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Der Tag, an dem die Berliner Mauer fiel

8. November 2019

Am 9. November 1989 endete der globale Kalte Krieg zwischen Diktaturen und Demokratien. Die neu gewonnene Freiheit führte zur Annäherung zwischen Ost und West – aber nicht zu gleichen Lebensverhältnissen.

Mauerfall Berlin
Bild: picture-alliance/dpa

Sie war das Symbol für die Teilung der Welt in Ost und West, für den Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus: die 1961 von der diktatorisch regierten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) errichtete Mauer in Berlin. Der westliche Teil war zwar von einer 155 Kilometer langen Sperranlage aus Beton und Stacheldraht umgeben, aber trotzdem konnten die Menschen ungehindert überall hinreisen. West-Berlin war also eine Insel der Freiheit mitten auf dem Gebiet der kommunistischen DDR.

Hingegen blieb für die allermeisten Ostdeutschen der so nahe Westen über Jahrzehnte ein unerreichbarer Sehnsuchtsort. Das änderte sich schlagartig am Abend des 9. November 1989, nachdem auf einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in Ost-Berlin ein neues Reisegesetz verkündet wurde. Demnach sollten auch Reisen in den Westen erlaubt werden - ab sofort! 

Auto-Kolonnen der DDR-Marken "Trabant" und "Wartburg" am berühmten alliierten Grenzübergang "Checkpoint Charlie"Bild: picture-alliance/dpa

Die Bilder jubelnder Menschen an geöffneten Berliner Grenzübergängen gingen um die Welt. Sie markierten auf anrührende Weise das faktische Ende der deutschen Teilung. Knapp ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, feierte das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs politisch geteilte Land seine Wiedervereinigung. Möglich wurde dieses welthistorische Ereignis aber nur, weil die vier Siegermächte einverstanden waren: die demokratischen Westalliierten USA, Großbritannien und Frankreich sowie die kommunistische UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken).

Zauberworte "Glasnost" und "Perestroika"

Entscheidend waren die Zugeständnisse, die der 1985 an die Macht gekommene sowjetische Reform-Kommunist Michail Gorbatschow machte. So sieht es auch der Direktor der Gedenkstätte Berliner Mauer, Axel Klausmeier. Gorbatschows Politik der Offenheit (Glasnost) und des Umbaus (Perestroika) war ein Bruch mit der sogenannten Breschnew-Doktrin, die vorgeschrieben hatte, dass die im "Warschauer Pakt" vereinten europäischen Länder nicht von dem Kurs abweichen, den der Kreml in Moskau vorgab.

Die Vorgeschichte des Mauerfalls

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Klausmeier fasst das Ende des Dogmas in einem Satz zusammen: "Egal, was in den sozialistischen Bruderstaaten passiert, diese Staaten sind für sich selbst verantwortlich". Anders als in den Jahrzehnten davor, schritten die Sowjets nicht mehr ein, als in Polen, Ungarn oder der DDR der Ruf nach demokratischen Reformen immer lauter wurde. Vor der Ära Gorbatschow waren alle Freiheitsbestrebungen im sogenannten Ostblock von der UdSSR brutal niedergeschlagen worden: 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei.

Polen bricht Machtmonopol 

Bürgerrechtler in ganz Osteuropa fühlten sich ermuntert, auch in ihren Ländern auf Glasnost und Perestroika zu drängen. In Polen gab es schon seit Sommer 1988 Kontakte zwischen der kommunistischen Führung und der offiziell noch verbotenen Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg waren die polnischen Parlamentswahlen im Juni 1989, an der erstmals oppositionelle Kandidaten teilnehmen durften. Allerdings ließen sich die seit Jahrzehnten herrschenden Machthaber vorab knapp zwei Drittel der Sitze zusichern.

Auch in anderen Ländern mehrten sich die Hinweise auf eine Zeitenwende. In Ungarn hatte die Regierung schon im Mai damit begonnen, die Überwachungsanlagen an der Grenze zu Österreich abzubauen. Dadurch wurde der Weg in die Freiheit an dieser Nahtstelle zwischen Ost- und Westeuropa weniger gefährlich. Hunderte DDR-Bürger kehrten deshalb auf diesem Umweg ihrer Heimat den Rücken.

 

Leipzig, 9. Oktober 1989: 70.000 Menschen demonstrieren friedlich für Reformen in der DDRBild: picture-alliance/Lehtikuva Oy/H. Saukkomaa

Gleichzeitig flüchteten im Sommer 1989 viele Tausende, indem sie sich Zugang zu westdeutschen Botschaftsgebäuden in osteuropäischen Ländern verschafften. Der Unmut wuchs täglich und damit der Druck auf das Regime in Ost-Berlin. Ab September gingen in der Messestadt Leipzig immer montags mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße. Als Höhepunkt gilt der 9. Oktober, als 70.000 Menschen friedlich für Veränderungen in der DDR demonstrierten.

"Wir haben gewonnen"

In Sprechchören skandierten sie "Wir sind das Volk!" und "Keine Gewalt!". Weil man nicht wusste, wie das Regime reagieren würde, sei die Angst "enorm groß" gewesen, weiß der Berliner Gedenkstätten-Leiter Klausmeier von vielen Zeitzeugen. Als aber bei dieser Demonstration nicht eingegriffen wurde, habe auch die Opposition das Gefühl gehabt: "Wir haben gewonnen."

Am 9. November war es dann soweit: Günter Schabowski, Ost-Berliner Chef der Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschland) verkündete ein neues Reisegesetz. Er löste damit, ob in dieser Form gewollt oder nicht, den Fall der Berliner Mauer aus. 30 Jahre danach sind noch nicht alle mentalen Mauern überwunden. Bei den Lebensverhältnissen zwischen Ost und West gibt es weiterhin große Unterschiede.  

4. November 1989: Auf dem Berliner Alexanderplatz demonstrieren eine halbe Million Menschen gegen das DDR-RegimeBild: picture-alliance/dpa

So erreichen die Löhne in den neuen Bundesländern laut dem jüngsten Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit im Durchschnitt nur 82 Prozent des Westniveaus. Abwanderung und Geburtenrückgang haben in den neuen Bundesländern zu Fachkräftemangel und Überalterung der Bevölkerung geführt. Und noch immer ist kein einziges ostdeutsches Unternehmen im Börsenleitindex DAX-30 notiert.

Die ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke erklärt, warum sich viele Ostdeutsche weiterhin als Bürger zweiter Klasse fühlen: "Alle diese Versprechungen von blühender Landschaften in kürzester Zeit haben dazu geführt, dass in Ostdeutschland der Eindruck entstanden ist: Das geht alles ganz schnell. Die Enttäuschung darüber, dass es länger dauert, wirkt bis heute fort."

Was bleibt, ist die Erinnerung an eine friedliche Revolution und eine historische Zeitenwende. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür persönlich bei Michail Gorbatschow bedankt. In einem Brief an den ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger schreibt er: "Das Wunder der friedlichen Wiedervereinigung wäre ohne die mutigen und menschlichen Entscheidungen, die Sie damals getroffen haben, nicht möglich gewesen.“

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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