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Der van Gogh aus Lagos: John Madu

Anastassia Boutsko
24. Juli 2025

Der nigerianische Maler John Madu präsentiert seine Bilder im Van Gogh Museum Amsterdam - als erster Künstler aus Afrika mit einer Einzelausstellung. Seine Kunst versprüht die Energie seiner Heimatstadt: Lagos.

Künstler John Madu steht mit Pfeife im Mund vor einem Bild im Stil van Goghs
Künstler mit Pfeife: John MaduBild: John Madu

Es gibt so etwas wie eine Lagos-Magie: Jeder, der den staubigen Boden der nigerianischen Metropole betritt, verfällt dem Zauber dieser boomenden Stadt.

Die Stimmung in Lagos ist eine besondere, eigenartige Mischung aus Lebensfreude und Melancholie, Krise und Aufbruch. Kein Wunder, dass unter dem meist wolkigen Lagos-Himmel die Künste gedeihen - ob Afrobeat, Mode oder Malerei.

Ein Plastik-Stuhl ist für John Madu ein Symbol des GlobalismusBild: John Madu

Doch, selbstverständlich hätte er auch in einer anderen Großstadt leben und arbeiten können - zum Beispiel in New York oder Tokio, entgegnet John Madu auf die Frage, ob seine Kunst nur in Lagos denkbar sei. Aber die Quelle seiner Inspiration liegt genau hier, in seiner Heimatstadt: "Ich bin im Herzen von Lagos geboren und aufgewachsen, und die Art und Weise, wie man hier lebt, prägt meine Sicht auf die Welt", sagt Madu im DW-Interview. "Die Stadt ist eine unglaubliche Mischung von Kulturen, und sie hat eine hochkultivierte, weltoffene Mittelschicht. Dieser Trubel, diese menschlichen Energien, die vielen Subkulturen - das hat mich schon als Teenager geprägt."

Vincent und John

"Noch lange bevor ich wusste, wer van Gogh überhaupt ist, kannte ich seine Werke", sagt John Madu. Ein Kalender mit Reproduktionen des großen Niederländers hing in der Wohnung seiner Eltern an der Wand. Der junge John war fasziniert von der Farbigkeit, dem Kornblumenblau, dem Weizengelb, dem tiefen Grün, von der geordneten, zielstrebigen Expressivität der Pinselstriche, von Bäumen und Sternen, die wie kleine Wirbelstürme aussehen.

Irgendwie sei es Vincent gewesen, der ihm den Weg zur Malerei als Ausdrucksform der eigenen Innenwelt wies, so John Madu: "Die Welt von van Gogh entfaltet sich für die Menschen, damit sie sich mit ihm identifizieren können", sagte der heute gestandene Künstler. Aber auch sein Vater habe ihm zum Künstlertum verholfen. Obwohl selbst überhaupt kein Künstler, sondern Angestellter und später Geschäftsmann, der seinem Sohn "einen ordentlichen Job" wünschte, habe er den Kunstsinn des Jungen geweckt: "Mein Vater war ein Ästhet, er hatte Stil und Sinn für das Schöne", sagt John Madu liebevoll. "Er liebte Blumen und Versace."

"Eine Hommage an den Meister": John Madu liebt van GoghBild: John Madu

John Madu sieht einige Gemeinsamkeiten zwischen sich und Vincent: So sind beide Autodidakten, die ihren Malstil selbst fanden. Und beide sind geprägt von der ostasiatischen Kunst: Für Vincent waren es japanische Holzschnitte (u.a. von Utagawa Hiroshige), die ihn faszinierten, John Madu ist "Generation Manga". Sogar sein Hund, eine französische Bulldogge, trägt den Namen Sasuke (Manga-Fans wissen, von wem die Rede ist).

Bestimmt hätte van Gogh gerne Lagos besucht - allein schon wegen der Yoruba-Kunst oder der Nok-Skulpturen, der ältesten bekannten Kunst Westafrikas, die europäische Künstler schon im 19. Jahrhundert faszinierte.  "Wer behauptet, Afrikaner seien Wilde gewesen, sollte sich den Avantgardismus, die Verspieltheit dieser Kunst vor Augen führen", so John Madu.

"Paint your path"

Nun gipfelt die Beziehung der beiden Künstler in einer Schau im renommierten : "Paint Your Path". Von der Anfrage des Museums fasziniert, schuf John Madu in seinem Atelier in Lagos in nur drei Monaten zehn großformatige Bilder, die von den Werken der Sammlung des Museums in Amsterdam inspiriert sind. Van Goghs Motive aus dem späten 19. Jahrhundert treffen dabei auf den westafrikanischen Kontext von heute: So trägt auf einem Bild ein Schwarzer einen Plastikstuhl in ein Haus, das wie das  "Restaurant de la Sirène" in Asnières aussieht, das van Gogh 1887 malte. Und auf einem Selbstporträt Madus sieht man van Goghs Gemälde "Blühender Pflaumenbaum" (nach Hiroshige) im Bild. 

Van Gogh war inspiriert von japanischer Grafik-Kunst - John Madu ist es auchBild: John Madu

Der Katalog zur Ausstellung spricht von einer "Brücke zwischen lokaler Erzählung und globalem Publikum". John Madu formuliert es im DW-Gespräch so: "Ich wollte dem Meister, den ich wirklich liebe, unbedingt meine Ehrerbietung erweisen." Ansonsten liebe er auch Gustav Klimt und Edward Hopper, bewundert Michelangelo und Caravaggio - "seine Ästhetik des Dunklen berührt mich tief."

Ein Künstler aus Afrika

Ja, und eine Bitte hat der Maler John Madu an sein Publikum: Er mag nicht "afrikanischer Künstler" genannt werden. "Ein Künstler aus Afrika" wäre ihm viel lieber. In Lagos geboren, in der Welt zu Hause. Ein Großstadtjunge, der House-Musik und Anime-Serien liebt und zugibt, "einen Haufen Geld" für Nike-Sneaker und coole Sonnenbrillen auszugeben. Apropos: Auch van Gogh war durchaus modebewusst. Ein verlumpter Maler ist genauso ein Stereotyp wie ein afrikanischer Künstler mit unvermeidlichen Dreadlocks.

Hat seine Kunst eine gesellschaftliche Aussage? John Madu überlegt. Es gibt ein Phänomen in Nigeria: Japa. Es steht dafür, dass ausgerechnet die jungen und gebildeten Menschen das Land verlassen. "Es ist regelrechtes ein Syndrom", sagt Madu. Und ja, er hat eine Meinung dazu: "Ich werde Lagos nicht verlassen. Denn: Was ist, wenn alle gehen?" Die Hollywood-Stars und japanischen Börsenmillionäre, die seine Bilder kaufen, wissen, wo sie ihn finden.

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