Der Wettlauf um karibisches Öl
23. September 2025
Auf hoher See spielen sich Jagdszenen ab. US-Militärs beschießen mutmaßliche Drogenboote, Washington und Caracas mobilisieren Truppen und schicken Warnungen an die jeweils andere Seite.
Vordergründig geht es den USA in dem Konflikt um die Unterbindung des Drogenhandels aus Venezuela über das offene Meer in Richtung USA.
Doch hinter den Kulissen wird längst die über die Zukunft von Machthaber Nicolas Maduro spekuliert. Und der sitzt mit seinem sozialistischen Regime auf den größten Ölvorkommen der Welt.
Die Hintergründe des Konflikts
"Der aktuelle Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Venezuela ist weit mehr als ein ideologischer Streit - er spiegelt die übergeordnete Konkurrenz um Energie, Märkte und geopolitischen Einfluss in der Region wider", sagt Demian Regehr von der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung in Caracas im Gespräch mit DW.
Nicht nur mit den USA gibt es Spannungen, auch mit dem Nachbarland Guyana brechen alte Streitigkeiten wieder auf.
Nachdem in Guyana große Ölvorkommen entdeckt wurden, reaktiviert das Maduro-Regime alte Ansprüche auf Staatsgebiete Guyanas, die Caracas einen Zugang zu den Ölvorkommen ermöglichen würden. Maduro beruft sich dabei auf alte Absprachen mit der ehemaligen britischen Kolonialmacht.
Der Aufstieg Guyanas
Seit 2015 kennen die Öl-Fördermengen Guyanas nur eine Richtung: nach oben. "Während Caracas seine Ansprüche bekräftigt, sichern die USA Guyana diplomatisch und militärisch ab, auch um die milliardenschweren Investitionen ihrer Energiekonzerne zu schützen", sagt Regher.
Der aktuelle Militäreinsatz der USA gegen Venezuela hat also den Nebeneffekt, bei einer möglichen Invasion Guyanas durch Venezuela, die Maduro immer wieder ins Spiel brachte, schnell am Ort des Geschehens zu sein.
In Guyana sind die US-Konzerne ExxonMobil und Chevron aktiv. Sie trugen mit ihren Investitionen dazu dabei, die Ölförderung das Landes auf inzwischen rund eine Million Barrel pro Tag zu erhöhen.
Der Niedergang Venezuelas
Während das Maduro-Regime wegen des Öl-Booms neidisch nach Guyana blickt, liegt die eigene Industrie immer noch am Boden. Das liegt vor allem an hausgemachtem Politikversagen. Venezuelas staatlicher Erdölkonzern PDVSA, einst einer der am besten organisierten Energiekonzerne Südamerikas, wurde zu einem verlängerten Arm der sozialistischen Machthaber.
Statt Fachleuten mit Know-how übernahmen fachfremde Parteisoldaten das Management. Von rund 138 Millionen Tonnen (2013) brach die Förderung auf 34,5 Millionen Tonnen (2021) ein, erst es in den letzten Jahren ging es wieder leicht aufwärts.
Beschleunigt wurde der Absturz durch Sanktionen der USA, nachdem Venezuelas Sozialisten 2015 eine krachende Niederlage bei den Parlamentswahlen einfach ignorierten und ihre Repression gegen die Opposition verschärften.
China profitiert
Ein Gewinner der Entwicklung ist China. Weil die US-Sanktionen den Zugang Venezuelas zum amerikanischen Markt erheblich erschweren oder gar ganz unterbinden, setzt Caracas den Großteil seiner Exporte mit hohen Abschlägen an China über eine Schattenflotte ab.
China kommt so günstig an Öl - und hat bereits Schritte unternommen, um die Ölversorgung auch in Zukunft zu sichern. Nach venezolanischen Medienberichten haben Venezuela und das chinesische Unternehmen China Concord Resources Corp (CCRC) ein Kooperationsabkommen geschlossen. Entstehen soll eine schwimmende Plattform, die bis Ende 2026 die Tagesproduktion in einigen Ölfeldern auf bis zu 60.000 Barrel verfünffachen soll.
Möglich macht das ein 2020 verabschiedetes Anti-Blockade-Gesetz, mit dem ausländische Investoren trotz US-Sanktionen in Venezuela investieren können.
Für Peking sei Venezuela derzeit attraktiv, weil es billiges Rohöl liefert, auch wenn Chinas Raffinerien nicht optimal für das schwere venezolanische Öl ausgelegt und die Transportwege lang sind, sagt Regehr von der Hans-Seidel-Stiftung in Caracas.
"Geopolitisch verfolgt China damit zwei Ziele: Es deckt einen Teil seines Energiebedarfs günstig und unterläuft gleichzeitig die Sanktionspolitik der USA, was den eigenen Anspruch untermauert, in Lateinamerika als Gegengewicht zu Washington präsent zu sein", so Regehr.
Für die Zukunft bedeute das: Solange die Sanktionen bestehen, bleibe Venezuela ein "Discount Supplier", also ein Lieferant, der wegen seiner Isolation billig verkaufen muss. Sollte sich das Land jedoch wieder Zugang zu den Märkten in den USA oder Europa erhalten, könnte China an Einfluss verlieren, da Caracas seine Ölexporte dann profitabler absetzen würde.
Maduro wirbt um Europa
Genau deshalb wirbt Maduro nun um die Europäer. Sie sind derzeit nur Zuschauer, während sich die Weltmächte USA und China in der Region Optionen sichern.
"Wie lange wird sich Europa noch den Anweisungen aus Washington unterwerfen?", fragte Maduro bei einer Pressekonferenz Anfang September und forderte die Europäer auf, die US-Sanktionen zu ignorieren und nach Venezuela zu kommen. "Hier sind Sie frei, kommen Sie und produzieren Sie, lassen Sie uns mit oder ohne Lizenzen weiterproduzieren", so Maduro.
Ob Maduro mit seinem Aufruf erfolg hat, bleibt abzuwarten. Europäische Öl-Konzerne wie Repsol aus Spanien befinden sich derzeit in einer Warteschleife. Die US-Sanktionen setzen ihrer Arbeit in Venezuela enge Grenzen.
Doch ein weiterer Grund für die Distanz der Europäer ist Maduro selbst: die schweren Menschenrechtsverletzungen seiner Regierung und sein mutmaßlicher Wahlbetrug bei den Wahlen 2024.