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Politik

Deutsch-türkischer Stunk bei der NATO?

Daniel Heinrich
31. Mai 2017

Deutschland und Frankreich sollen verhindert haben, dass der nächste NATO-Gipfel in der Türkei stattfindet. Bei der NATO gibt man sich offiziell bedeckt. Dennoch legt der Streit die Gräben zwischen den Partnern offen.

Symbolbild NATO Patriot Einsatz Türkei Sicherheitsbündiss
Bild: picture-alliance/dpa/Bernd Wüstneck

"Können die deutsch-türkischen Beziehungen noch schlechter werden?" Ludwig Schulz seufzt erst einmal ein wenig, dann bemüht sich der Türkei-Experte des Deutschen Orient-Instituts um eine möglichst nüchterne Analyse: "Mit Sicherheit können die Beziehungen noch schlechter werden, aber ehrlich gesagt will man sich das gar nicht ausmalen. Die Liste an Baustellen ist einfach zu lang, die Misstöne auf politischer Ebene schon zu lange zu laut", so Schulz im Gespräch mit der DW.

Schulz: "Lange Liste an Baustellen"Bild: privat

Spricht, schreibt, redet man über den derzeitigen Stand der offiziellen deutsch-türkischen Beziehungen, kommt man gar nicht mehr raus aus den schlechten Nachrichten. Egal, ob die Inhaftierung der deutschen Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu, das Asylgesuch türkischer Soldaten in Deutschland, oder der Streit um den Luftwaffenstützpunkt Incirlik: Es brodelt im Verhältnis Berlin-Ankara.

Der neueste Streit: Schenkt man einem Bericht der Zeitung "Die Welt" Glauben, hat Deutschland mit der Unterstützung einiger anderer Länder, wie beispielsweise Frankreich, verhindert, dass der nächste NATO-Gipfel 2018 in der Türkei stattfindet.

Auf Nachfragen der DW, was an der Geschichte dran sei, macht der stellvertretende NATO-Sprecher Piers Cazalat das, wofür er bezahlt wird: Er versucht die Wogen zu glätten. "Auf dem Treffen der NATO-Führer in der vergangenen Woche hat sich die Türkei als Gastgeber des nächsten NATO-Gipfels angeboten. Allerdings bezog sich das Angebot nicht unbedingt auf das nächste Jahr." 

Cazalet fügt hinzu: "Es wäre auch eine Überlegung wert, den Gipfel im neuen NATO-Hauptquartier in Brüssel abzuhalten. Das eine schließt das andere nicht aus".

"Türkei hat sich von Wertegemeinschaft distanziert"

Dennoch: Dass die Beziehungen zwischen einigen NATO-Ländern und der Türkei angespannt sind, kann auch ein gut formuliertes Pressestatement nicht wegbügeln.

Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO. Sie ist somit drei Jahre länger dabei als die Bundesrepublik, stellt nach den USA das zweitgrößte Heer des Bündnisses und galt in Zeiten des Kalten Krieges als Bollwerk gegen den Kommunismus. Nach dem Putschversuch im vergangenen Jahr hatten Massenverhaftungen von mutmaßlichen Putschisten, Oppositionellen, Journalisten und Berichte über Folter in Gefängnissen dem Land jedoch eine Negativ-Schlagzeile nach der anderen eingehandelt.

Für die Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Anja Opitz hat das auch auf das Verhältnis zur NATO Auswirkungen:

Opitz: "NATO ist mehr als ein Militärbündnis"Bild: privat

"Die NATO ist eben nicht nur ein Militärbündnis, sondern auch eine Wertegemeinschaft", so die Wissenschaftlerin von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Im DW-Gespräch resümiert sie: "Die Türkei hat sich in den letzten Monaten mit großen Schritten von dieser Wertegemeinschaft distanziert. Es wäre daher vollkommen richtig, ein klares Zeichen zugunsten der gemeinsamen Werte zu setzen."

Ankara und Berlin: Streit um Incirlik

Neben Zypern und Kuwait gilt vor allem Jordanien als möglicher Standort für die Stationierung der Bundeswehr

Das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und seinen Bündnispartnern lässt sich anschaulich am Beispiel der Beziehungen zu Deutschland zeigen. Zum wiederholten Mal verweigert die türkische Regierung gerade deutschen Bundestagsabgeordneten das Besuchsrecht auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Dort, im Südosten der  Türkei nahe der syrischen Grenze, sind rund 260 Soldaten der Bundeswehr stationiert. Sie sind Teil einer internationalen Koalition zum Kampf gegen die Terroristen des "Islamischen Staates".

Der Türkei-Experte Ludwig Schulz vermutet, dass die türkische Regierung das Besuchsrecht als politisches Faustpfand nutzen will: "Im Kern geht es Ankara doch um die türkischen Soldaten, die nach dem Putschversuch im vergangenen Juli in Deutschland um Asyl gebeten haben", so Schulz im Gespräch mit der DW. Er könne sich vorstellen, "dass die türkische Regierung anbietet: 'Ihr bekommt das Besuchsrecht wieder, wenn wir ein Mitspracherecht im Umgang mit den Asyl suchenden Soldaten bekommen.'"

Schulz warnt: "Auf so etwas dürfte sich die Bundesregierung nicht einlassen. Das ist mehr als ein Kuhhandel."

Die Frage ist, ob es überhaupt soweit kommen wird. Schon Mitte Mai hatte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dem NATO-Partner Jordanien einen Besuch abgestattet. Ihr Fazit: Die Bundeswehr könne ihren Standort von Incirlik auch nach Jordanien verlegen.

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