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Das Ende der Automessen

Marc Dickgreber z.Zt. Genf
6. März 2019

Weniger Aussteller, weniger Besucher, wenig Sinn. Die Automesse als Branchentreff und Publikumsmagnet hat ausgedient. In Genf zeigt sich die Katerstimmung einer Branche im Umbruch.

Genfer Autosalon 2019
Bild: DW/M. Dickgreber

Trübe Stimmung beim Autosalon

01:42

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Automessen sind eigentlich immer gleich: Horden von Journalisten und Leute, die irgendwie an Presseakkreditierungen gekommen sind, drücken sich am Premierentag an den neusten Modellen die Nasen platt. Neben den Neuheiten lächeln hübsche Frauen mit zu kurzen Röcken in zu unbequemen Schuhen. Einige der überwiegend männlichen Journalisten gucken irgendwann trotzdem auf die Autos und berichten darüber. So war das jahrzehntelang. Auch noch letztes Jahr in Genf.

Doch diese alte Welt ist Geschichte. Die Models sind dieses Jahr weitgehend verschwunden, erstmals ist die gesellschaftliche Debatte wohl angekommen in der alten PS-Welt, in der Frauen und Autos zusammen gehörten wie in schlüpfrigen Kalendern für ölige Schrauber-Werkstätten. Oder fehlt nur das Geld?

Ein Auslaufmodel - Messehostess, posierend vor GroßraumlimousineBild: DW/M. Dickgreber

Messe? Online-Konfigurator!

Doch der Umbruch der über hundertjährigen Auto-Industrie zeigt sich nicht nur an solchen Details. In Genf ist der Anfang vom Ende der Institution Automesse zu spüren, die schon lange wie aus der Zeit gefallen schien, wie ein Relikt aus vordigitaler Zeit, wo rasende Reporter mit dicker Zigarre ihre Berichte aus Genf in Schreibmaschinen hackten, während der Fotograph die Fotos entwickelte. Damals ging noch der Vater mit dem Sohne auf die Messe und informierte sich für den nächsten Autokauf. Heute konfigurieren sogar die Älteren unter uns, die das früher vielleicht so gemacht haben, ihren Neuwagen online.

Manche Autohäuser haben deshalb schon dicht gemacht. Ähnlich wird es bei den Automessen sein, da sind sich die meisten Insider hier in Genf einig. Detroit, die Auftaktmesse des Jahres für die Branche, wird in den Sommer verlegt. Zu groß war die Konkurrenz durch die immer kurz darauf stattfindende Technikmesse CES in Las Vegas, auf der die großen Autohersteller moderner wirken, als auf der verstaubten Motorshow in Motown. Die Motoren haben im Kampf gegen die Elektronik in den USA klar verloren.

VW nicht in Frankfurt???

Auch andere Messeplätze sind angeschlagen: In Paris herrschte in vielen Messehallen im letzten September gähnende Leere. Mindestens 15 Automarken werden in diesem Jahr nicht zur IAA nach Frankfurt kommen, darunter auch ganz große Namen wie Toyota. BMW reduziert seine Ausstellungsfläche in Frankfurt von 11.000 auf 3000 Quadratmeter. Volkswagen soll die IAA-Teilnahme zunächst abgesagt haben, konnte aber, so hört man hier, doch noch umgestimmt werden, um der IAA nicht den Todesstoß zu versetzen.

Ein aktuelles Bild vom Genfer Autosalon: Vor kurzem noch undenkbar...Bild: DW/M. Dickgreber

Auf dem Volkswagen-Stand hier in Genf waren die meisten Mitarbeiter am Dienstagmorgen zu früh dran; alle hatten den üblichen Messestau kalkuliert, allein: es gab ihn nicht. Eine ganze Reihe Hersteller wie Ford, Volvo und Opel fehlen, wer noch dabei ist, spart kostspielige Anreisen von Mitarbeitern aus Übersee inclusive horrender Hotelpreise ein - die Messe ist vergleichsweise leer.

Hinter dem Niedergang der Auto-Messen steckt aber mehr als der Online-Vertrieb mit Konfiguratoren oder das Digitalzeitalter, in dem man Journalisten effektiver und vor allem preiswerter erreichen kann als durch einen Messeauftritt für ein paar Millionen Euro.

Volvo mit der Tempo-Bremse

Angesichts von Dauerstaus, Parkplatznot und Abgasdebatte verändert sich der Individualverkehr grundsätzlich. Die Zeit der Raser, des Autos als Statussymbols, ist vorbei. Auch wenn das in Deutschland viele nicht verstehen wollen. Volvo kündigte pünktlich zur Messe publikumswirksam an, alle Fahrzeuge auf 180 km/h Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen. Die meisten Hersteller sind noch nicht so weit, aber leiten den Umbau längst ein.

Ein E-Scooter: Für die letzte MeileBild: DW/M. Dickgreber

Ein Mercedes-Mitarbeiter sagt uns, sein Arbeitgeber wandele sich vom klassischen Autohersteller zum modernen Mobilitätsanbieter. Auf dem ökonomisch und ökologisch günstigsten Weg von A nach B zu kommen, möglichst bequem und schnell, das sei der Kundenwunsch, den man erfüllen müsse.

Deshalb ist das Angebot vieler Hersteller auf Fahrräder, kleine Roller oder Skateboards mit E-Antrieb für die letzte Meile gewachsen. Aber wie bekommt man dann noch das Markengefühl da hinein? Schwierige Aufgabe. Aber spannend. Nach dem jahrelangen Abgas-Betrug hat die Branche ihre Glaubwürdigkeit auch bei eingefleischten Autofans verspielt - jetzt schaut das Publikum zu, wie sie sich neu erfindet.

Und auch wenn die Messe an sich im Siechtum ist: Es gibt auch positive Signale aus Genf. Erstmals ist mit dem Jaguar I-Pace ein Elektroauto zu Europas Auto des Jahres gewählt worden. Außerdem können alle Autofans beruhigt sein: Atemberaubendes Design und Autos, die man sofort haben will, gibt es weiterhin. Auch mit Elektroantrieb. Die spannende Frage ist nur, ob man sie künftig noch kauft - oder einfach über ein Carsharing mietet. Auf Automessen kann man dann ganz bestimmt verzichten.

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