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Politik

Der Streit um die Schutzzonen in Syrien

12. Mai 2017

Vermittelt von Russland, Iran und der Türkei sollen in Syrien so genannte De-Eskalationszonen eingerichtet werden. Prinzipiell begrüßen alle Parteien das Vorhaben, äußern aber Kritik an Umsetzung und Details.

Syrien Flüchtlngscamp in Ain Issa
Kinder spielen im Flüchtlingscamp von Ain IssaBild: Reuters/R. Said

Der auf der Syrienkonferenz Anfang Mai in Astana vorgestellte Plan schien plausibel: Unter der Regie Russlands, Irans und der Türkei werden in Syrien so genannte Deeskalationszonen eingerichtet – Regionen, in denen sowohl die Kräfte des Assad-Regimes wie auch der gemäßigten Opposition auf Kampfhandlungen verzichten. Diese  Zonen, so sieht es der Plan vor, sollen dann den syrischen Zivilisten als Rückzugsorte dienen, in denen sie vor der Gewalt des Krieges in Sicherheit sind.

Überzeugend fanden die drei einladenden Staaten, sei vor allem ihre eigene Rolle: Russland und Iran würden mäßigenden Einfluss auf den syrischen Präsidenten Assad, nehmen. Die Türkei hingegen, lange Zeit den Rebellen verbunden, würde versuchen, diese zur Zurückhaltung zu bewegen.

Teile der Opposition sind von dem Plan dennoch nicht überzeugt. Sie weisen darauf hin, dass die drei Staaten keine unbeteiligten Vermittler, sondern zugleich auch aktive Kriegsparteien sind. Aus ihrer Sicht würden damit jene, die den Konflikt ganz wesentlich verschärft und in die Länge gezogen haben, nun zu vermeintlich unabhängigen Moderatoren. Darum kann das nun aufgeworfene Konzept aus ihrer Sicht nicht aufgehen.

Diskussion um Schutzzonen: Die Syrien-Konferenz in AstanaBild: picture-alliance/abaca/A. Raimbekova

Kritik an der Rolle Irans

Insbesondere stößt sich die Opposition an der Rolle Irans. Mehr noch als die beiden anderen Staaten gilt ihnen der schiitisch dominierte Iran als Staat, der in Syrien auch eine konfessionelle Agenda umsetzen will. Iran, erklärt Osama Abu Zeid, ein Sprecher der Opposition, sei ein "feindlicher Staat". Als solcher sei er zur Vermittlung nicht geeignet. "Wir können das Engagement Irans nicht hinnehmen, denn er tötet das syrische Volk und heizt die konfessionelle Spaltung an. Wir können nicht akzeptieren, dass er nun als Garantiekraft eines Friedens auftritt", erklärte Abu Zeid im Gespräch mit mehreren arabischen Medien.

Ähnlich sehen es auch andere Vertreter der Opposition. Gewiss, die Syrer wollten Frieden, erklärte Ismail Aladani, der Vorstand des lokalen Bürgerkomitees von Idlib in einem für den Sender Al-Jazeera verfassten Positionspapier. "Die Leute sind vom Krieg erschöpft. Sie wollen, dass die Kämpfe und die Luftschläge aufhören", resümiert er die Stimmung rund um Idlib. Dennoch stünden die meisten Bürger Idlibs dem Plan skeptisch gegenüber – auch und gerade angesichts der Parteien, die ihn umsetzen sollen. Die internationale  Gemeinschaft hat es zugelassen, dass die wesentlichen Verantwortlichen für die in Syrien herrschende Gewalt, nämlich Syrien, Russland und Iran, für diese Vereinbarung stehen. Das hätte nicht passieren dürfen."

Missbrauch der Sicherheitszonen befürchtet 

Die syrische Opposition traut dem Plan auch aus einem weiteren Grund nicht: Von der Vereinbarung sind die dschihadistischen Gruppen ausdrücklich ausgenommen. Gegen sie soll der Kampf auch weiterhin geführt werden. Das Problem ist aus Sicht der Skeptiker aber, dass der Begriff "Dschihadist" sehr dehnbar ist – im Zweifel, so die Sorge, zögere die Regierung in Damaskus nicht, einen Großteil der Opposition als "dschihadistisch" zu bezeichnen, um sie dann weiter bekämpfen zu können. "Mit den Sicherheitszonen kauft sich die Regierung nur Zeit, um das fortzusetzen, was sie seit Jahren tut", fasst Aladani die Bedenken seiner Mitstreiter zusammen.

Spuren der Zerstörung: Blick auf die Stadt Daraa Bild: picture-alliance/AA/A. Al Ali

Bedenken der Assad-Regierung

Doch auch auf Seiten der Regierung gibt es Bedenken. Sie wendet ein, dass die von den USA unterstützten Kurden von der Regelung ausgenommen sind. Darum, so die Sorge der Regierung, könnten die USA – sie fordern seit langem die Absetzung des Assad-Regimes  - aus den kurdisch dominierten Gebieten weiterhin auf den Sturz der Regierung hinarbeiten.  Ein Sturz der Regierung Assad würde den Kurden aller Voraussicht nach weitere Territorialgewinne verschaffen.

Eben das dürfte auch den Türken kaum gefallen. "Der Plan verhindert darum nicht, dass es zu Zusammenstößen zwischen türkischen Truppen und ihren syrischen Verbündeten auf der einen und von den USA unterstützen Kurden auf der anderen Seite kommt", heißt es in einer Analyse der Zeitung Al Arabi al-jadeed. Der Konflikt könnte darum in jenen Gebieten, die nicht zu De-Eskalationszonen erklärt wurden, umso entschlossener geführt werden. Damit würden die dort lebenden Zivilisten umso stärker in Mitleidenschaft gezogen.

Vertrauensbildende Maßnahme: Kinder beim Fußballspiel mit einem Rebellen Bild: picture-alliance/Zuma Press/K. Almasri

Sorge vor konfessioneller Spaltung

Wesentlicher Kritikpunkt bleibt aber auch in der Analyse von Al Arabi al-jadeed der Umstand, dass auch der Iran als Gewährsmacht für das Zustandekommen der De-Eskalationszonen fungieren soll. "Die Rebellengruppen empfinden auf die in Syrien kämpfenden Iraner oft einen besonderen Hass", so die Zeitung. Die Opposition werfe Iran vor, die Bevölkerung entlang konfessioneller Linien spalten zu wollen.

Seit langem beschuldigt die Assad-Opposition die iranischen Truppen, in Syrien Kriegsverbrechen zu begehen – ein Vorwurf, den sich Mitte Februar dieses Jahres auch einige republikanische US-Abgeordnete zu eigen gemacht haben, wie das mit der Politik des Nahen Ostens befasste Internet-Magazin Al-Monitor berichtet. Hauptverantwortlicher für die Gräueltaten sei zwar das Assad-Regime, aber Iran (und Russland) seien in diese Taten "verwickelt", heißt es in dem Positionspapier.

Neuer Auftakt in Genf

Grundsätzlich begrüßen sämtliche Kriegsparteien die Einrichtung von De-Eskalationszonen. Uneins sind sie über die Details der Umsetzung. Darum, so scheint es, sind alle Beteiligten auf einen neutralen Vermittler angewiesen. Das Thema soll daher auch auf die Agenda der von den UN geleiteten Syriengesprächen nächste Woche in Genf genommen werden.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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