Derbyfieber in der Bundesliga
8. April 2016Tore vom Bierglas aus schießen, das kann nur Franz Beckenbauer - so wie er einst vom Weißbierglas an der Torwand traf, so versuchten es auch Christoph Metzelder, Willi Lippens und Klaus Fischer, die zur Einstimmung auf das anstehende Revierderby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund in das Fußballmuseum in Dortmund gekommen waren - allerdings erfolglos. So locker wie das Torwandschießen wird es am Sonntag in Gelsenkirchen nicht zugehen, da waren sich die drei ehemaligen Nationalspieler, die das Deutsche Fußballmuseum geladen hatte, ausnahmsweise einig. Im Revierderby geht es nämlich um mehr als um drei Punkte: "In jedem Land gibt es diese besonderen Duelle, die ja manchmal auch politisch oder religiös motiviert sind. Hier ist es der Bergmann gegen den Stahlarbeiter", sagte etwa Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder, der gleich für beide Vereine die Schuhe geschnürt hat, anschließend im Interview mit der DW: "Es ist eine große Rivalität, die das Revier in zwei Lager teilt. Ein Lager geht am Montag vergnügt zur Arbeit, die andere Hälfte nicht so."
Gerade das macht für RWE-Legende und den ehemaligen BVB-Stürmer Willi "Ente" Lippens den Reiz des Derby aus: Die Frotzeleien zwischen den Kollegen. "Diese Rivalität auf den Arbeitsplätzen hat hier im Westen den Fußball groß gemacht", erklärte der ehemalige Stürmer gegenüber der DW. "Das war schon in den Urzeiten des Derbys so: Der Kumpel unter Tage, der sich identifiziert mit seinem Klub, hat aufgrund der örtlichen Nähe aber auch mit dem Fan von dem anderen Verein zu tun. Und es wurde oft gewettet, unter Tage schon. Da war es zutiefst befriedigend, wenn Dein Kollege Dir dann eine Flasche Bier ausgeben musste, weil Dein Verein gewonnen hatte."
Auch Lippens' pensionierter Stürmerkollege Klaus Fischer, mit 268 Toren Zweiter der Ewigen Torschützenliste der Bundesliga, fieberte im DW-Interview dem Spiel seiner Schalker entgegen. "Der Wunsch ist natürlich, dass Schalke gewinnt. Aber wenn ich die Dortmunder Mannschaft so sehe, wie sie in dieser Saison spielt - die beste Rückrundenmannschaft - dann wird es verdammt schwer. Dann würde ich sagen, wenn wir ein Unentschieden holen würden, wäre ich zufrieden."
Dortmund hui, Schalke pfui
Als Fischer noch selbst die Tore schoss, war Schalke die Nummer eins im Revier, erinnert er sich. "In der 70er Jahren war Dortmund lange Zeit kein Problem." Das hat sich im Laufe der Jahre geändert: Dortmund ist aktuell als bester Tabellenzweiter der Bundesliga-Geschichte bereits vorzeitig für die Champions League in der kommenden Saison qualifiziert. Schalke dagegen patzte zuletzt gegen Aufsteiger FC Ingolstadt und fiel auf Rang sieben zurück, der nicht einmal für die Teilnahme an der Europa League berechtigt. "Aus der tiefsten Depression heraus mit dem Rücken zur Wand entwickelt Schalke immer einer sehr gute Mentalität und gute Qualität. Deswegen ist Schalke ein sehr gefährlicher Gegner für Borussia Dortmund", befand Metzelder, der den Königsblauen sogar die Daumen drückt, obwohl er viel länger für den BVB gekickt hat. "Ich hab in beiden Vereinen gespielt, das Herz ist geteilt, aber ich bin immer eher für den Underdog, und der Außenseiter ist Schalke 04."
Willi Lippens, der das Derby am liebsten mit Schalke-Fans gucken will, "damit man sich ein bisschen ärgern kann, denn sonst macht es ja keinen Spaß", ist vom BVB-Sieg überzeugt: "Das wäre schon in Ordnung. Auf der anderen Seite sind wir alle Ruhrgebietler und müssen akzeptieren, wenn die Schalker vorne liegen. Ein Unentschieden hilft niemandem weiter. Ich bin dafür: Einer sollte gewinnen. Am besten Dortmund."
Zum Abschluss der Veranstaltung im Fußballmuseum musste sich Lippens als BVB-Vertreter allerdings seinem Schalker Kameraden Fischer mit 2:4 geschlagen geben: "Der Lippens hat gedacht: Mit zwei Toren ist er weit vorn. Auf einmal muss er eine Niederlage einstecken", grinste Fischer, der sich auch ein bisschen mehr Treffsicherheit der aktuellen Schalke-Stürmer wünscht. Ein Comeback wie Lippens, der zu seinem 70. Geburtstag eine Spielerlaubnis bei seinem Ex-Verein Rot-Weiss Essen für die Regionalliga erhielt, könnte er sich dafür mit einem Augenzwinkern gut vorstellen: "Das wäre natürlich der absolute Hammer!" Bequemer ist es allerdings von der Tribüne aus, von wo aus Fischer jedes Spiel der Königsblauen mitverfolgt, natürlich auch am Sonntag.
Derbyzeit auch in Köln
Nach dem Abpfiff in Gelsenkirchen geht es in der Bundesliga übrigens mit dem nächsten Nachbarschaftskampf weiter, dieses Mal im Rheinland: Der 1. FC Köln empfängt Bayer 04 Leverkusen. Der FC will sich endgültig aller Abstiegssorgen entledigen, Leverkusen nach dem Sieg über Wolfsburg weiter in den Europapokalplätzen festsetzen. Anstoß ist um 17:30 Uhr MESZ.
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