Regieaußenseiter Roland Klick
30. Juni 2009Radikal war schon sein erster langer Film. Als Klicks Debüt "Bübchen" im Revolutionsjahr 1968 auf Festivals gezeigt wurde und in die Kinos kam, verstörte er große Teile der Kritik und des Publikums. Kaum einer konnte mit der schonungslosen und vor allem entpsychologisierten Darstellung von Gewalt etwas anfangen. Auch Klicks folgende Filme spalteten das Publikum. Sie unterschieden sich sowohl formal als auch thematisch vollkommen vom Debüt. Filme wie "Deadlock" oder "Supermarkt" spielten mit bekannten Genremustern, fügten diesen jedoch etwas ganz Neues, Eigenes hinzu.
Roland Klick war ein Außenseiter im damals noch "Neuen Deutschen Film". "War" muss man heute leider sagen, denn nach 1989 hörte Klick auf Filme zu drehen. Zu schwierig waren die Produktionsbedingungen für ihn geworden, hatte er sich doch zwischen alle Stühle gesetzt. Die führenden Köpfe des - zumindest bei der Kritik und auf Festivals - erfolgreichen deutschen Kinos waren Klick zu theorieversessen. Und für das rein kommerzielle Kino war dieser Regisseur viel zu phantasiereich, zu widerspenstig, zu unkonventionell und intelligent. So wurde Klick, der 1983 immerhin noch Weltstar Dennis Hopper für seinen Film "White Star" verpflichten konnte, zu einem "Unvollendeten". Der DVD-Anbieter "451" hat jetzt das Frühwerk des Regisseurs auf DVD herausgebracht.
Die Kurzfilme (1963 - 1966)
Im zehnminütigen "Weihnacht" warf Klick 1963 einen Blick auf das alljährliche Treiben in Deutschland im Dezember - eine Stilübung. "Ludwig", ein Jahr später entstanden, wird von dem Regisseur heute als sein bester, weil ganz nach seinen Vorstellungen entstandener, Film eingeschätzt. Er zeigt den blutjungen Otto Sander als Außenseiter in einem bayrischen Dorf. "Zwei" von 1965 ist die Geschichte zweier höchst unterschiedlicher Menschen in einem Hochhaus, die sich kurz begegnen. "Jimmy Orpheus" schließlich aus dem Jahre 1966 sollte eigentlich sein erster Langfilm werden, was aber an der Finanzierung scheiterte. Klick stellt ein Paar vor, das sich immer wieder annähert und entfernt, sich vor nächtlicher Kulisse der Reeperbahn treiben läßt.
Bübchen (1968)
Beim Wiedersehen von Roland Klicks Langfilmdebüt verblüfft heute vor allem die radikale Haltung des Films. "Bübchen" (auch unter dem Titel "Der kleine Vampir" im Verleih) erzählt die Geschichte eines heranwachsenden Jungen, der seine Schwester mit einer Plastiktüte tötet. Wofür der Österreicher Michael Haneke heute überall zu Recht gefeiert wird, nämlich für seinen schonungslosen Blick auf versteckte und offene Gewalt mitten in unserer Gesellschaft, das hat Klick schon Jahrzehnte zuvor in diesem Film vorexerziert. Vordergründig erfährt der Zuschauer nichts über die Motive des jugendlichen Mörders. Doch wer sehen will, der kann entdecken und begreifen: das Milieu, die Eltern, der Gang der Dinge - all das wird von Klick realistisch, aber nicht moralisch-psychologisierend inszeniert.
Deadlock (1970)
Klicks radikaler Spurwechsel. Wer erwartet hatte, der Regisseur werde nun seinen Blick auf die Gesellschaft fortsetzen, der sah sich getäuscht. Zumindest vordergründig. "Deadlock" ist eine raue, aber auch rasante Genrevariation. Der Kampf dreier Männer irgendwo in einer industriellen Wüstenöde wird zu einem Mix aus Italowestern, Gangsterballade und Psychothriller. Mario Adorf, Anthony Dawson und Marquard Bohm geben ein schmutziges Männertrio ab. Im damaligen deutschen Kino wohl einmalig. Den Film inszenierte Klick in Israel unter dem Schutz des Militärs. Gedreht werden konnte nur dann, wenn gerade nicht geschossen wurde. In Cannes sollte der Film im Wettbewerb laufen - das war einigen deutschen Filmfunktionären jedoch nicht geheuer. "Deadlock" lief nur in einer Sondervorstellung, wurde dann aber zu Klicks größtem kommerziellen Erfolg.
Die Filme Roland Klicks sind beim Anbieter "451" erschienen, dort liegen auch die anderen Arbeiten Klicks vor. Sensationell sind die verschiedenen Interviews mit dem Regisseur auf den DVDs. Enorm aufschlussreich und ungeheuer unterhaltsam plaudert hier einer über das Kino, seine Filme und den Stand der Dinge beim deutschen Film. Ein Muss für Freunde des deutschen Films - oder vielmehr: für die, die ihn noch entdecken wollen.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Marlis Schaum