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Musik

Ein anderer Jacques Offenbach

Gaby Reucher
19. Juni 2019

Jacques Offenbach, ein berühmter Cellist, ein Kirchenmusiker und Romantiker? Zum 200. Geburtstag zeigt das Offenbach-Festival ganz neue Facetten des bekannten Operettenkomponisten.

Pressebilder Jaques Offenbach Jahr 2019
Bild: Rheinisches Bilddarchiv Köln
Bild: Offenbachgesellschaft

"Piff, Paff, Puff", so steht es derzeit auf knallig gelben Plakaten, mit denen in der Domstadt Köln für das erste Jacques Offenbach-Festival geworben wird. "Piff, Paff,  Puff", das klingt nach einem kaputten Auspuff oder nach einer explodierenden Konfettikanone bei einer Party.

Letzteres trifft in etwa zu, denn gefeiert wird in diesen Tagen der 200. Geburtstag des Operettenkomponisten Jacques Offenbach, der am 20. Juni 1819 in Köln geboren wurde. In Köln gibt es allerdings weder ein Offenbach-Theater noch ein Offenbach-Museum. Immerhin ist der Platz vor dem Kölner Opernhaus nach ihm benannt. In Paris, wo Offenbach 1880 gestorben ist, sieht es ähnlich mager aus.

Der ungeliebte Sohn seiner Stadt

Mitbegründer der Offenbach-Gesellschaft Thomas HöftBild: Marieke Wijntjes

Gründe dafür gibt es viele und einer ist vielleicht die jüdische Herkunft von Jacques Offenbach, der als Sohn eines Synagogen-Kantors zur Welt kam. Das zumindest vermutet der Dramaturg und künstlerische Berater des Festivals, Thomas Höft: "Ich habe jahrelang für den bekannten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt gearbeitet, der mich fragte: 'Warum spielen wir Offenbach in Zürich, Graz und Wien, aber nicht in Köln?'" Die Antwort lieferte Harnoncourt gleich mit. "Das ist wohl diese alte antisemitische Geschichte der Stadt." Höft wollte das nicht auf sich beruhen lassen und trommelte daraufhin bekannte Leute aus Kunst, Medien und der Bürgerschaft zusammen, um eine Offenbach-Gesellschaft zu gründen.

Es klingt nach einer Hassliebe, wie sie der Dichter Heinrich Heine gegenüber seiner Heimatstadt Düsseldorf empfunden hat. Auch dort tat man sich jahrzehntelang schwer damit, den berühmten Sohn der Stadt zu würdigen. "Es war dieselbe Zeit und derselbe jüdische Hintergrund", bestätigt Thomas Höft. "Beide wurden aus der Geschichte der Städte verbannt, und wir wollen Offenbach wieder ins Bewusstsein bringen."

Der Meister der Operette kann mehr

Die Großherzogin von Gerolstein, eine Neuinszenierung an der Kölner OperBild: Oper Köln/Bernd Uhlig

Offenbach hat die unterhaltsame Operette als eigenständiges Genre etabliert. Operetten wie "Das Pariser Leben" oder "Orpheus in der Unterwelt" mit dem berühmten Cancan, gehören zu den bekanntesten seiner Werke. "In den Köpfen sind es fünf bis sechs Werke, die man noch mit Offenbach verbindet, aber er hat insgesamt allein rund 140 Bühnenwerke geschrieben", sagt der Musikwissenschaftler Ralf-Olivier Schwarz, der das Offenbach Festival mit seiner Expertise begleitet. Offenbach sei eine viel buntere und vielschichtigere Persönlichkeit, als es die Rezeptionsgeschichte bislang vermittelt habe.

Während die einen Offenbach mit seinen spöttischen Operetten gerne als "frivolen Unterhalter" sehen, sind andere Wissenschaftler darum bemüht, seine gesellschaftskritischen Anspielungen in den Texten gegenüber Napoleon III. hervorzuheben. Dabei sei Offenbach gar nicht so politisch gewesen und habe einfach auch lustige Opern zur reinen Unterhaltung geschrieben, meint Ralf-Olivier Schwarz. "Ich kann nicht verstehen, was an guter Unterhaltung künstlerisch schlecht sein soll. Gute Unterhaltung ist viel wert, das hat nicht erst Offenbach herausgefunden."

Das Offenbach-Festival in Köln lädt nicht nur zu Konzerten, Straßentheater und Cabaret ein, sondern auch zu Gesprächs- und Diskussionsrunden. Es gibt viel zu entdecken, wie den jungen Kirchenmusiker, der Musik für die Synagoge schrieb oder den Cellisten und den Komponisten für romantische Opern. Einen Offenbach, der nach den neusten Erkenntnissen in keine Schublade so recht passen will.

Offenbach der begabte Cellist

Weil Offenbach auch ein hochbegabter Cellist war, wollte ihn sein Vater in jungen Jahren am Pariser Nationalkonservatorium unterbringen. Eigentlich wurden dort Ausländer nicht aufgenommen, doch Isaac Offenbach leistete ganze Überzeugungsarbeit. Danach ging Jacques Offenbachs Cellistenkarriere steil bergauf, besonders in den Pariser Salons.

Das Landesjungendorchester und der Cellisten Bruno Philippe können stolz sein auf ihre Aufführung des CellokonzertesBild: Simon Riegel

Zu den schwierigsten Werken für einen Cellisten gehört auch heute noch das Cellokonzert in G-Dur, das Offenbach 1850 komponierte. Das Landesjugendorchesters NRW hat es beim Offenbach-Festival unter der Leitung von Chefdirigent Sebastian Tewinkel gespielt. "Wir haben etliche renommierte Cellisten angefragt, aber keiner wollte das Solo spielen", sagt die Geschäftsführerin des Orchesters, Agnes Rottland. Nach dem Konzert bekannte der französische Solist, Bruno Philippe, er wisse nicht, ob er nach vier Aufführungen das Stück noch einmal live spielen werde. Wer ihn nicht nur gehört hat, sondern auch 45 Minuten lang gesehen hat, wie sich seine Finger bei den schwierigen Griffen spreizten, um dann wieder virtuos die schnellen Tonfolgen zu meistern - jeder gefühlt zweite Ton ein Vibrato - der kann die Schmerzen in seinen Fingern nachempfinden.

Offenbach hat sich selbst vermarktet

"Offenbach war ein PR- und Vermarktungsgenie und hat sich auch selbst vermarktet", erläutert Schwarz. Das Bild des "Teufelscellisten" habe er genauso gepflegt, wie später das Image des "frivolen Unterhalters", meint der Offenbach-Biograph. "Da ist er als Teufelscellist auch mal wirkungsvoll in Ohnmacht gefallen und dann beugte sich die Damenwelt über ihn, um diesen aschfahlen Künstler wieder zum Leben zu erwecken. Dann hatte er den ganzen Salon auf seiner Seite."

Biograph Ralf-Olivier Schwarz ist von Offenbachs Leben und Werk begeistertBild: Michael Kleinespel

1870, als er längst sein eigenes Theater betrieb, war die Akzeptanz nicht mehr so groß. Der Deutsch-Französische Krieg machte auch ihm das Leben schwer. Die Franzosen sahen in ihm den deutschen Feind, die Deutschen stempelten ihn als frivolen Franzosen und Verräter ab. Antisemitische Strömungen gab es in beiden Ländern, so dass Offenbach auch nach dem Krieg nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte und sich an die Küste zurückzog.

Doch er war keinesfalls verarmt, als er am 5. Oktober 1880 in Paris starb. Eine erfolgreiche Tournee durch Amerika hatte ihm 1876 genug Geld eingebracht, um gut davon leben zu können. Ganz hatten ihn die Pariser auch nicht vergessen. 3000 Trauergäste hätten seinen Sarg begleitet, sagt Ralf-Olivier Schwarz. Die Kirchentüren der Trauerfeier wurden offen gelassen, damit die Menschen Offenbachs Musik hören konnten, darunter einige Stücke aus der neuen unvollendeten phantastischen Oper "Hoffmanns Erzählungen".

Offenbach im Museum

Jacques Offenbach im Kreise seiner Familie vor 1880Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln

Die Offenbach-Gesellschaft will auch über das Jubiläumsjahr hinaus dafür sorgen, dass der vielseitige Musiker nicht in Vergessenheit gerät. "In dem von der Stadt Köln geplanten jüdischen Museum Miqua wird die Geschichte der Offenbachs ein fester Bestandteil werden", freut sich die Koordinationsleiterin des Festivals, Claudia Hessel. Außerdem werde im Juli beim großen Volks-Feuerwerk "Kölner Lichter" Musik von Jacques Offenbach erklingen. Piff, Paff, Puff möchte man da sagen. Doch eigentlich hat dieser Ausspruch eine andere Geschichte:

"Piff, Paff, Puff ist ein witziges ironisches Lied von General 'Bumm' aus der komischen Oper 'Die Großherzogin von Gerolstein'", erläutert Dramaturg Thomas Höft. "Seine Kriege finden auf dem Tisch statt, seine Siege feiert er beim Trinken und seine Waffen sind der Humor." Das sei heiter und merkwürdig. "Ich denke, mit diesem ironischen Sinn ist das der richtige Titel für unser Festival, denn auch Offenbach ist heiter und im besten Sinne des Wortes merkwürdig zugleich".

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