Deutsch-griechisches Spitzentreffen: Streit um Migration
3. November 2025
Am Dienstag (4.11.2025) reist der griechische Migrationsminister Thanos Plevris zu einem schwierigen Treffen mit dem deutschen Innenminister Alexander Dobrindt nach Berlin. Die Konsultationen der beiden Minister werden nicht einfach sein, obwohl die beiden konservativen Politiker sehr ähnliche Ansichten zum Thema irreguläre Einwanderung vertreten. Beide wollen dieselbe Botschaft senden, dass "illegal" Eingereiste keine Chance in Europa bekommen werden. Und beide würden am liebsten die Grenzen Europas für Geflüchtete dichtmachen. Trotzdem gibt es auch Meinungsunterschiede.
Thanos Plevris wurde im Juli 2025 zum Migrationsminister ernannt - als Nachfolger von Makis Voridis, der im Zuge eines Skandals um missbrauchte EU-Agrarsubventionen zurückgetreten war. Von seinem ersten Tag im Amt an zeigte sich Plevris stolz auf seine Härte: "Wir werden das erste europäische Land mit den strengsten Vorschriften für illegale Einreise sein", kündigte er an.
Minister mit rechtsextremer Vergangenheit
Der neue Minister, der vor seinem Eintritt in die konservative Partei Nea Dimokratia im Jahr 2012 einer rechtsextremen und islamophoben Partei angehört hatte, war schon jahrelang vor seiner Ernennung durch Premierminister Kyriakos Mitsotakis für seine Anti-Migrationshaltung bekannt. Schon im Jahr 2011 hatte er seine Überlegungen zum Umgang mit Geflüchteten und Migranten im Rahmen einer Veranstaltung der rechtsextremen Zeitschrift Patria präsentiert. Wie Plevris damals sagte, könne das Migrationsproblem mit zwei Methoden gelöst werden: durch die Bewachung der Grenzen und durch "Abschreckungsmaßnahmen", die Griechenland zu einer "Hölle" machen würden.
Die Bewachung der Grenzen erfordere Tote und diejenigen, die lebendig im Land ankämen, sollten keine Sozialleistungen bekommen, nichts zu essen und zu trinken und keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. "Es muss ihnen schlechter gehen als in ihren Ländern, die Hölle muss ihnen wie ein Paradies erscheinen im Vergleich zu dem, was sie hier erleben werden", schlug Plevris damals vor.
Im Juli 2025, als frisch gebackener Minister für Migration und Asyl, wurde er etwas besonnener - zumindest in der Wortwahl. "Wer keinen Anspruch auf Asyl hat, wird entweder ins Gefängnis kommen oder zurückgeschickt werden", kündigte er an und brachte sofort einen entsprechenden Gesetzentwurf im Parlament ein. Dieser wurde im Hochsommer verabschiedet - mit den Stimmen der Regierungsabgeordneten, aber auch mit denen kleinerer Parteien rechts von der regierenden Nea Dimokratia.
"Griechenland wird keine Migranten aus Deutschland zurücknehmen"
Die neue griechische Abschreckungspolitik in Sachen Flucht und Migration dürfte in Deutschland auf offene Ohren stoßen. In einem Punkt aber sind die Belange der beiden gleichgesinnten Minister, Plevris und Dobrindt, eher kontrovers: Der deutsche Innenminister will mehrere tausend Flüchtlinge zurück nach Griechenland schicken, der griechische Migrationsminister sucht einen Weg, diese Rückführungen zu verhindern. "Griechenland wird auf keinen Fall Migranten aus Deutschland zurücknehmen", betont Plevris immer wieder.
Diese Diskrepanz hat mit der sogenannten Sekundärmigration zu tun. Tausende Flüchtlinge, die in Griechenland als Schutzsuchende anerkannt werden, reisen weiter nach Deutschland, entweder weil sie dort Freunde oder Familienangehörige haben, oder weil sie dort bessere Zukunftschancen erhoffen.
Das Reisen ist für sie legal. Es ist aber illegal, einen zweiten Asylantrag in einem anderen EU-Land zu stellen. Laut Schengen-Regelung dürfen anerkannte Asylbewerber für maximal 90 Tage innerhalb eines halben Jahres frei in andere Staaten der Europäischen Union reisen. Und laut Dublin-Regeln darf ein Geflüchteter nur in dem EU-Ersteinreisestaat (in dem Fall in Griechenland) um Asyl bitten. Es ist aber nicht einfach zu kontrollieren, ob ein in Griechenland anerkannter Flüchtling länger als 90 Tage in Deutschland bleibt. Und es ist nicht klar, wie viele solche "Sekundärmigranten" es gibt. Man geht von 26.000 bis maximal 60.000 Menschen aus, die Dobrindt gern nach Griechenland zurückschicken würde - und die Plevris nicht zurückhaben will.
Für beide Politiker ist es auch ein Kampf um politische Profilierung im Inneren: Sie wollen ihrem Publikum beweisen, dass sie hart mit den "Illegalen" umgehen. Dabei sollten die Rückführungen von ein paar Tausend Menschen eigentlich kein großes Thema im bilateralen Verhältnis sein.
Freiwillige Solidarität, flexible Verantwortung
Das eigentliche Problem für beide Länder ist die langfristige Umsetzung des neuen EU-Asyl- und Migrationsabkommens, das am 1. Juli 2026 in Kraft treten soll. Deutschland und andere nördliche EU-Länder pochen darauf, dass die Dublin-Verordnung für Migration, die die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen an die Außengrenzen verlagert, wieder vollständig in Kraft tritt.
Griechenland und die anderen Mittelmeerländer wollen, dass der vereinbarte Solidaritätsmechanismus greift. Sie würden einen obligatorischen Solidaritätsmechanismus begrüßen, der die Lasten innerhalb der EU gerechter verteilt. Da dies aber im neuen Pakt nicht vorgesehen ist, sehen sie sich selbst auch nicht streng in der Pflicht. Für Griechenland lautet das Schlüsselwort: "flexible Verantwortung". Damit ist gemeint, dass bei einem Anstieg der Ankünfte an den griechischen Grenzen über die Belastungsgrenze des Landes hinaus auch die Weiterverteilung der Flüchtlinge in andere EU-Länder erhöht werden muss. Wenn aber die nördlichen Länder ihre Solidarität, die sowieso nicht verbindlich ist, verweigern, werde Griechenland weniger hart für die strenge Einhaltung der Dublin-Regeln arbeiten.
Die neue Fluchtstatistik
Innenpolitisch ist die Migration überall in der EU ein sehr wichtiges Thema, insbesondere in der Epoche von US-Präsident Donald Trump und dem Aufstieg der rechtsextremen Parteien und ihrer Ideologie in Europa. Dabei gingen die Asylanträge in den 27 Mitgliedsländern der EU zwischen 2024 und 2025 zurück und bleiben fast überall weit unter dem Niveau von 2015.
Nur in den Mittelmeer-Ländern - also an den südlichen, schwer zu überwachenden EU-Außengrenzen - verdoppelten sich die Asylanträge. Von Januar bis September 2025 kamen um die 100.000 Geflüchtete über alle Mittelmeerrouten nach Europa, 42 Prozent der Asylanträge in der EU wurden in Spanien, Italien und Griechenland gestellt.
Was Anträge pro Einwohnerzahl betrifft, ist Griechenland die Nummer Eins in der EU, Zypern kommt an zweiter Stelle. Von 2021 bis heute stehen Spanien, Italien und Griechenland unter zunehmendem Druck. Die Zahl der Ankünfte ist zwar deutlich geringer als 2015, steigt aber seit 2021 langsam und stetig wieder an.
Für die Nachhaltigkeit des Asylsystems ist es entscheidend, dass diejenigen zurückgeschickt werden, die keinen Anspruch darauf haben. Doch im Durchschnitt der gesamten EU wird nur etwa jeder Fünfte, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, in sein Herkunftsland zurückgeschickt.