1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteAfrika

Fragen und Antworten zum Tigray-Konflikt

Martina Schwikowski
15. August 2021

Seit dem Ausbruch der Kämpfe im November 2020 hat sich der Tigray-Konflikt immer weiter ausgebreitet - und er könnte die ganze Region im Nordosten Afrikas destabilisieren. Unser Überblick über die wichtigsten Fakten.

Äthiopisches Militär in Tigray
Bild: Ethiopian News Agency/AP/picture alliance

Wer kämpft gegen wen?

In Tigray, einer Region im Norden Äthiopiens, kämpfen Regierungstruppen gegen tigrische Streitkräfte. Premierminister Abiy Ahmed gilt als erbitterter Gegner der dort regierenden Volksbefreiungsfront Tigrays (TPLF). Bis zu seinem Amtsantritt 2018 hatte die TPLF Äthiopiens Politik dominiert. Sie stellte lange den Ministerpräsidenten, wichtige Posten in Regierung und im Militär waren mit ihren Mitgliedern besetzt. Doch die von ihr geführte Regierungskoalition galt als äußerst autoritär. Als Abiy, der zur Volksgruppe der Oromo gehört, an die Macht kam, schloss er die TPLF aus der Koalition aus und versprach demokratische Reformen.

Wie begannen die Kämpfe?

Im November 2020 ordnete Abiy eine Offensive gegen die tigrischen Truppen an. Er beschuldigte sie, einen Militärstützpunkt der äthiopischen Armee in der Region angegriffen zu haben. In den Monaten zuvor war der Konflikt zwischen dem Premier und der TPLF immer weiter eskaliert, vor allem nachdem diese gegen den Willen der Zentralregierung im September 2020 in der Region Wahlen abgehalten hatte.

Im Juni eroberten die tigrischen Truppen Mekelle zurückBild: DW

Zunächst schien es der äthiopischen Armee zu gelingen, die TPLF zu besiegen. Doch im Juni 2021 eroberte die TPLF die Regionalhauptstadt Mekele zurück. Abiy erklärte am 28. Juni eine Waffenruhe. Trotzdem haben die Kämpfe auch auf die benachbarten Regionen Afar und Amhara übergegriffen.

Wie ist die Bevölkerung betroffen?

Der Konflikt hat eine schwere humanitäre Krise ausgelöst. Tausende Menschen sind nach UN-Angaben getötet worden, über fünf Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe. Laut UNICEF könnten über 100.000 Kinder in den nächsten 12 Monaten von schwerer Unternernährung betroffen sein. Nichtregierungsorganisationen werfen allen Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen wie Vergewaltigungen, Plünderungen und Hinrichtungen vor.

Die UN klagen, dass aufgrund bürokratischer Hürden und anderer Probleme nur ein kleiner Teil der benötigten Hilfslieferungen die Region bisher erreicht hat.

Laut Hilfsorganisationen kommt nicht genug Nothilfe in die betroffenen RegionenBild: Eduardo Soteras/AFP

Welche Rolle spielen die Nachbarländer?

Der Konflikt hat die Spannungen am Horn von Afrika weiter verschärft. Eritrea trat schnell auf der Seite der äthiopischen Zentralregierung in den Krieg ein. Äthiopien und Eritrea waren jahrzehntelang in einen teils blutigen Grenzkonflikt verwickelt, den erst Premier Abiy nach seinem Amtsantritt beendet hatte. Die TPLF wiederum ist ein erbitterter Gegner Eritreas. Auch der Sudan ist von dem Konflikt betroffen: Über 50.000 Menschen sind bisher aufgrund der Kämpfe in Tigray dorthin geflohen.

Äthiopien und Sudan warfen sich gegenseitig vor, dass auch Truppen des jeweils anderen Landes seit Beginn des Konflikts die gemeinsame Grenze überschritten hätten. Auch über den Verlauf dieser Grenze gibt es seit Jahrzehnten Streit.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?  

Führende internationale Politiker und der UN-Sicherheitsrat fordern einen Waffenstillstand und freien Zugang für Hilfslieferungen und Helfer zu den umkämpften Regionen. Die Vereinigten Staaten haben die TPLF aufgefordert, sich aus Afar und Amhara zurückzuziehen. Gleichzeitig verhängte die US-Regierung Visa-Sanktionen gegen einzelne äthiopische und eritreische Vertreter. Die EU und die Bundesregierung haben in der Vergangenheit Teile der finanziellen Unterstützung für Äthiopien eingefroren.

Viele Menschen sind in den Sudan geflohenBild: Nariman El-Mofty/AP/picture alliance

Da die Nachbarn Eritrea und Sudan auch immer stärker vom Konflikt betroffen sind, wächst die internationale Sorge vor einer Destabilisierung der Lage am Horn von Afrika.

Wie geht es weiter?

Der Konflikt droht weiter zu eskalieren: Die Oromo-Befreiungsfront, eine Rebellengruppe aus dem Süden des Landes, hat eine Allianz mit der TPLF angekündigt. Gemeinsam wollen beide Gruppen gegen die Zentralregierung kämpfen. Gleichzeitig rief Premier Abiy alle Äthiopier auf, sich dem Kampf gegen die TPLF anzuschließen.

In einer früheren Version dieses Artikel war die Rede davon, dass Premierminister Abiy Ahmed einen Waffenstillstand verkündet habe. Stattdessen verkündete er eine Waffenruhe. Wir haben den Fehler entsprechend korrigiert.