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Politik

Mehr Chancen im Westbalkan

29. Oktober 2020

Immer mehr junge Menschen aus den Staaten des westlichen Balkans denken über Auswanderung nach. Eine Konferenz in Berlin sucht nach Lösungen.

DW Projekt, HA Europa, "Let's face it: stay or go?" / Deutsch
Motivfoto für das DW-Projekt "Let's face it", das sich mit dem Thema Auswanderung vom Westbalkan beschäftigt

71 Prozent der jungen Menschen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo und Serbien erwägen, ihre Heimatländer zu verlassen. Das vermeldete im Juni 2020 das "Balkan-Barometer" des "Regional Cooperation Council", einer Initiative zur politischen Koordinierung der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Südosteuropas.

Für Deutschland als derzeitigem EU-Ratsvorsitzenden ist das ein Grund, den Fokus seiner Westbalkan-Politik auf die Perspektiven der jungen Generation im Südosten Europas zu richten.

Ziel der Europäischen Union sei jedoch nicht, Migration zu stoppen, präzisierte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Mittwoch bei der Eröffnung einer Online-Konferenz über Demografie und Jugend auf dem Westbalkan. Jeder, der das in den vergangenen 30 Jahren versucht habe, sei gescheitert.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)Bild: Michael Sohn/AP Photo/picture-alliance

"Aber wir können auch nicht die Augen vor dem kontinuierlichen 'brain drain' auf dem Westbalkan verschließen", so der sozialdemokratische Politiker weiter. Um die Abwanderung zu stoppen, plädiert Maas für eine Drei-Schritte-Strategie: Investition in die Zukunft, Aufarbeitung der Konflikte der Vergangenheit - und die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft aller Westbalkanländer.

Es geht nicht nur um Geld

Die EU stellt rund neun Milliarden Euro zur Verfügung, um den Westbalkan wirtschaftlich attraktiver zu machen. Mit diesem Geld sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützt werden. "Das schafft Arbeitsplätze, verbessert die Ausbildungschancen und die Partizipation," so EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi bei einem Panel mit Vertretern der Westbalkanländer.

Der ungarische Diplomat und EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi Bild: EU/Gent Shkullaku

Doch es ist nicht nur die schwache wirtschaftliche Entwicklung, die junge Menschen dazu veranlasst, in die EU auszuwandern. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die 2019 veröffentlicht wurde, sind auch Korruption, Vetternwirtschaft und mangelnde Chancengleichheit Gründe für Emigration.

Die europäische Perspektive

Die beste Lösung für all diese Probleme ist nach allgemeinem Dafürhalten weiterhin der Weg Richtung EU. Heiko Maas versprach auf der Konferenz noch einmal, die längst versprochenen Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien endlich auch offiziell zu eröffnen. "Noch vor Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wollen wir eine erste Beitrittskonferenz mit Nordmazedonien abhalten. Und, wenn es die Umstände zulassen, auch mit Albanien", so der Bundesaußenminister.

Die Fahnen Nordmazedoniens und der EU in der nordmazedonischen Hauptstadt SkopjeBild: picture-alliance/AP Photo/B. Grdanoski

Andere Länder wie Serbien und Kosovo müssten zuerst "die Geister der Vergangenheit" loswerden, um an dieser Stelle Fortschritte zu erreichen. Mit Blick auf die Brüsseler Gespräche zwischen den Regierungen beider Staaten forderte der deutsche Außenminister ein rasches Abkommen: "Je schneller Sie damit beginnen", so Maas, "um so schneller werden Sie die EU-Perspektive für Kosovo und Serbien eröffnen". Das Gleiche gelte für Bosnien-Herzegowina, das auch 25 Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton noch immer ethnisch geteilt sei.

Jugend will mitreden

Vertreter der jungen Generation aus den Westbalkanstaaten, die bei einem Panel am Abend zu Wort kamen, forderten mehr Mitspracherechte. "Wir wollen gehört werden", betonte Egzona Bokshi aus Kosovo, die sich in ihrer Heimat für Beschäftigung und Chancengleichheit junger Menschen engagiert. Die Jugend ihres Landes verliere langsam die Hoffnung, dass Kosovo irgendwann Teil der EU werde.

Meliza Haradinaj, die Außenministerin der Republik Kosovo, bei einer Videokonferenz des UN-SicherheitsratsBild: UN WebTV

Die Außenministerin des jüngsten Staates Europas, Meliza Haradinaj, hatte zuvor daran erinnert, dass Kosovo immer noch das einzige Land des Kontinents ist, dessen Bürger sich nicht visafrei bewegen können - und forderte die EU auf, endlich zu handeln.

Die dreitägige Online-Konferenz (28.10-30.10) wird von der Südosteuropa-Gesellschaft und dem Aspen Institute Berlin organisiert und ist Teil des offiziellen Programms der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.