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Politik

"Desaster für die Sicherheitsbehörden"

29. Dezember 2016

Nach dem Berliner Attentat gibt es mehr Fragen als Antworten. Politiker drohen mit einem Untersuchungsausschuss. Und Kriminalisten ziehen sogar einen Vergleich zur NSU-Pannenserie.

Deutschland Berlin Trauer nach Anschlag auf Breitscheidplatz
Gedenken am Tatort: Breitscheidplatz in Berlin (Archivbild)Bild: Getty Images/S. Gallup

Im Fall des mutmaßlichen Attentäters von Berlin, Anis Amri, droht die Opposition im Bundestag mit einem Untersuchungsausschuss. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wenn wir von der Bundesregierung nicht schnell klare Informationen bekommen, werden wir im Eilverfahren einen solchen Ausschuss beantragen."

Noch schärfer äußerte sich Linken-Fraktionsvize Frank Tempel. Er sehe "auf jeden Fall ein Behördenversagen". Die Behördenpannen ähnelten denen beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Die rechtsextreme Terrorzelle hatte über mehrere Jahre hinweg mutmaßlich zehn Menschen ermordet.

"Für Schuldzuweisungen zu früh"

Auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, zog eine Parallele zum NSU. Der Anschlag in Berlin und der Umgang der Behörden mit Amri habe das Potential, sich zu einem "Desaster für die Sicherheitsbehörden" zu entwickeln. Allerdings sei es für Schuldzuweisungen noch zu früh, so Schulz.

In Nordrhein-Westfalen, wo Amri als Geduldeter lebte, beantragten die Fraktionen von CDU, FDP und Piraten eine Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Lutz Lienenkämper, warf Innenmininster Ralf Jäger (SPD) vor, "die Verantwortung für den Fall Amri komplettt nach Berlin abzuschieben".

Bau von Rohrbomben recherchiert

Der mutmaßliche Attentäter war den Sicherheitsbehörden bekannt und wurde auch überwacht, jedoch nicht mehr zum Tatzeitpunkt. Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" haben Experten im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin zwischen Februar und November 2016 mindestens sieben Mal über ihn gesprochen. Behördenunterlagen, die nur fünf Tage vor dem Verbrechen entstanden, beschrieben seinen Werdegang in Deutschland.

Italienische Polizeibeamte sichern in Mailand Spuren, nachdem Anis Amri bei einem Schusswechsel getötet wurde (Archiv)Bild: picture-alliance/dpa/D. Bennati/B&V

Demnach recherchierte er im Internet über den Bau von Rohrbomben und die Herstellung von Sprengstoffen wie etwa TNT. Zudem suchte er im Februar offenbar Kontakt zur Terrormiliz "Islamischer Staat" - um sich als Selbstmordattentäter anzubieten. Mindestens zwei Mal wurde den Medien zufolge im GTAZ die Frage diskutiert, ob Amri einen konkreten Anschlag in Deutschland plane. Ergebnis der Erörterungen: Das sei unwahrscheinlich.

Bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche wurden am 19. Dezember zwölf Menschen getötet. Nach Auffassung der Ermittler saß Amri am Steuer des LKW, der in die Menschenmenge raste. Einen Tag vor Heiligabend wurde der Tunesier bei einer Polizeikontrolle nahe Mailand erschossen.

jj/se (dpa, afp, rtr)

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