1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wettlauf ums Öl

Dennis Stute27. Juni 2008

Die irakische Regierung lässt erstmals seit Beginn des Krieges westliche Ölkonzerne ins Land. Die hoffen auf riesige Gewinne – und könnten am Ende alles verlieren.

Ölraffinerie bei Kirkuk, Quelle: AP
Ölraffinerie bei KirkukBild: AP

Beim Thema Irak geraten Öl-Analysten ins Schwärmen. "Das Land hat eine sehr reiche Geologie - es sind vermutlich die zweitgrößten Ölvorkommen der Welt, vielleicht sind sie sogar einzigartig", sagt etwa Amy Myers Jaffe, Mitautorin des Baker-Berichts zur Lage im Irak, der vor zwei Jahren für die US-Regierung erstellt worden war.


Noch immer wird nur ein geringer Teil des Öls gefördert: Die Produktionsstätten sind von jahrelangem Verschleiß gezeichnet, die Ölfelder zum Teil beschädigt und die zur Förderung unerlässliche Wasserversorgung ist vielerorts ein ungelöstes Problem. Nach Angaben des Ölministeriums werden derzeit nur 27 von 80 Ölfeldern bewirtschaftet. "Die größte Herausforderung ist wahrscheinlich die Ausbildung", sagt Amy Myers Jaffe, Expertin für strategische Energiepolitik. Es fehle an qualifiziertem Personal.

Fuß in der Tür

In diesem Bereich sind die großen Unternehmen seit längerem aktiv. Man unterstütze die Iraker im Bereich der Datenanalyse und bei der Ausbildung von Ingenieuren, sagt etwa Kevin Church, Sprecher des französischen Multis Total. Auch Shell, BP und andere Konzerne beraten das Ölministerium.

Pipeline einer Öl-Raffinerie im Hafen von BasraBild: picture-alliance / dpa
Brand im Rumalia-Ölfeld während der Irak-Invasion 2003Bild: AP

Diese Firmen sind nun die ersten Ölgesellschaften, die im größeren Maßstab im Irak arbeiten können. Am Montag (30.06.2008) will das Ölministerium technische Unterstützerverträge mit Exxon Mobil, Chevron, Shell, Total und BP unterzeichnen. Die Verträge sollen Berichten zufolge ein Volumen von jeweils 500 Millionen US-Dollar haben, bezahlt werden kann auch mit Öl.

Gigantische Reserven

"Wir interessieren uns immer für potenzielle Geschäftsgelegenheiten", sagt David Nicholas, Sprecher von BP Shell. Und der Irak könnte langfristig ganz hervorragende bieten: Die Reserven werden auf 115 Milliarden Barrel geschätzt; in den westlichen Wüstengebieten liegen möglicherweise weitere 100 Milliarden. Dank der Bodenbeschaffenheit sind die Produktionskosten gering.


Zunächst einmal wird es jedoch lediglich um die Instandsetzung existierender Förderstätten gehen. Ölminister Hussein al-Schahristani will so die Produktion von 2,5 Millionen Barrel am Tag auf 6 Millionen steigern. Mit den derzeitigen Exporten wird das Land in diesem Jahr voraussichtlich 70 Milliarden Dollar einnehmen - auch dank des hohen Ölpreises, der viermal höher liegt als vor dem Irak-Krieg und mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr.

Warten auf die nächste Ausschreibung

Den Firmen dürfte es mittelfristig vor allem um den Zugriff auf das Öl gehen. "Der Aktienkurs der Firmen hängt von den Ölreserven ab, die sie buchen können - deshalb ist der Zugang so wichtig", sagt Leila Benali, Expertin bei Cambridge Energy Research Associates. "Mit den jetzt ausgehandelten Verträgen können sie zwar keine Reserven buchen, aber sie sind ein Weg, schon einmal Fuß zu fassen."

Abkommen, die Unternehmen an Ölvorkommen beteiligen, sind vor allem dann üblich, wenn ein großes Risiko besteht oder die jeweilige Firma die Erschließung neuer Lagerstätten übernimmt. Solche Abkommen wären in den westlichen Wüstengebieten denkbar, glaubt Amy Myers Jaffe. Die Industrie wartet bereits auf die nächste Runde von Aufträgen, die noch im Sommer ausgeschrieben werden sollen.

Enorme Risiken

Mehr als 70 Firmen würden sich gerne engagieren - ungeachtet der Gefahren im Irak, wo der Alltag von Anschlägen, Entführungen und ethnischer Gewalt geprägt ist. "Im Irak herrscht sicher kein freundliches Investitionsklima. Aber seien wir ehrlich: Bei einem Ölpreis von 140 Dollar pro Barrel gibt es ganz klar die Notwendigkeit, neues Öl zu beschaffen - und es gibt nicht sehr viele Länder, wo das geht", sagt Gal Luft, Direktor des auf Energiesicherheit spezialisierten Washingtoner Thinktanks Institute for the Analysis of Global Security (IAGS).


Gewalt ist nicht das einzige Problem. "Die Firmen nehmen das Risiko auf sich, am Ende alles zu verlieren, weil es noch immer keine stabile Regierung gibt", sagt Luft und verweist auf die Verstaatlichung der Ölindustrie in zahlreichen Ländern. Die Nationalisierung des Sektors - der im Irak bis 1972 von eben jenen Konzernen dominiert wurde, die nun zurückkehren - war eine der wenigen Maßnahmen Saddam Husseins, die bis heute populär sind.

Stillstand im Parlament

Doch so etwas wie Rechtsicherheit wird es für die ausländischen Firmen vorerst nicht geben: Seit mehr als einem Jahr ist das Parlament nicht in der Lage, ein Ölgesetz zu verabschieden, da die Bevölkerungsgruppen um die Einnahmen streiten. Die kurdische Regionalregierung beansprucht die Kontrolle über die Ressourcen im Norden und hat bereits Verträge mit kleineren ausländischen Firmen abgeschlossen - die von der Zentralregierung nicht anerkannt werden. Rund 80 Prozent der bekannten Reserven liegen im schiitischen Süden, die einst politisch dominierenden Sunniten im Zentrum des Landes verfügen über keine Vorkommen. Ein Ziel der jetzt vergebenen Unterstützerverträge ist es, erst einmal den gesetzgeberischen Stillstand zu umgehen.

"Es wird Vereinbarungen geben, welche die Ölkonzerne an den Vorkommen beteiligen", glaubt der IAGS-Direktor Luft. "Die Frage ist nur, welche Gültigkeit sie ohne ein Ölgesetz haben werden. Es gibt keine Garantie, dass die Firmen jemals irgendwelche Profite sehen."

Der irakische Ölminister Hussein al-SchahristaniBild: AP
Der hohe Ölpreis treibt in vielen Ländern die Inflation hochBild: AP
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen