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Schickes Design und Öko

12. Februar 2012

Schickes Design und Umweltschutz: in der Vergangenheit oft ein Widerspruch. Auf der Konsumgütermesse Ambiente 2012 treten einige Designer den Gegenbeweis an.

Ambiente 2012Bild: Richard Fuchs

Mit einem kaputten Fahrradschlauch begann für Stefanie Fauser aus Berlin eine große Leidenschaft. "Ich habe einen Freund, der gerne Rad fährt und mit seinen kaputten Fahrradschläuchen etwas Sinnvolles anfangen wollte", erzählt die Produktdesignerin über die ersten Schritte bei ihrer Recycling-Kunst. Inzwischen fertigt sie aus gebrauchten Fahrradschläuchen nicht nur Umhängetaschen, sondern auch Gürtel, Portemonnaies, Armbänder und Brillenetuis. "Das macht Sinn, nicht nur weil es umweltfreundlich ist, sondern auch, weil die Taschen und Gürtel einfach schön sind", sagt Stefanie Fauser. Zwar stammen die kaputten Fahrradschläuche inzwischen nicht mehr alle von ihrem Freund, doch der Gedanke der kurzen Transportwege und der Wiederverwertung von Altem ist geblieben: "Unsere Schläuche werden in Berlin abgefahren und werden auch hier weiterverarbeitet."

Nur gekauft und getragen werden ihre schlauchigen Modeaccessoires inzwischen weltweit, was nicht zuletzt auch an ihrer Präsenz auf der größten Konsumgütermesse der Welt, der AMBIENTE 2012 in Frankfurt liegt. Insgesamt 4543 Aussteller aus mehr als 87 Ländern zeigen hier vom 10. bis 14. Februar 2012 ihre Produktneuheiten. Und neben den etablierten Firmen aus den Bereichen Wohnen, Küche und Hausrat drängen auch immer mehr alternative Verkaufs- und Produktionskonzepte aufs Parkett. Das Prinzip des "Upcyclings", also aus Abfall neue Produkte zu machen, findet erstaunliche viele Anhänger.

Stefanie Fauser macht aus alten Fahrradschläuchen Taschen, Gürtel und GeldbeutelBild: Richard Fuchs

Ein Rahmen, der aus dem Rahmen fällt

Auch Benjamin Rüggeberg gehört zu dieser Gruppe. Er hat einen Vertrieb für Bilderrahmen aufgebaut, die aus dem Rahmen fallen. Egal ob Holz früher als Zierleiste, Schrank oder Bodenbelag diente, mit viel handwerklicher Kleinarbeit wird dieses Holz jetzt zu Designer-Bilderrahmen wiederverwertet. "Wenn wir uns nicht eingeschaltet hätten", sagt Benjamin Rüggeberg, "wäre die alte Zierleiste und alles andere möglicherweise auf irgendeiner Müllkippe verbrannt." Gebaut werden die Unikate von der Luna Design Company, einer kleinen südafrikanischen Firma, die aus einem Arbeits- und Obdachlosen-Projekt hervorgegangen ist. Hier wird das Sammeln von Strand- und Altholz zur Einnahmequelle für bislang Mittellose, ebenso wie zur Jobperspektive in der hauseigenen Bilderrahmen-Fabrikation in Kapstadt. 1996 von den südafrikanischen Brüdern Mark und Brian Fanner gegründet, arbeiten inzwischen 50 Festangestellte für die etwas andere Bilderrahmen-Fabrik.

Vertreibt Bilderrahmen aus südafrikanischem Strandgut: Benjamin RüggebergBild: Richard Fuchs

Der Natur einen Raum geben

Der Neuseeländer Martin Carter will der Natur in seinem Geschäftsmodell wieder mehr Raum geben. Seine Idee stellt dabei aber sprichwörtlich alles auf den Kopf. Gedacht für die Großstadtwohnung mit wenig Stellfläche wurde "Sky Planter" entwickelt, der Blumentopf, mit dem Pflanzen von der Decke hängend nach unten wachsen können. So bleibt der Fußboden frei für andere Gegenstände. "Im oberen Teil des Blumentopfs ist ein Wasserspeicher, der das Wasser festhält", erklärt Martin Carter den Trick, warum trotz Schwerkraft die Pflanze drin und der Fußboden trocken bleiben. "Und am unteren Teil des Blumentopfs gibt es einen Deckel, der die Pflanze im Topf hält." Dass solch eine Idee, die Pflanzen auf den Kopf zu stellen, ausgerechnet von einer kleinen Firma aus "Down Under" kommt, kommentiert Martin Carter mit einem Lächeln: "Ich glaube, das ist lediglich ein wunderschönes Versehen".

Nicht urbanes Wohnen, sondern modernes Schenken will dagegen der Österreicher Roland Stritzl langlebiger und einen Tick grüner machen. Mit seinem vor gut vier Jahren gegründeten Start-Up-Unternehmen "MacFlowers" hat er sich auf Geschenke spezialisiert, die nachwachsen. Statt Blumensträuße, die schnell verwelken, gibt es bei ihm Dosenblumen. Nach dem Motto "Öffnen, gießen und freuen" wachsen in den Geschenkdosen Margariten, Strauchtomaten und selbst Christbäume. "Im ersten Jahr wächst eine solche Fichte 25 Zentimeter. Später in den Garten ausgesetzt, steht dann nach zwei oder drei Jahren ein Christbaum da", erzählt Roland Stritzl über seinen Wegwerfartikel mit Langzeitfreude.

Quatsch mit Pappe

Martin Carter aus Neuseeland stellt die Pflanzenwelt auf den Kopf. Seine Pflanzen wachsen von der Decke.Bild: Richard Fuchs

Spaß machen soll auch die Idee von Designer Cantemir Gheorghiu aus Berlin. Weil dicke Hornbrillen von ernsten Schlipsträgern ihm Angst gemacht haben, hat der Designer die Pappbrille für jedermann erfunden. Die soll einfach nur ein Lächeln hervorzaubern, ganz gleich ob die Brille mit Leoparden-, Pusteblumen- oder Maltherapie-Dekor bedruckt ist. "Auf großen Festen wandern die Brillen-Attrappen von einem Menschen zum anderen", erzählt der Aktionskünstler. "Und damit wandert auch die gute Stimmung". Erstmals zum Einsatz kamen seine Brillen bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft. Inzwischen hat sich eine Pappbrillen-Fangemeinde gebildet, die sich selbst auf der Berliner Fashion-Week mit seinen Modeaccessoires zeigt. Für Pappe als Ausgangsmaterial hat sich Cantemir Gheorghiu dabei ganz bewusst entschieden, "weil es ökologisch ist und weil es ein bisschen auch diese Wegwerfgesellschaft auf die Schippe nimmt". Inzwischen hat die Pappbrille übrigens auch Geschwister bekommen: das junge Label führt zudem Pappuhren, Papptaschen, Pappkrawatten und selbst Pappfliegen. Eine Fortsetzung ist vorgesehen. Einzige Bedingung: es muss Pappe sein.

Zur Pappe jetzt lach schon: Designer Cantemir GheorghiuBild: Richard Fuchs

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Andreas Noll