren Korruptionsaffären lässt in Albanien keine wirkliche Erschütterung aufkommen. Nur die Verwicklung eines deutschen Unternehmens wirkt etwas irritierend, weil Deutschland allgemein ein hohes Ansehen genießt. Seit langem geistern immer neue Geschichten über die albanischen Pässe von der deutschen Bundesdruckerei durch die Presse - und durch die albanischen Behörden.

Aber jetzt drängt die Zeit zum Handeln. Vor Eröffnung der Assoziierungs- und Stabilitätsverhandlungen mit der EU muss Albanien entschieden gegen die Korruption vorgehen. Daher der eifrige Einsatz des albanischen Innenministers, der das Verfahren wieder aufrollte. Ob er den Sachverhalt dann tatsächlich klären kann, bleibt ungewiss.

"Die Unterlagen über die Verhandlungen und das Auswahlverfahren bis zur Erteilung des Auftrages fehlen oder sind nicht vollständig. Außerdem sind nach der Vertragsunterzeichnung zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden, die zur Veränderung bis zur Entfremdung der bestellten Pässe geführt haben. Auch die Tatsache, dass ein Teil der verhandelnden Personen gesucht wird, lässt den Verdacht zu, dass in diesem Ausschreibungsverfahren Ämter und öffentliche Gelder schwer missbraucht worden sind."

So der albanische Innenminister Luan Rama. Ursprünglich ging es darum, dass zwei Millionen Pässe bestellt werden sollten, die die EU-Sicherheitsstandards erfüllen sollten und auch den finanziellen Rahmen nicht sprengen durften. Vor allem sollten die neuen Pässe fälschungssicher sein. Die deutsche Bundesdruckerei gab das günstigste Angebot ab - und bekam den Auftrag. Kaum war der Vertrag unterschrieben, kamen bei der albanischen Seite Zweifel auf, ob die Mehrwertsteuer nun im Angebot enthalten sei oder nicht. Die Hauptmanagerin der Bundesdruckerei, Gerlind Köchel:

"Bei der Vergabe gab es die Frage - ist die Mehrwertsteuer enthalten oder nicht. Darum gab es einen Dissens, der gelöst wurde. Wir haben später gesagt: Gut, es ist alles enthalten, wir nehmen von allen weiteren Forderungen natürlich Abstand und bleiben bei dem Preis, der beim Tender genannt wurde."

Die Diskussion und die Unannehmlichkeiten nahmen dennoch kein Ende. Der Höhepunkt war erreicht, als die ersten Pässe geliefert wurden.

"Der gelieferte Pass entspricht nicht den Vereinbarungen. Die Farbe, das Papier und die Arbeitsqualität weicht ab, die Sicherheitscodes erfüllen die vereinbarten Standards bei weitem nicht."

Innenminister Luan Rama spricht von zusätzlichen Vereinbarungen, die im Gespräch mit der deutschen Seite festgelegt worden sind. Die neuen Pässe sollten vor allem fälschungssicher sein - und das sind sie nicht, meint die albanische Seite. Gerlind Köchel von der Bundesdruckerei weist alle Vorwürfe zurück:

"Wir haben die Pässe genauso geliefert, wie wir das vereinbart haben. Das ist ein Pass, der wirklich für Albanien entworfen und gemacht wurde. Er entspricht dem EU-Standard. Wir haben eine Abnahmeerklärung von der albanischen Seite. Der gelieferte Pass entspricht genau dem, was die albanische Seite abgenommen hat."

Die albanische Seite bemüht sich nun, die Fehlerquellen zu ermitteln. Unklar ist weiterhin, welche Rolle der albanische Vermittler Luan Muhametaj gespielt hat. Immerhin bekommt er acht Prozent des Gesamtbetrags für seine Leistungen. Gerlind Köchel von der Bundesdruckerei:

"Es ist selbstverständlich, dass man sich eines Vermittlers bedient. Wir haben einen Partner mit Ortskenntnissen vor Ort gebraucht. Wir haben einen Partner gebraucht, der für uns übersetzen kann. Das ist absolut nichts Ungewöhnliches. Ich denke, das werden Sie bei jedem größeren Projekt auch so haben. Wir sind auch verpflichtet, einen lokalen Partner da auszuwählen."

Wie lange sich die Affäre noch hinziehen wird, ist ungewiss. Die ergänzenden Verträge sind im albanischen Innenministerium nicht aufzufinden. Die verantwortlichen Beamten auch nicht. Sie sind teilweise im Ausland. Da die Pässe vom albanischen Innenministerium nicht ausgeliefert werden, warten immer mehr Albaner auf unbestimmte Zeit auf einen neuen Pass. (fp)