Tschechien: Babis will öffentliche Medien verstaatlichen
11. Februar 2025
Noch ist Andrej Babis Oppositionsführer im Parlament der Tschechischen Republik. Aber bei der Wahl im kommenden Herbst will der Oligarch und Chef der Partei ANO (Bewegung unzufriedener Bürger) wieder an die Regierungsspitze zurückkehren. Seine Chancen dafür stehen nicht schlecht. Laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos von Anfang Februar wollen 36,7 Prozent der tschechischen Wähler für seine Partei stimmen. Nur 20,5 Prozent wollen ihre Stimme für das Drei-Parteien-Bündnis Spolu (Gemeinsam) von Premierminister Petr Fiala abgeben, das zusammen mit zwei weiteren Parteien das Land seit 2021 regiert.
Sollte er die Wahl gewinnen, wird der 70-jährige Babis wahrscheinlich keinen Koalitionspartner haben, der ihn korrigiert, wie es die pro-europäischen Sozialdemokraten während seiner ersten Regierungszeit 2017-2021 taten. Die ANO hat sich im vergangenen Jahr radikalisiert und ist immer weiter nach rechts gerückt. Im Europäischen Parlament wechselte sie von der liberalen Fraktion Renew Europe zu den rechtsextremen Patrioten für Europa, die von dem französischen Rassemblement National angeführt werden.
Vorbilder Robert Fico und Viktor Orban
Babis macht auch kein Geheimnis aus seiner Nähe zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und zum slowakischen Regierungschef Robert Fico. Beide Politiker sind nicht zuletzt wegen ihrer Beziehungen zum russischen Staatschef Wladimir Putin in der EU umstritten. Auch ihre autoritäre Amtsführung wird in Brüssel mit Sorge gesehen.
Babis jedoch will von Ficos Slowakei und Orbans Ungarn die Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kopieren. Während zumindest ein Teil der derzeitig in Prag regierenden pro-europäischen Mitte-Rechts-Regierungskoalition versucht, die Unabhängigkeit der öffentlichen Medien zu stärken, will Babis das Gegenteil. Sein Ziel ist die Verstaatlichung des aus Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Schon seit Monaten blockiert die ANO - gemeinsam mit der rechtspopulistischen und europaskeptischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) - im Parlament die von der Regierung Fiala vorgeschlagene Erhöhung der Rundfunkgebühren. Sie sind seit 2008 nicht mehr erhöht worden und sollen nun moderat angehoben werden: von 135 auf 155 Tschechische Kronen (ca. 6,2 Euro) für das Fernsehen und von 45 auf 55 CZK (ca. 2,2 Euro) für den Hörfunk.
Babis dagegen verspricht seinen Wählern, dass er die Gebühren ganz abschaffen wird. Nach seiner Regierungsübernahme will er Fernsehen und Hörfunk zusammenlegen und aus dem Staatshaushalt finanzieren. "Der Hauptgrund für unseren Vorschlag ist wirtschaftlicher Natur", behauptete Babis Ende Januar in der Abgeordnetenkammer. "Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger kein Geld für intransparente Institutionen zahlen sollen, die zum Nutzen dieser Regierung und der Fünf-Parteien-Koalition missbraucht werden."
Das slowakische Modell als Abschreckung
Babis macht keinen Hehl daraus, dass er das slowakische Modell von Robert Fico umsetzen will. Dessen Regierung brachte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im vergangenen Jahr unter ihre politische Kontrolle, indem sie seine Finanzierung direkt an den Staatshaushalt band.
Ivana Sulakova, Vorsitzende des tschechischen Journalistenverbands, bezeichnete die Pläne der ANO-Bewegung als inakzeptabel. "Die Umwandlung der öffentlichen Medien durch ihre Verstaatlichung und ihrer Finanzierung aus dem Staatshaushalt ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Denn das stellt eine direkte Abhängigkeit vom politischen Willen der höchsten politischen Nomenklatur dar", sagte Sulakova gegenüber der DW. "Was sich in der Slowakei abspielt, ist erschreckend und ein klarer Beweis dafür, dass die Bevölkerung, wenn es keine öffentlich-rechtlichen Medien gibt, keine Garantie dafür hat, dass sie alle relevanten Informationen erhält, unabhängig davon, wer gerade an der politischen Macht ist."
Wie viele andere Journalisten und Medienexperten in Tschechien kritisiert Sulakova auch die derzeitige Regierung von Petr Fiala. Sie habe zu wenig getan, um die Position der öffentlich-rechtlichen Medien zu stärken und sie unangreifbar zu machen gegenüber Bemühungen von Politikern wie Babis und Fico, sie der Regierungsmacht unterzuordnen. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die derzeitige Regierung die Position der öffentlich-rechtlichen Medien in der Gesellschaft gestärkt hat", sagt Sulakova. "Sie war auch nicht in der Lage, der Bevölkerung zu erklären, wofür die Rundfunkgebühren verwendet werden und was durch sie für die Öffentlichkeit garantiert wird."
Erinnerung an Prager TV-Streik von 2000-2001
Senator David Smoljak von der mitregierenden Bewegung der Bürgermeister und Unabhängigen (STAN) stimmt Sulakova zu. Er hat sich in den letzten Jahren für die Stärkung der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien eingesetzt hat, um sie vor der Verstaatlichung zu schützen.
"Wir haben erreicht, dass ein Drittel der Mitglieder der Aufsichtsräte der öffentlich-rechtlichen Medien vom Senat bestimmt wird, der in einem anderen politischen Zyklus gewählt wird, als die Abgeordnetenkammer", sagt Smoljak gegenüber der DW.
Er selbst plädiert für eine hälftige Beteiligung des Senats. Das habe sich aber in der Regierung als nicht durchsetzbar erwiesen. Denn auch ein Teil der Bürgerlich-Demokratischen Partei von Ministerpräsident Fiala, der stärksten Kraft des Dreiparteienbündnisses Spolu, sei gegen eine Stärkung der öffentlich-rechtlichen Medien.
"Aber ich denke, wir werden es schaffen, die Erhöhung der Rundfunkgebühren noch vor den Wahlen durchzusetzen", so Smoljak zuversichtlich.
Auch er sieht in den Plänen von Oppositionsführer Babis das Bestreben, die öffentlichen Medien des Landes zu liquidieren. Dennoch glaubt er, dass der Rundfunk auch nach einer Rückkehr von Babis an die Macht als unabhängiges Medium erhalten bleiben wirdt. "Wir sind in einer besseren Situation als die Slowakei, unsere öffentlich-rechtlichen Medien sind widerstandsfähiger, und der Versuch, sie gewaltsam unter die Kontrolle der herrschenden Regierung zu bringen, würde sowohl bei den Journalisten als auch bei einem großen Teil der Bürger auf Widerstand stoßen", sagt Smoljak.
Er erinnert an die Prager Fernsehkrise von 2000-2001. Damals hatte die Regierung Milos Zeman kurz vor dem Jahreswechsel versucht, mithilfe des neu berufenen Fernsehrats einen neuen Generaldirektor zu installieren und den Rundfunk unter seine Kontrolle zu bringen.
Dies stieß jedoch auf heftigen Widerstand der Rundfunkmitarbeiter, die dem neuen Generaldirektor vorwarfen, eine Marionette der beiden stärksten Parlamentsparteien zu sein. Sie traten in den Streik und mobilisierten mit Protestaktionen die Öffentlichkeit. Auf dem Wenzelsplatz in Prag und in anderen Städten des Landes fanden Demonstrationen statt, bis der neue Generaldirektor und weitere Fernsehfunktionäre zurücktraten.