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Deutsch-chinesischer Industriewettbewerb

Mu Cui
24. November 2016

Ergänzen sich Deutschlands "Industrie 4.0" und Chinas "Made in China 2025" zum gegenseitigen Vorteil? Oder muss sich Deutschland Sorgen machen? Cui Mu berichtet vom "Hamburg Summit: China Meets Europe 2016".

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz begrüßt die chinesische Vizeministerpräsidentin Liu Yandong im Rathaus (Foto: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

"Es geht eigentlich um dasselbe, nur unter verschiedenen Namen”, meint Yu Weiping, Vizepräsident des staatlichen chinesischen Eisenbahnkonzerns CRRC. Das Unternehmen fertigt Schnellzüge sowohl für China als auch für den internationalen Markt und ist ein wichtiger Akteur in dem von Peking vorangetriebenen Projekt "Made in China 2025”. Beide Länder reagierten mit der Strategie der Vernetzung, Digitalisierung und Flexibilisierung auf Zeiten abflauenden Wirtschaftswachstums, sagte Yu Weiping auf dem Hamburg Summit, wo sich Spitzenmanager und Experten aus China und Europa über die Zukunft der Globalisierung austauschen. Auch die Politik durfte natürlich nicht fehlen, so wurde die chinesische Vizeministerpräsidentin Liu Yandong von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz im Rathaus begrüßt (Artikelfoto).

In Deutschland gilt Industrie 4.0 als die unvermeidbare vierte industrielle Revolution, in der man unbedingt eine Führungsposition beibehalten will und muss. Aber das Reich der Mitte ist in Aufholjagd begriffen und zeigt ausgerechnet in diesem Bereich starkes Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Spitzenreiter Deutschland.

Das lässt durchaus Alarmglocken klingeln. Laut dem Berliner Forschungsinstitut MERICS ist es Bestandteil von "Made in China 2025”, dass dank staatlicher Förderung chinesische Technologie ausländische Konkurrenz auf dem heimischen Markt ersetzen soll. Langfristig wolle China sogar mit eigener Spitzentechnologie auf dem Weltmarkt konkurrieren. Gegenüber der DW bezeichnet Jost Wübbeke von MERICS "Made in China 2025” als ein viel ambitioniertes Programm als das, was in Deutschland unter "Industrie 4.0" verstanden wird: "‘Made in China 2025‘ hat das Ziel, China zu einem führenden Industrieland zu machen, das produktiv und innovativ ist und hochwertige Produkte selbst entwickeln und herstellen kann.”

Clas Neumann von SAP setzt auf gegenseitige Befruchtung bei der Entwicklung der vernetzten und digitalisierten Wirtschaft Bild: DW/M Ciu

"Wechselseitiges Lernen statt Abschottung"

Der führende deutsche IT-Konzern SAP aus Baden-Württemberg spielt eine wichtige Rolle sowohl bei "Industrie 4.0" als auch bei "Made in China 2025”. Clas Neumann, Vizepräsident der China-Niederlassung von SAP, macht sich keine Sorgen wegen einer vermeintlichen Bedrohung durch China. "Gerade im Bereich IT beziehungsweise Digitalisierung ist China sehr weit, oft auch Weltspitze. Wir entwickeln zum Beispiel mit unseren chinesischen Geschäftspartnern manchmal gemeinsam Software. Das heißt, wenn man gemeinsam Dinge schafft, lernt man voneinander. Der chinesische Partner lernt vom deutschen über dessen Technologie, und umgekehrt genau so", betont Neumann gegenüber der DW.

Der chinesische Haushaltsgeräte-Hersteller Haier setzt seit Jahren auf Digitalisierung und Vernetzung der Produktionsverfahren, um eine Massenproduktion individualisierter Güter zu ermöglichen. Vizedirektor Chen Lucheng erzählt der DW: "Unsere Vorzeigefabrik entstand Jahre, bevor in Deutschland von 'Industrie 4.0' geredet wurde. Wir haben sie dreimal aufgebaut, weil wir am Anfang nicht wussten, ob sie unseren Anforderungen und denen der Kunden entspricht. Wir haben eine Gemeinsamkeit mit Deutschland: Bei Industrie 4.0 gibt es keinen vorhandenen Königsweg, wir müssen selbst den Weg nach vorne erkunden. Man muss nur Mut haben.”

Dass sich die Deutschen um ihre Spitzenstellung sorgen, ist Chen Lucheng bekannt. Er rät ihnen, sich wie der Spitzenläufer bei einem Marathonlauf zu verhalten und sich anzustrengen, um die anderen auf Abstand zu halten. Sich zu sorgen, dass die anderen aufholen könnten, sei dabei kontraproduktiv.

Clas Neumann von SAP China sieht jedenfalls keine Alternative zum Engagement auf dem chinesischen Markt: "Manche Märkte in China entwickeln sich schneller als hier in Deutschland. Wenn man sich nur auf den Heimatmarkt beschränkt und denkt, das reicht, um in die ganze Welt zu exportieren, wird das langfristig nicht reichen. Sicher muss man vorsichtig sein bei der Partnerwahl. Aber man kann immer was voneinander lernen, und man muss etwas teilen, um etwas zurückzubekommen.” Neumann berichtet, dass Fabriken, die er in China besucht habe, meistens sehr modern, fortschrittlich und auch innovativ seien, alles andere als rückständig. Aber den technologischen Vorteil in Bereichen wie dem Maschinenbau werde Deutschland so schnell nicht verlieren.

China-Experte Jost Wübbeke sieht für deutsche Unternehmen nicht nur Chancen in Pekings Digital-Strategie Bild: MERICS

Kurzfristige Chancen, langfristige Gefahren

MERICS-Forscher Wübbeke sieht die Zukunft nicht ganz so rosig: "Generell ist Wettbewerb positiv, solange die Marktregeln funktionieren. Leider sehen wir im Zusammenhang mit 'Made in China 2025' starke Indizien dafür, dass Marktverzerrung durchgesetzt wird, um ausländische Unternehmen bewusst zu benachteiligen." Chinesische Technologie-Spitzenreiter wie Haier sieht Wübbeke eher als Ausnahmefälle. “Wenn wir uns den Großteil der chinesischen Industrie ansehen, ist es ein komplett anderes Bild. Viele Firmen sind auf einem sehr rudimentären Niveau der Produktion, also noch auf Industrie 2.0. Kurzfristig wird es sehr große Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen geben, dort, chinesische Unternehmen die Technologie nicht selber liefern können. Das ist eine enorme große Chance, aber nur auf einer kurzfristige Sicht.”

Denkt also die deutsche Wirtschaft ein bisschen zu kurz? "Nein", meint der Experte von MERICS. Es sei nicht die Aufgabe von Unternehmen, Jahrzehnte im Voraus zu denken. Aber als Forscher müsse man ein Auge darauf werfen und der Politik sowie der Wirtschaft ein Signal geben.

 

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