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Filmische Entdeckung: "Das alte Gesetz"

Jochen Kürten
16. April 2018

Alte Filme anzugucken kann aus vielerlei Gründen lohnen. "Das alte Gesetz" von 1923 erzählt vom Aufstieg eines jüdischen Schauspielers im 19. Jahrhundert - und erinnert auch an die Flüchtlingsthematik von heute.

Filmstill aus dem Film Das alte Gesetz
Bild: ABSOLUT MEDIEN

Geschichte wiederholt sich, wenn auch in veränderter Form - zu dieser Erkenntnis kann man einmal mehr bei der Ansicht des Stummfilms "Das alte Gesetz" kommen. Der Film aus dem Jahre 1923 schildert den Werdegang eines Juden, Sohn eines Rabbiners aus einem galizischen Schtetl, von einem verträumten jungen Mann zum gefeierten Burgschauspieler in Wien. Es ist ein Werk über Ausgrenzung und Assimilation, über Antisemitismus und Vorurteile.

Man muss nicht an die Diskussionen denken, die insbesondere nach dem Sommer 2015 einsetzten, als hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland Schutz suchten. Man darf das aber getrost, gibt der Film "Das alte Gesetz" doch durchaus Anlass dazu, die Parallelen sind zum Teil verblüffend.

Das alte Gesetz: auch ein Film über den klassischen Vater-Sohn-Streit

Im Film von Regisseur E. A. Dupont ist es der junge Baruch Mayer, der seine Heimat verlässt, um sich den Traum zu verwirklichen Schauspieler zu werden. Sein Vater, der Rabbiner im Ort, ist strikt dagegen. Der Sohn wird geächtet, hat dieser doch nach Meinung des Vaters mit seinem Fortgang gegen die alten Gesetze des Judentums verstoßen, noch dazu, weil er einen so unehrwürdigen Beruf wie den des Schauspielers ergreifen will.

Klassischer Konflikt: Der Vater will das "alte Gesetz" hochhalten, der Sohn zu neuen Ufern aufbrechenBild: ABSOLUT MEDIEN

Baruch Mayer verlässt das Schtetl nicht, weil dort Krieg herrscht, sondern weil die kulturelle Prägung seiner Heimat seinen beruflichen Zielen keinen Raum lässt. Aktuell wirkt Duponts fast einhundert Jahre alter Film vor allem durch die Themen, die der Regisseur in der folgenden Handlung anschneidet: Baruch trifft in der Fremde auf Vorurteile und Abneigung, auf Konkurrenzneid und soziale Ablehnung. Vor allem, weil er anders ist, schon rein äußerlich.

Gegen das "alte Gesetz" des Judentums

Auch wenn sich der junge Mann, dessen Herkunft aus der osteuropäischen Orthodoxie nicht zu übersehen ist, wegen seiner beruflichen Ziele von seinen auffälligen Schläfenlocken trennt, seine jüdische Herkunft mag er nicht vollkommen verleugnen: "Wenn Baruch auch das Schtetl verlässt, so trägt er doch das Prinzip der Endogamie weiterhin in sich, eben das 'alte Gesetz' der jüdischen Tradition", schreibt der Filmhistoriker Martin Koerber im Booklet der jetzt erschienenen DVD-Edition. Das trifft bei seiner Umwelt auf Ablehnung.

Kino-Bilder aus dem galizischen SchtetlBild: ABSOLUT MEDIEN

Duponts Filmerzählung endet glücklich, es kommt zu einer Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Auch kehrt Baruch zu seiner Jugendliebe Esther nach Galizien zurück. Der Flirt mit seiner Förderin, der österreichischen Erzherzogin Elisabeth Theresia, bleibt folgenlos. Martin Koerber: "Jenseits der Grenzen der sozialen Assimilation, die durch das Verbot der Mischehe markiert werden, bietet 'Das alte Gesetz' ein Modell für die erfolgreiche kulturelle Integration eines ostjüdischen Einwanderers an, hier durch die Bühnenkunst als eine vielversprechende Möglichkeit für talentierte und ambitionierte junge Künstler."

Restaurierte Fassung jetzt auf DVD auch für zu Hause

E. A. Duponts Stummfilm "Das alte Gesetz" wurde nach langer und aufwendiger Restaurierung bei den Berliner Filmfestspielen 2018 mit einer neuen Musik des Komponisten Phillipe Schoeller im Friedrichstadtpalast vor großer Kulisse wieder in einer Fassung gezeigt, die dem ursprünglichen Film nahe kommt. Jetzt liegt das Werk auch auf DVD vor, sorgsam ediert mit einem ausführlichen Booklet.

Triumph in Wien: Der Rabbinersohn Baruch Mayer schafft als Burgtheaterschauspieler den Durchbruch Bild: ABSOLUT MEDIEN

Der Film ist jedoch nicht nur aufgrund seiner scheinbar inhaltlichen Aktualität von Interesse. Er gilt auch als ein Höhepunkt im Werk des Regisseurs E. A. Dupont. Der Sohn eines bekannten Journalisten, der zunächst in die Fußstapfen seines Vaters trat und später das Filmhandwerk erlernte, hatte im weiteren Verlauf seiner Karriere weniger Glück.

Zwei Jahre nach "Das alte Gesetz" feierte der 1891 in Zeitz geborene Dupont mit seinem Film "Varieté" einen Welterfolg, dessen Ruf ihn bis nach Hollywood bringen sollte. Doch anders als seine Landsleute Lubitsch, Lang oder Murnau konnte sich der als schwierig geltende Dupont dort nicht durchsetzen, drehte noch ein paar Filme, die jedoch kaum Spuren in der Filmgeschichte hinterließen. Mit "Das alte Gesetz" ist ihm 1923 aber ein Meisterwerk gelungen, das auch höchsten ästhetischen Ansprüchen genügt.

Sie kommen nicht zusammen: Henny Porten als Erzherzogin Elisabeth Theresia und Ernst Deutsch als Baruch Mayer Bild: Deutsche Kinemathek

Und so gilt das, was die bedeutendste deutsche Filmkritikerin des vergangenen Jahrhunderts - Lotte H. Eisner - in ihrem berühmten Buch "Die dämonische Leinwand" über den Regisseur und seinen Film schrieb, noch heute: "Er weiß Nuancen bewegt wiederzugeben, sie schimmernd zu beleben, seine Licht- und Schatten-Palette unendlich zu variieren. Er sucht nicht die Reglosigkeit der nur ornamental gesehenen Form, nicht, wie manche deutsche Filmregisseure, eine dekorativ-geometrisch fixierte Stilisierung."

Die DVD mit dem Film "Das alte Gesetz" von E. A. Dupont ist beim Anbieter "absolut medien" in Zusammenarbeit mit der "Deutschen Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen" erschienen. Die restaurierte Fassung wurde mit Hilfe von Filmarchiven in Deutschland, Belgien, Schweden, Frankreich, Tschechien, Russland und den USA erstellt.

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