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Weg ins Paradies

25. November 2009

Einmal soll jeder Muslim nach Mekka pilgern. Doch auf dem Weg zur Läuterung liegen Hitze, Drängelei und Mit-Pilger, die beim Gebet in ihr Handy schreien: "Ich bin gerade an der Kaaba! Ich ruf gleich noch mal an!"

Blick von der Großen Moschee in Mekka auf den Berg des Lichts (Foto:dpa)
Blick von der Großen Moschee in Mekka auf den Berg des LichtsBild: picture-alliance / dpa

Freitagmittag, halb eins, der Muezzin ruft und Mevdudi Can ist im Stress: In seinem kleinen Büro steht das Telefon nicht still, von seiner Familie hat er sich auch noch nicht verabschiedet und eigentlich will er noch zum Freitagsgebet – das letzte Mal vor seiner großen Reise: An diesem Abend wird er von Frankfurt aus nach Jeddah fliegen und von dort aus weiter nach Mekka, zum Ziel eines jeden Moslems, einmal im Leben.

Muhammet Mevdudi Can in seinem Kölner Reisebüro Merve Hac KervaniBild: DW

Die Pilgerfahrt ist eine der fünf Säulen des Islam und jeder Gläubige, der gesundheitlich und finanziell dazu in der Lage ist, sollte einmal nach Mekka reisen. Mevdudi Can kann allerdings schon gar nicht mehr zählen, wie oft er dort war: Er führt zusammen mit seinem Vater das kleine Reisebüro "Merve Hac" in Köln-Nippes und organisiert diese Pilgerreisen seit Jahren. Doch sie sind für ihn nicht nur ein Job: Wer in diesen Tagen nach Mekka reist, der muss alle Pilgerrituale mitmachen, erzählt er – und er macht es gerne: "Dieses Gefühl der Gemeinschaft mit Millionen Gläubigen, das begeistert mich dort jedes Jahr aufs Neue", sagt er. In der heimischen Moschee vermisst er so etwas manchmal.

Letzte Vorbereitungen

Can zeigt sein Pilger-Visum für Saudi-ArabienBild: DW

Seinen Koffer hat Can schon am Abend zuvor gepackt: "Das wichtigste, was man mitnehmen muss, ist Geduld!", sagt er weise und fügt lachend hinzu: "Und bei 35 Grad können wir auch unsere Winterklamotten zu Hause lassen!" Ohnehin ziehen die Männer bereits auf dem Flug den "Ihram" an, die aus weißem Leinentuch bestehende Pilgerkleidung, die sie in den Weihezustand versetzen soll: "Die sehen aus wie zwei große Badetücher und man hüllt sich dann darin ein: eins für den unteren und eins für den oberen Teil des Körpers", erklärt der Reiseleiter und weiß aus Erfahrung, dass so mancher Pilger am Anfang seine Probleme damit hat: "Man hat Angst, dass es runter fällt. Manche lassen eine Schulter frei und holen sich einen Sonnenbrand. Und viele denken auch, man darf sich nicht waschen!", erzählt er. Bei brütender Hitze und zahlreichen körperlichen Aktivitäten hat das fatale Folgen: "Natürlich darf man sich waschen!", klärt Can auf, "es ist sogar verboten, durch unangenehme Gerüche andere Gläubige zu stören!"

Wallfahrt will trainiert sein

Muhammet Mevdudi Can und sein Freund Engin TopalBild: DW

Erstmals in diesem Jahr kommt auch sein Freund Engin Topal mit, Can hat ihn quasi überredet: "Ich brauchte einen Schub, ich will schon seit Jahren nach Mekka", gesteht dieser etwas verlegen, "aber immer kam etwas dazwischen und dieses Jahr habe ich mir einen Tritt gegeben!" "Den Tritt hab ich ihm gegeben!" fügt Can grinsend hinzu. Schon vor Wochen hat er seinem Freund geraten, sich ein bisschen mehr zu bewegen und für die Hadsch zu trainieren, denn pilgern ist anstrengend: In hochsommerlicher Hitze werden sie gemeinsam mit Millionen anderer Pilger die Kaaba, das älteste Gotteshaus des Islam, umrunden. Sie werden in Zelten auf Teppichen schlafen und zum Berg Arafat pilgern – das weiß auch Topal, aber zum Training sei er noch nicht gekommen, druckst er herum.

Handyklingeln statt Gebetsruhe

Die beiden erwarten Hupkonzerte, Verkehrsstaus und riesige Menschenmengen: Zur Zeit der Hadsch herrschen in Mekka Chaos und Gedrängel und manchmal, so klagt Mevdudi Can, gehe der Geist dieses Ereignisses etwas verloren. Etwa, wenn zig Pilger ihr Handy zücken und Fotos von den heiligen Stätten machen - was eigentlich verboten ist. Und ganz besonders ärgern ihn Telefonanrufe beim Gebet: "Dann klingelt plötzlich das Handy des Nachbarn und dann heißt es: 'Du, ich bin gerade in der Kaaba! Ich ruf später noch mal an!' – Das stört die anderen! Und der spirituelle Akt ist weg!", empört er sich.

Zumindest der Andrang ist in diesem Jahr nicht so groß: Nach ersten Fälle von Schweinegrippe in Mekka haben die saudischen Behörden die Einreise eingeschränkt. Und auch in seinem Geschäft bekommt Mevdudi Can das zu spüren: Insgesamt hätten sich fast 40 Prozent weniger Pilger als im Vorjahr für die Hadsch angemeldet, berichtet er. Das habe aber weniger mit der Schweinegrippe als mit der Wirtschaftskrise zu tun: An die 3000 Euro kostet eine solche Pilgerreise und außerdem, so fügt er hinzu, seien viele seiner Kunden auf Kurzarbeit und bekämen schlichtweg keinen Urlaub.

Bei der diesjährigen Hadsch ist die Schweinegrippe allgegenwärtig. Doch die meisten Pilger machen sich darum eher wenig Sorgen.Bild: AP


Viel hilft viel?

Engin Topal hatte Glück – er bekam frei und reist nun das erste Mal in seinem Leben, so wie es die fünf Säulen des Islam verlangen, nach Mekka: Und dabei geht es um nichts Geringeres als einen Platz im Paradies, denn wer die Hadsch richtig macht, so heißt es, der werde geläutert. Theoretisch müsste sich Mevdudi Can daher um seinen Platz im Jenseits keine Sorgen mehr machen, schließlich war er schon über 20 mal in Mekka, aber er winkt ab: Eine Garantie gebe es dafür nicht. "Ich glaube nicht, dass ich jetzt allein deswegen zur Belohnung in den Himmel komme", sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: "Aber die Hoffnung ist natürlich da!“

Autorin: Ina Rottscheidt
Redaktion: Thomas Latschan

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