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Politik

Westbalkan und EU: Vorfreude und Skepsis

7. Februar 2018

Die EU hat in einem Strategiepapier die Beitrittsperspektiven für sechs Balkanstaaten formuliert. Die ersten Staaten könnten schon 2025 der Union beitreten. Auf dem Balkan fallen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus.

Straßburg Europäisches Parlament Johannes Hahn
Vor leeren Rängen: Erweiterungskommissar Hahn stellt die Westbalkan-Strategie der EU vorBild: EP

Lange Zeit war die Europäische Union eher zurückhaltend, wenn es um die mögliche Aufnahme der Westbalkanstaaten - Serbien, Montenegro, Albanien, Bosnien/Herzegowina, Kosovo und Mazedonien - ging. Unfertige demokratische Strukturen, mangelhafte Rechtstaatlichkeit, überbordender Nationalismus, Korruption und Vetternwirtschaft waren nur einige der Gründe für die eher abweisende Haltung.

Ana Brnabic: Eine "mutige und visionäre Position" der EUBild: Imago/Pixsell/S. Ilic

Nun aber ist man in der EU zum Schluss gekommen, dass die Fortsetzung dieser Politik die Stabilität in der Region und die geopolitische Sicherheit zu sehr gefährden würde. So warb neulich der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissov, der zurzeit den EU-Vorsitz innehat, für eine klare Strategie: "Ohne eine solche Strategie werden wir feststellen, dass die geostrategischen Akteure die Region nicht nur beobachten - sie sind schon hier. Und derjenige, der investiert, hat auch Einfluss." Nun hat die EU-Kommission ihr Strategiepapier zu Westbalkan veröffentlicht, in dem konkrete Beitrittsperspektiven festgehalten sind.

Die Vorreiter: Serbien und Montenegro

Als Kandidaten, die auf dem Weg in die EU bisher am weitesten vorangekommen sind, gelten Serbien und Montenegro. Mit beiden Ländern laufen schon seit Jahren Beitrittsverhandlungen. Für die serbische Regierung handelt sich bei dem Strategiepapier der EU um eine "mutige und visionäre Position", die auch "den Vorstellungen und Forderungen des serbischen Präsidenten Vucic" entsprechen, sagte Ministerpräsidentin Ana Brnabic in einer ersten Reaktion. Die Ankündigung, Serbien könnte vielleicht schon 2025 der EU beitreten, sieht sie sehr positiv, warnt aber, dass es sich dabei "um eine Chance für Serbien handelt, nicht um eine Garantie". So sieht das auch die oppositionelle Liberale Demokratische Partei. In einer Erklärung heißt es, dass es sich hier um eine "historische Chance" handele, und dass das Land jetzt "konkrete politische Reformen" brauche. Insbesondere müsse Serbien jetzt die Verhandlungen mit dem Kosovo intensivieren.

Offene Kosovo-Frage: Hashim Thaci (Kosovo), Federica Mogherini (EU) und Aleksandar Vucic (Serbien)Bild: Europäische Kommission

Das Kosovo als Hindernis

Serbien erkennt bisher die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz nicht an. Deshalb gilt das Verhältnis zwischen Belgrad und Pristina als Stolperstein bei den Beitrittsverhandlungen. Die EU besteht nämlich darauf, dass beide Länder ihre Beziehungen vor dem Beitritt "normalisieren". Der serbische Verteidigungsminister Aleksandar Vujin betont dagegen, dass die serbische Kosovo-Politik nicht von der  Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft bestimmt werden dürfe, sondern einzig und alleine den die "Interessen des serbischen Volkes".

Kritische Töne sind in den sozialen Medien zu vernehmen. So schreibt ein Autor auf Twitter: "Brüssels Strategie für eine EU-Mitgliedschaft Serbiens ist ein riesiges NICHTS", während ein anderer beklagt: "Es ist furchtbar, dass die EU sich an der großen Lüge beteiligt, Serbien sei ein regionaler Vorreiter, wenn es um die EU-Integration geht. Denn man weiß nicht, in welchem Bereich die Lage schlimmer ist, in den Medien oder in der Justiz. Kriminalität ist allgegenwärtig, es herrscht Korruption. Und das soll ein Vorreiter sein?"

Ist das Glas halbvoll oder halbleer?

Vorsichtig optimistisch sind die Stimmen aus dem Kosovo. Die Ministerin für europäische Integration Dhurata Hoxha reagierte auf Facebook. Sie sieht das Glas als halbvoll an. Sie schrieb, dass "die EU die Tür für uns geöffnet hat, aber wir nun diejenigen sind, die durchgehen müssen." Allerdings hält sich ihre Freude in Grenzen: Sie hätte noch mehr konkrete Aussagen für das Land erwartet. Und der Präsident des Kosovo Hashim Thaci schrieb, ebenfalls auf Facebook: "Ich begrüße, dass das neue strategische Papier den Kosovo als integralen Teil der EU-Erweiterungspläne behandelt. Dennoch hat dieses Papier es nicht geschafft, eine umfassende und gleiche Beitrittsperspektive für alle Länder der Region zu bieten. Insbesondere versäumt diese Strategie, dem Kosovo die Klarheit für den Beitritt in der EU anzubieten."

Albanien dagegen sei mit dem EU-Strategiepapier zufrieden, schrieb Premierminister Edi Rama auf Facebook: "Einverstanden damit, was über Albanien in der EU Strategie gesagt wird. Die Beitrittsgespräche sind so nah wie nie zuvor. Alles hängt nun von unserer Ausdauer ab."

Ermutigung für Mazedonien

Wesentlich besser kommt das Papier in Mazedonien an. In seinem Statement sagte Premierminister Zoran Zaev, dass "aus Brüssel eine sehr gute Nachricht für Mazedonien und alle seine Bürger gekommen ist." Jetzt würde anerkannt, dass das Land große Fortschritte in den Bemühungen erzielt hätte, näher an die EU zu rücken. Insbesondere die Haltung der EU, dass jedes Land selbst für das Tempo der Annäherung verantwortlich ist, sei eine große Hoffnung, sagt Zaev. "Das ist ein Ansporn für uns, die Anstrengungen zu intensivieren, um die Länder einzuholen, die schon Beitrittsverhandlungen führen."

Weniger euphorisch - die Reaktionen in den sozialen Medien. "Ich habe meine ganze Jugend damit verbracht, dass die EU und NATO kommen", heißt es in einem Tweet; in einem anderen steht: "Die TV-Bilder zeigen am besten, wie wichtig der Westbalkan für die EU ist. Während  (Erweiterungskommissar Johannes) Hahn seine Rede hält, sitzen im Saal 10 Abgeordnete - von über 500 im Europäischen Parlament."

Ernüchterung in Bosnien-Herzegowina

Große Enttäuschung herrscht in Bosnien-Herzegowina. "Die Tatsache, dass es für uns kein konkretes Datum einer möglichen EU-Mitgliedschaft gibt, ist eine schlechte Nachricht für das Land. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in der EU nicht verstehen, wie wichtig Bosnien-Herzegowina für die Stabilität in der Region ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Parlaments Mladen Bosic der DW. Andererseits betont Milica Markovic von der bosnisch-herzegowinischen Delegation im Europarat, dass "von allen Westbalkanländern Bosnien ganz hinten ist, wenn es um die Bereitschaft für eine EU-Mitgliedschaft geht". Das Land hätte bisher viele Bedingungen nicht erfüllt, und deshalb gebe es für Bosnien-Herzegowina kein konkretes Beitrittsdatum.

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