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Design von der Natur abgeschaut

17. Januar 2011

Wer zu den "Passagen" kommt, dem Off-Programm der Kölner Möbelmesse, sollte eine Ausstellung auf keinen Fall verpassen: die von Tokujin Yoshioka. Der Japaner ist zum "Designer des Jahres 2011" gekürt worden.

Der Sessel "Heaven" des Designers Tokujin Yoshioka (Foto: Cassina)
Bild: Cassina

Tokujin Yoshioka lächelt freundlich, macht eine kurze Verbeugung und nimmt auf einer seiner neuesten Kreationen Platz. Einer Bank, die zu der "Invisible"-Serie gehört. Sie ist tatsächlich so gut wie unsichtbar. Die Bank besteht aus vier durchsichtigen, kantigen Polycarbonatblöcken. Das ist hoch getuntes Fiberglas, mit dem Tokujin Yoshioka zur Zeit herumexperimentiert. Bequem sieht das Möbelstück nicht gerade aus. Yoshioka behauptet aber, es sei, als würde man im Weltall schweben, als wäre man schwerelos.

Tokujin Yoshioka in der AusstellungBild: Burat

Der 43jährige Designer spricht nur japanisch, eine Dolmetscherin übersetzt Fragen und Antworten. Wobei die Übersetzung der Frage ins Japanische immer mindestens doppelt so lang dauert wie die deutsche Ausgangsfrage. Durch die Ausstellung seiner Kreationen wabert Ambientmusic, in der Luft hängen weiße Nebelschwaden. Die Atmosphäre hat etwas Ätherisches bis Übersinnliches. Der Besucher flaniert wie auf einer Straße an den Design-Kreationen vorbei – auf ein weißes Licht zu. Weiß – die Farbe hat es Tokujin Yoshioka angetan, denn auch die meisten seiner Möbel sind weiß. Damit wolle er mit seinem Design dem Licht möglichst nahe sein. Das Transparente wiederum fasziniere ihn, weil es das Licht so schön spiegele, erklärt Tokujin Yoshioka, während er unablässig mit seiner Digitalkamera seine Objekte fotografiert.

Shootingstar der Design-Szene

Preisverleihung "Designer des Jahres"Bild: Burat

Zur Preisverleihung trifft sich die Design-Schickeria. Tokujin Yoshioka zählt zu den Shootingstars der Szene. Sein Lehrer und Förderer ist der japanische Modedesigner Issey Miyake. Mit 34 Jahren landete Tokujin Yoshioka bereits den ersten großen Coup. Sein "Honey Pop Chair" erhielt einen Platz in der permanenten Kollektion des Museum of Modern Art in New York. Der Stuhl erinnert an einen Wachsklumpen, in den aus großer Höhe ein Mensch geplumpst ist. Unten Klotz, oben eine faltige Sitzfläche in Bienenwabenmuster. Doch der Stuhl ist aus Papier – darauf wäre man nie gekommen. Tokujin Yoshiokas Design wirkt simpel, steckt aber voller Überraschungen – wie auch der "Panna-Chair". Er sieht beinahe etwas schwerfällig aus, so als wären Reissäcke zu einem Sessel zusammengenäht worden. In Wirklichkeit handelt es sich um Schaumstoff, der mit einer Metallstruktur überzogen ist. Er passt sich dem Benutzer an wie ein Kleid, das man sich überzieht. Eine einfache, meist zufällig entstandene Idee wird mit High Tec aufgepeppt, wie auch bei dem Stuhl mit dem Namen "Bouquet". "Bei dem Stuhl gegenüber habe ich erst mit einfachen Papiertaschentüchern gearbeitet, daraus habe ich auch das erste Modell gebastelt. Später ist daraus dann ein Stuhl aus Stoff geworden, der wie eine Blume aussieht", erkärt Tokujin Yoshioka das Prinzip. Es sind klare und unschuldige Formen, die sein Design prägen.

Natur als Gestaltungsmodell

Sehen leicht aus, lassen sich aber nicht bewegen: Invisible-MöbelBild: Burat

Die Natur ist eine wichtige Inspirationsquelle für die Entwürfe. Die Natur nimmt Tokujin Yoshioka als Vorbild und klügelt dann aus, wie viel Technologie nötig ist, um daraus ein Möbelstück zu schaffen. Das Resultat soll den Nutzer berühren, in ihm Gefühle hervorrufen, positive wie negative. So wie bei den Invisible-Möbeln, die luftig leicht aussehen, aber zentnerschwer sind. Die Kuratorin der Passagen, Sabine Voggenreiter, kam ganz schön ins Schwitzen, als sie die Bänke und Tische für die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein installieren musste. "Um sie auf einen Sockel zu heben, haben sechs oder acht Männer nicht gereicht, da brauchten wir einen Kettenzug, um sie hochzuziehen", sagt Voggenreiter.

Wer sich also einen Stuhl, Tisch oder ein Bänkchen der Invisible-Serie ins Wohnzimmer stellen möchte, kann die Möbel beim Putzen nicht mal eben zur Seite schieben. Sabine Voggenreiter, die die Design-Veranstaltung vor 22 Jahren erfunden hat, kennt auch alle vorherigen fünfzehn "Designer des Jahres". Tokujin Yoshioka hält sie für besonders innovativ, weil er den Prozess der Gestaltung ins Zentrum seiner Arbeit stellt.

Nichts für die Masse

Für den Massenmarkt sind Tokujin Yoshiokas Möbel nicht konzipiert. Viele sind Einzelstücke und dazu auch noch ziemlich kostspielig. Barbara Friedrich, Chefredakteurin der Zeitschrift A&W Architektur und Wohnen, die den Preis "A&W Designer des Jahres" verleiht, hätte selber gerne ein durchsichtiges "Invisible"-Möbel in ihrer Wohnung. "So einen Tokujin Yoshioka kann man nicht für 200 Euro kaufen. Wenn man so ein Sück in die Wohnung stellt, dann hat man eine Wohnskulptur, es ist nicht nur der Gebrauchsgegenstand, es berührt einen, es ist wie ein Bild, das Gefühle hervorruft."

Tokujin Yoshiokas Entwürfe sind eben mehr als Möbel, sie sind ein Ereignis. Oder wie es der Designer selber sagt: "Etwas, das man sitzend erleben kann."

Autorin: Sabine Oelze

Redaktion: Klaus Gehrke

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