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Der Sommer geht, das Virus bleibt

Kay-Alexander Scholz
29. September 2020

Mit dem Herbst steigen die Ansteckungszahlen. Infektionsketten schnell zu verhindern ist das Kerngeschäft im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie. Wie gut ist Deutschland vorbereitet?

Menschen sitzen auf den Wiesen im Monbijou-Park in Berlin-Mitte
Monbijou-Park in Berlin-Mitte: Im Sommer war Geselligkeit draußen möglichBild: Kay-Alexander Scholz/DW

Im Sommer in Deutschland war vieles leichter. Man konnte sich im Freien treffen oder vor den Restaurants Platz nehmen. Mit dem Herbst beginnt die Indoor-Zeit. Die Nervosität steigt. Drinnen soll das Risiko, sich mit COVID-19 zu infizieren, viel höher sein, warnen Virologen unisono.

Die Gastronomie führte schon im Frühjahr sogenannte Kontaktzettel ein, auf denen die Gäste Namen, Anschrift und weitere Kontaktdaten hinterlassen sollen. Wird später eine Infektion bekannt, werden alle diejenigen informiert, die sich angesteckt haben könnten - so die Idee. Doch mit Fake-Namen wie "Peter Pan" oder "Dagobert Duck" sei keine Kontaktpersonennachverfolgung möglich, warnte zuletzt der Amtsleiter des Hamburger Bezirks Mitte, Falk Droßmann. Eine nichtrepräsentative Stichprobe von rund 1500 Kontaktzetteln habe Erschreckendes ergeben. Nur rund ein Drittel der Personen habe den Zettel so ausgefüllt, dass man sie erreichen könne.

Kontaktzettel aus einem Restaurant in Berlin - immer wieder tragen sich hier Gäste mit Phantasienamen wie "Dagobert Duck" einBild: Kay-Alexander Scholz/DW

Zwar sei die Stichprobe in einem Partygebiet gemacht worden, hieß es aus der Hamburger Pressestelle dazu. In klassischen Restaurants sei das sicher nicht in diesem Ausmaß zu finden. Doch da derzeit nicht die Alten, sondern die jungen Erwachsenen diejenigen sind, die sich am meisten anstecken, bereitet das vielen Sorge. Schon wurde die Forderung nach digitalen Kontaktzetteln laut. Doch in Deutschland, wo der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt, dürfte das nicht leicht umzusetzen sein. Für die rund 400 Gesundheitsämter bedeutet das noch mehr Arbeit.

Kontakte nachzuverfolgen braucht viel Personal

Anders als zum Beispiel im zentralistisch strukturierten Nachbarland Frankreich waren in Deutschland von Beginn an die Kommunen mit viel Verantwortung in die Pandemie-Bekämpfung eingebunden. Die Bundesländer und der Bund gaben zwar einen Rahmen vor, doch in den Gesundheitsämter der Städte und Landkreise wird vor Ort beschlossen, was zu tun ist.

Das Problem sei: Die Gesundheitsämter arbeiteten seit Monaten am Limit, berichtet Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, also der Gesundheitsämter. "Das macht mir Sorge", sagt sie. Zwar habe der Bund Anfang September nach einem Treffen 5000 neue Stellen zugesagt. Doch für den Herbst rechne sie noch mit keiner Entlastung. Die Verhandlungen, wer wie viele Stellen kriegt, seien erst angelaufen, so Teichert. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert warnte, die Gesundheitsämter arbeiteten "derzeit zum Teil am Anschlag". 

Wohl auch deshalb kommt nun noch mehr Hilfe durch die Bundeswehr. Rund 950 Unterstützungsanfragen seien seit Beginn der Pandemie eingegangen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der DW. Rund 900 Soldatinnen und Soldaten seien derzeit im Einsatz. Ein Großteil helfe beim Testen von Reiserückkehrern. 220 leisteten Dienst in 33 Gesundheitsämtern, um Infektionsketten nachzuverfolgen. In Berlin, wo die Infektionszahlen wieder stark gestiegen sind, werde das Kontingent gerade auf 200 erhöht - und damit verdreifacht. Doch das Contact-Tracing funktioniert nur wirklich gut, wenn auch die Testergebnisse schnell vorliegen.

Schnelltests sind ein neuer Hoffnungsträger

Die nationale Gesundheitsbehörde, das Robert-Koch-Institut, veröffentlicht regelmäßig einen Überblick über die landesweiten Testkapazitäten. Im aktuellen Wochenbericht heißt es, dass "sich die freien Kapazitäten in den nächsten Wochen reduzieren" könnten.

Zuletzt stieg die Zahl der Tests stark an - auf etwas mehr als eine Million pro Woche. Noch gibt es einen Puffer. Die Testkapazität für Ende September wird im Bericht mit rund 1,5 Millionen Tests angegeben. 

Ute Teichert warnt vor personellen Engpässen in den Ämtern vorn OrtBild: Stauffenberg/Eventpress/picture-alliance

Es gibt noch eine zweite Warnung des Instituts: Je mehr getestet werde, um so höher werde die Bearbeitungszeit - um so länger muss man also auf ein Testergebnis warten. Schon jetzt gebe es einen "Rückstau" von rund 13.000 Tests. Doch Schnelligkeit ist vonnöten, um Infektionsketten schnell zu unterbrechen.

Die Politik fördert parallel die Entwicklung schnellerer Testverfahren. Zuletzt verkündetete der Bund, einen neuen Corona-Schnelltest der Firma Bosch zu fördern, bei dem in 39 Minuten und nicht erst in ein paar Stunden das Ergebnis vorliegen soll. Auch andere Firmen arbeiten an schnelleren sogenannten PCR-Tests. Dabei werden Abstriche auf genetisches Virusmaterial geprüft.

Noch weiter in die Zukunft reicht die Frage, wie ein potentieller Impfstoff zu verteilen sei. Wer soll zuerst geimpft werden? Bis Ende Oktober will das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit Experten "Grundsätze für die Verteilung von Corona-Impfstoffen erarbeiten", heißt es auf Anfrage der DW aus dem Ministerium. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass "die Verteilungsdiskussion nicht nur eine medizinische, sondern auch eine ethische und sozialpolitische Dimension" habe. Ein Verteilungskonzept werde erst konkretisiert, wenn klar sei, "wie die Impfstoffe wirken". 
 

Corona-Test am Fenster

02:29

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