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"Der Zerfall der UdSSR war nicht zu verhindern"

28. April 2011

Vor genau 20 Jahren unternahm Michail Gorbatschow einen Versuch, die Sowjetunion zu retten. Kremlkenner Eberhard Schneider von der Stiftung Wissenschaft und Politik erläutert, warum dies zum Scheitern verurteilt war.

Portrait von Eberhard Schneider (Foto: DW)
Eberhard SchneiderBild: Eberhard Schneider

DW-WORLD.DE: Herr Schneider, im April 1991 verhandelten die Führer von neun Sowjetrepubliken unter Leitung des damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow über einen neuen Unionsstaat. Aber der Zerfall der UdSSR war nicht mehr aufzuhalten. Warum?

Eberhard Schneider: Für meine Begriffe gab es wirtschaftliche, ideologische und politische Gründe für den Zerfall der Sowjetunion, auch was die Unabhängigkeitsbestrebungen der Unionsrepubliken betrifft. Und es gab auch außenpolitische Gründe. Hinzu kam der Putsch am 19. August 1991. Dieser Putsch war eine Reaktion auf die Reformbestrebungen, die damals Michail Gorbatschow eingeleitet hatte. Durch diesen Putsch wurde die Zuspitzung der inneren Probleme in der Sowjetunion verschärft und beschleunigt. Die Putschisten, die damals den Zerfall der Sowjetunion verhindern und auch Gorbatschows Reformpolitik aufhalten wollten, haben das Gegenteil erreicht.

Welcher Grund war denn der ausschlaggebende für den Zerfall des Staates?

Die kommunistische Planwirtschaft war am EndeBild: RIA Novosti

Das Planungssystem in der Wirtschaft war nicht mehr zu halten. Man kann in einer moderner werdenden Industriegesellschaft - und die Sowjetunion war auf dem Weg dahin - keinen Plan mit 30.000 Normen allein auf Ebene des Gesamtstaates aufstellen. Man kann nicht auf Dauer 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgeben. Im Politbüro glaubte zum Schluss im Grunde genommen niemand mehr an die Ideologie. Erst recht nicht die Bevölkerung, die immer mehr Informationen über den Westen, ein Alternativmodell, bekam. Wenn es freie Wahlen gegeben hätte, wie es Gorbatschow damals vorhatte, dann hätten die Kommunisten höchstens zehn Prozent der Stimmen bekommen.

Gorbatschow fing an, das politische System an die wirtschaftliche Lage anzupassen. Er führte das Amt des Staatspräsidenten ein und stufte dadurch die Kompetenzen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der KPdSU herab. Die Partei zog sich aus den staatlichen und wirtschaftlichen Organisationen zurück. Sie sollte nur noch eine politische Führungsrolle ausüben und nicht mehr in allen Betrieben und Einrichtungen vertreten sein. Die Partei selber war gespalten. Auf der vertikalen Ebene traten die Kommunisten für Demokratie ein, auf der horizontalen Ebene wollten sie in den Unionsrepubliken nationale Parteien aufbauen. Viele Unionsrepubliken wollten sich von Moskau loslösen. Gorbatschows Vorschlag für eine neue Föderation kam daher 1991 eigentlich zu spät.

Auch außenpolitisch war das Imperium überdehnt. Es konnte seine Positionen nicht mehr halten – in Kuba, Vietnam, Mosambik oder Angola. Die Tragik für Gorbatschow bestand darin, dass er erkannte, dass die Perestroika, der Umbau, durchgeführt werden muss. Doch die Entwicklung lief in der Wirklichkeit schneller ab als in Gorbatschows Kopf. Seine innere Perestroika war langsamer als die Perestroika, die damals in der Sowjetunion ablief. Er kam mit seinen Vorschlägen zum Teil zu spät.

Wie bewerten Sie heute die Chancen für eine Reintegration der GUS-Staaten, nicht in Form einer neuen Sowjetunion, aber vielleicht in einer anderen Form?

Machtkampf zwischen Michail Gorbatschow und Boris JelzinBild: picture alliance/dpa

Die Alternative zur Sowjetunion wäre ja eine wirkliche Gemeinschaft unabhängiger Staaten, kurz GUS, gewesen. Aber das Gesamtkonzept GUS ist gescheitert. Eine engere Integration Russlands mit Belarus wird für meine Begriffe auch nicht zustande kommen. Diese Idee geht zurück auf das Umfeld von Boris Jelzin im Jahre 1996. Es sollte ihn von dem Vorwurf befreien, schuld am Zerfall der Sowjetunion zu sein und in der Folge auch am Zerfall Russlands. Doch diese Konstruktion war schon damals nicht richtig durchdacht. Ein weiterer Grund liegt in der Natur der Führungspersönlichkeiten in Minsk und Moskau. Der belarussische Präsident Aleksandr Lukaschenko ist Moskau gegenüber äußerst misstrauisch. Er hat den Verdacht, dass wenn er sich auf einen Unionsstaat mit Russland einlässt, dass Belarus dann zu einem Teilgebiet von Russland degradiert wird.

Hingegen bergen Dreier- oder Viererkonstellationen gewisse Aussichten: Integrationsmodelle unter Einschluss von Russland, Belarus, Kasachstan und – wie man in Moskau hofft - auch der Ukraine. Bessere Erfolgsaussichten hat indes die Konzeption eines einheitlichen Wirtschaftsraums mit einer Zollunion beruhend auf einigen wenigen Staaten. Eine Gesamtintegration der ehemaligen Sowjetrepubliken halte ich hingegen für aussichtslos.

Das Interview führte Nikita Jolkver
Redaktion: Markian Ostaptschuk

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