Sie dösen am Strand, robben sich hier und da ein paar Meter nach links oder rechts. See-Elefanten scheinen ein bequemes Dasein zu führen. Doch der Eindruck täuscht: See-Elefanten schlafen rekordverdächtig wenig.
See-Elefanten sind wahre Langschläfer an Land, doch auf hoher See tickt die Uhr anders.Bild: Jessica Kendall-Bar, NMFS 23188
Anzeige
An Land lungern See-Elefanten gern herum. Die meiste Zeit dösen sie selig vor sich hin und lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Forschende haben nun aber mehr über die Schlafgewohnheiten der Tiere herausgefunden. Und die sind spannender als das stundenlange Rumlungern vermuten lässt. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Science veröffentlicht.
Der Nördliche See-Elefant (Mirounga angustirostris) ist eine von zwei Arten der See-Elefanten. Er ist im Ostpazifik an der Küste Nordamerikas von Niederkalifornien bis Alaska und den Aleuten heimisch. Die Kolonien der Tiere bevorzugen den Bereich um Baja California und die kalifornische Küste.
Während der Paarungszeit schlafen See-Elefanten rund zehn Stunden pro TagBild: Galyna Andrushko/Zoonar/picture alliance
Den größten Teil ihres Lebens verbringen die See-Elefanten im Meer, nur zum Fellwechsel und für die dreimonatige Paarungs- und Wurfzeit bilden sie große Kolonien an der Küste und auf vorgelagerten Inseln.
Währenddessen schlafen See-Elefanten viel. Sehr viel. Da kommen sie gut und gerne auf zehn Stunden pro Tag. Und auf See? Wie und wann schlafen See-Elefanten unter Wasser? Diesen Fragen sind Forschende der UC Santa Cruz genauer nachgegangen, indem sie die Gehirnaktivität der wildlebenden Meeressäuger aufgezeichnet haben.
Wann schlafen See-Elefanten?
"Seit Jahren ist eine der zentralen Fragen zu See-Elefanten, wann sie schlafen", sagt Daniel Costa, Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der UC Santa Cruz. Er leitet dort das Institut für Meereswissenschaften . Im Rahmen des UCSC-Forschungsprogramms für See-Elefanten im Año Nuevo-Reservat werden immer ausgefeiltere Methoden verwendet, um die Bewegungen und das Tauchverhalten der Robben während ihrer Nahrungssuche zu verfolgen. Denn während sich die Tiere am Strand während der Paarungszeit gut beobachten lassen, ist wenig darüber bekannt, wie sie sich auf See verhalten.
"Die Tauchaufzeichnungen zeigen, dass sie wirklich ständig tauchen, also dachten wir, dass sie während der sogenannten Strömungstauchgänge, bei denen sie aufhören zu schwimmen und langsam sinken, schlafen müssen", so Costa.
Doch bislang war dies nur eine Vermutung. "Jetzt können wir endlich sagen, dass sie während dieser Tauchgänge definitiv schlafen, und wir haben auch festgestellt, dass sie im Vergleich zu anderen Säugetieren insgesamt nicht sehr viel schlafen.
Während ihrer monatelangen Aufenthalte auf See konkurrieren die See-Elefanten sogar mit den afrikanischen Elefanten. Mit zwei Stunden pro Tag halten die Dickhäuter bisher unter den Säugetieren den Rekord für die kürzeste Schlafdauer.
Nickerchen im Tierreich
Wir Menschen brauchen täglich ungefähr acht Stunden Schlaf - im Bett. Elefanten, Pottwal & Co. haben da ganz andere Methoden und auch viel weniger Zeit.
Bild: picture-alliance/OKAPIA KG, Germany
Rekord Kurzschläfer
Zwei Stunden Schlaf. Das war der Durchschnitt von zwei afrikanischen Elefantenweibchen in einer aktuellen Studie. An mehreren Tagen schliefen sie auch gar nicht. Damit haben sie den kürzesten Schlaf verglichen mit anderen Säugetieren. Forscher führen den Schlafentzug auf den Beschützerinstinkt von Elefanten zurück.
Bild: AFP/Getty Images/T. Karumba
Kurzes Nickerchen auf dem Boden
Ähnlich wie Elefanten, dösen Giraffen immer wieder über den Tag hinweg. Dafür geht ein Großteil der vier bis fünf Stunden Schlafzeit drauf. Nur eine halbe Stunde schlafen sie liegend auf dem Boden. Forscher nennen die Phase Rapid-Eye-Movement-Phase, die es auch bei Menschen gibt.
Bild: Florian Sicks
Steh-Schlaf-Profis
Mit maximal fünf Stunden Schlaf pro Tag gehören Pferde ebenfalls zu den Kurzschläfern. Auch bei ihnen liegt der Fokus auf mehreren Nickerchen im Stehen. Der sogenannte "Stay Apparatus" hilft ihnen dabei. Ein komplexes System aus Bändern und Sehnen in ihren Beinen sorgt dafür, dass sie ihre Muskeln nicht zum Stehen nutzen müssen.
Bild: DPA
Halbschlaf der anderen Art
Delfine schalten beim Schlafen einfach eine Gehirnhälfte ab. Ansonsten würden sie ertrinken. Der Grund: Sie müssen alle fünf Minuten zum Atmen auftauchen und darauf achten, dass kein Wasser in ihre Lunge kommt. Nach zwei Stunden schläft dann die andere Gehirnhälfte.
Bild: Pascal Kobeh
Senkrechtes Schläfchen unter Wasser
"Strömungstauchen" benannten Forscher die vertikale Schlafposition der Pottwale. Dabei treiben sie bis zu 30 Minuten regungslos im Wasser. Bisher konnte so nur eine Schlafzeit von circa drei Stunden am Tag nachgewiesen werden. Für zusätzlichen Schlaf nutzen Pottwale auch die Technik von Delphinen.
Bild: picture-alliance/Wildlife
Todesfalle Schlaf
Blauhaie müssen ständig in Bewegung bleiben, um nicht zu sterben. Strömt kein Wasser durch ihre Kiemen, können sie keinen Sauerstoff aufnehmen. Ruhiges Treiben im Wasser würde den Tod bedeuten. Deshalb schwimmen sie an die Oberfläche und treiben nach unten während sie schlafen. Diesen Vorgang wiederholen sie dann mehrere Male. Meeresbiologen nennen diese Technik "Yo-Yo-Tauchen".
Bild: gemeinfrei
Extrem-Langschläfer
Gerade mal vier Stunden sind Fledermäuse täglich wach. Natürlich auch nicht bei Tageslicht, sondern für die Jagd in der Nacht. Die Fähigkeit, kopfüber hängen zu können, verdanken sie ihrem besonderen Blutkreislauf, der das Blut aus dem Kopf in den Körper pumpen kann.
Faulheit in Gefangenschaft
Eingesperrt kommen Faultiere auf bis zu 18 Stunden Schlaf am Tag. Im Urwald sind es jedoch sechseinhalb Stunden weniger. Die unterschiedlichen Lebensumstände sollen sich stark auf den Schlaf auswirken. Tiere in freier Wildbahn müssen auf Räuber achten und verbringen viel Zeit mit der Futtersuche.
Bild: Imago/imagebroker
Eukalyptus zerstört die Schlafbilanz
Von den Blättern fressen Koalas bis zu 400 Gramm täglich. Neben einem geringen Nährstoffgehalt enthalten die Blätter auch Toxine, die für eine längere Verdauung sorgen. Damit die Koalas währenddessen nicht zu viel Energie verlieren, schlafen sie bis zu 20 Stunden am Tag.
Bild: AP
9 Bilder1 | 9
Ungewöhnlicher Schlafrhythmus
Das Ungewöhnliche bei den See-Elefanten sei aber, dass sie abwechselnd viel und sehr wenig Schlaf bekommen, so Jessica Kendall-Bar. Sie ist Leiterin der Studie und derzeit als Postdoktorandin am UC San Diego's Scripps Institution of Oceanography tätig.
See-Elefanten sind für Raubtiere wie Haie und Schwertwale am angreifbarsten, wenn sie sich an der Oberfläche im offenen Ozean aufhalten, weshalb sie zwischen den Tauchgängen nur ein oder zwei Minuten an der Oberfläche atmen.
"Sie sind in der Lage, ihren Atem für eine lange Zeit anzuhalten, sodass sie bei diesen Tauchgängen tief unter der Oberfläche, wo es sicher ist, in einen tiefen Schlummer fallen können", erklärt Kendall-Bar.
Anzeige
Der Ozean als Schlaflabor
Die Evolutionsbiologin hat ein System für die wildlebenden See-Elefanten entwickelt, mit dem die Gehirnaktivität während ihres normalen Tauchverhaltens im Meer aufgezeichnet werden kann. Der Aufbau ist vergleichbar mit dem einer menschlichen Schlafstudie im Schlaflabor: Die Tiere trugen eine Neoprenhaube mit EEG-Sensoren und einem kleinen Datenschreiber, dazu einige andere Messinstrumente.
Wie im Schlaflabor: Auch die See-Elefanten trugen eine Neoprenhaube mit EEG-Sensoren, die die Hirnaktivität aufzeichnen können.Bild: David Ebener/dpa/picture-alliance
Die Daten zeigen, wie die Tiere in etwa 150 Metern Tiefe in das Tiefschlafstadium, den sogenannten Slow-Wave-Schlaf (SWS), eintreten, während sie im Wasser kontrolliert nach unten gleiten, und dann in 200 Metern Tiefe in den REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement) übergehen.
Die See-Elefanten verlieren währenddessen die Haltungskontrolle, sie drehen sich auf den Rücken und treiben in einer Art Schlafspirale nach unten. "Wie ein fallendes Blatt", erklärt Terrie Williams, ebenfalls Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der UCSC. Danach folgt erneut eine SWS-Phase und die Tiere sind nach dem kurzen, etwa zehnminütigen Nickerchen in der Tiefe wieder aktiv.
In flacheren Gewässern hingegen über dem Kontinentalschelf schlafen See-Elefanten manchmal auch auf dem küstennahen Meeresboden. Die Schlafdaten geben den Forschenden Aufschluss über die Entscheidungsprozesse der Meeressäuger - also darüber, wo und in welchen Tiefen sie sich sicher genug fühlen, um einzuschlafen, erklärt Williams.
Ruhezonen für See-Elefanten
In die finale Analyse sind einerseits die Daten über die Gehirnaktivität und das Tauchverhalten von Kendall-Bars Messsystem eingeflossen, aber auch Daten, die Daniel Costa in 25 Jahren Arbeit mit See-Elefanten in Año Nuevo zusammengetragen hat.
"Dadurch konnte ich die Ergebnisse auf über 300 Tiere hochrechnen und einen Blick auf das Schlafverhalten der Population werfen", sagt Kendall-Bar. Sie plant, ähnliche Methoden zur Untersuchung der Gehirnaktivität bei anderen Robben- und Seelöwenarten sowie bei Apnoetauchenden einzusetzen.
Die Ergebnisse könnten auch für den Artenschutz hilfreich sein, da sie eine "Schlaflandschaft" mit bevorzugten Ruhezonen aufzeigen. "Normalerweise kümmern wir uns um den Schutz der Gebiete, in denen die Tiere fressen, aber vielleicht sind die Orte, an denen sie schlafen, genauso wichtig wie alle anderen kritischen Lebensräume", so die Ökophysiologin Terrie Williams.
See-Elefanten – Kolosse mit langen Nasen
Sie scheinen ein Versehen der Evolution: gigantische Robben mit Rüssel. Vor allem die Männchen imponieren durch ihre Masse, sie werden so schwer wie ein Geländewagen. Hier sind noch mehr coole See-Elefanten-Fakten.
Bild: picture alliance/dpa/Wildlife
Machos durch und durch
Bis zu 2,5 Tonnen wiegt ein ausgewachsenes See-Elefantenmännchen – ein ganz schöner Brocken. Und das hat seinen Grund, denn nur wer am meisten auf die Waage bringt, darf die Damen begatten und seine Gene weitergeben. See-Elefanten sind waschechte Paschas: Das Alpha-Männchen hält sich einen Harem von gut 50 Weibchen. Nur er darf ran.
Bild: Rainer Dückerhoff
Kämpfen bis aufs Blut
See-Elefanten sind bekannt für ihre brutalen Rangkämpfe. Wenn ein jüngerer Bulle es mit dem Alpha-Männchen aufnehmen will, fließt auch schon mal Blut. Ein Alpha-Männchen erkennt man an seinen vielen Narben. Allerdings reicht meist schon ein drohendes Aufrichten und ein knurrendes Geräusch, das einem Motorrad oder einer Fehlzündung nicht unähnlich ist, und der Konkurrent verzieht sich.
Bild: picture-alliance/Wildlife/D.J. Cox
So machen Sie Ihr Haus see-elefantensicher
Was sie an Masse haben, fehlt See-Elefanten an Eleganz: An Land schieben sie sich schwerfällig über den Boden. Gerade bei großen Männchen schwingt das ganze Fett – der Blubber − wie Wackelpudding mit. Im Gegensatz zu Seelöwen können See-Elefanten ihre Hüften nicht drehen und kommen daher keine Treppen hoch. Um die Tiere aufzuhalten, reichen schon wenige Stufen.
Bild: Rainer Dückerhoff
Er & Sie
Sehen Männchen und Weibchen einer Art unterschiedlich aus, spricht man von Geschlechtsdimorphismus. See-Elefanten sind dafür ein super Beispiel. Während die Herren bis zu 2,5 Tonnen auf die Waage bringen, schaffen die Damen gerade mal 600 bis 800 Kilogramm. Dafür hat sie ihm aber etwas voraus: Lebensjahre. Männchen werden maximal 15 Jahre alt, Weibchen bis zu 25 Jahre.
Bild: Rainer Dückerhoff
Das Wasser ist ihr Element
See-Elefanten verbringen die meiste Zeit ihres Lebens im Meer. Nördliche See-Elefanten pendeln zwischen Alaska und Kalifornien hin und her. Sie tauchen bis zu anderthalb Kilometer tief und bleiben gut 90 Minuten mit einem einzigen Atemzug unter Wasser. Tief unten holen sie sich auch ihr Fressen: Tintenfische und Tiefseefische etwa. Männchen verdrücken gerne Schleimaale vom Meeresgrund.
Bild: Rainer Dückerhoff
Sex on the Beach
Im Winter kommen nördliche See-Elefanten an Land und haben vor allem eins im Sinn: sich zu paaren. Wirklich zärtlich geht es dabei nicht zu. Das Alpha-Männchen bewacht seinen Harem zwar sehr gewissenhaft, aber hin und wieder schafft es doch ein rangniederer Bulle, sich ran zu robben. Das befruchtete Ei nistet sich beim Weibchen erst später ein, nach dem Fellwechsel im Sommer.
Bild: Rainer Dückerhoff
Nachwuchs!
Am Strand bringen die Weibchen im Januar und Februar ihre Jungen zur Welt, die im Vorjahr gezeugt wurden - immer ein Jungtier pro Weibchen. Die faltigen Kleinen wiegen bei Geburt etwa 35 Kilogramm. Innerhalb von vier Wochen vervierfacht sich ihr Gewicht auf bis zu 150 Kilogramm. Das liegt an der nahrhaften Milch mit 50 Prozent Fettanteil. Man sagt, die Milch habe die Konsistenz von Ketchup.
Bild: Rainer Dückerhoff
Todesgefahr
Nicht immer geht alles so harmonisch zu wie auf diesem Foto. Unfälle sind bei den großen Kolonien, in denen ein See-Elefant am anderen liegt, nicht selten. Viele Jungtiere werden von den Bullen erdrückt, wenn diese sich bei Rangkämpfen oder um Ordnung im Harem herzustellen, über ihre Artgenossen schieben. An dicht besiedelten Stränden stirbt jedes zehnte Jungtier auf diese tragische Weise.
Bild: picture-alliance /Arco Images/G. Schulz
Auf Wiedersehen!
Ein paar Wochen nach der Geburt verlassen die erwachsenen See-Elefanten den Strand und gehen wieder auf Wanderschaft. Die gerade mal einen Monat alten Jungtiere lassen sie zurück. Die müssen jetzt selbst lernen, wie man ein richtiger See-Elefant wird. Nicht alle schaffen das. Im Marine Mammal Center in Sausalito, Kalifornien, werden unterernährte See-Elefantenbabys aufgepäppelt.
Bild: The Marine Mammal Center
Rein damit
Im Marine Mammal Center füttern ehrenamtliche Helfer die See-Elefantenbabys zunächst mit einem Brei aus zermatschtem Hering, Lachsöl und Wasser. Damit es auch da ankommt, wo es hin soll, wird das Zeug den Kleinen über einen Schlauch einverleibt. Erst später gibt es ganze Fische – denn wie man die frisst, müssen die Kleinen erst mal lernen.
Bild: The Marine Mammal Center
Gerade noch mal davon gekommen
Anfang des 20. Jahrhunderts waren nördliche See-Elefanten beinahe ausgerottet. Man jagte sie für ihren Blubber, um daraus Lampenöl zu machen. Ein lohnendes Geschäft: Das Fett eines einzigen See-Elefanten ergab 380 Liter Öl. Glücklicherweise überlebten etwa 100 Exemplare auf einer Insel vor Mexiko. So können wir diese beeindruckenden Tiere noch heute bewundern - und zwar nicht nur als Statue.