Deutsche Abgeordnete ziehen Bilanz nach Turkmenistan-Reise
10. Mai 2007Es war die erste Reise einer Delegation des Menschenrechtsausschusses nach Turkmenistan, und für den Grünen-Politiker Volker Beck war das Fazit eindeutig: "Beim Thema Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokratie kann man feststellen, in Turkmenistan gibt es davon Null Komma gar nichts", sagte Beck nach Rückkehr der Delegation in Berlin.
Schwieriges Erbe des Turkmenbaschi
Bis vergangenen Dezember regierte in Turkmenistan Diktator Saparmurat Nijasow. Turkmenbaschi nannte er sich, Oberhaupt aller Turkmenen, und vornehmste Aufgabe der Regierung war die Pflege seines Personenkultes. Gigantische Bauwerke und Denkmäler wurden zu seinen Ehren errichtet, sein Buch Ruchnama ("Buch des Geistes") stand auf allen Lehrplänen. Reisen ins Ausland waren verboten, und sogar Fremdsprachen zu lernen, stand unter Strafe.
Das letzte, was der Diktator seinem Volk hinterließ, waren massive Kürzungen in der Bildung, im Sozialsystem und im Gesundheitswesen. Den Alten wurden die Renten gestrichen, Krankenhäuser wurden geschlossen, ausländische Universitätsabschlüsse für ungültig erklärt. Die neue turkmenische Regierung hat nun eine vorsichtige Korrektur dieser Politik angekündigt. Im Gesundheitswesen, in der Bildung und in der Sozialversorgung wolle Turkmenistan wieder mehr investieren, versicherte man der deutschen Abordnung unter dem Vorsitz des CDU-Politikers Holger Haibach.
Begrenzter Zugang
Haibach kritisierte die eingeschränkten Möglichkeiten seiner Delegation in Turkmenistan: "Das hätten wir gerne mit eigenen Augen gesehen, aber leider ist keinem dieser Wünsche entsprochen worden. Mir ist es in all den Jahren noch nicht passiert, dass man überhaupt nirgends reinkommt. Und auch die Tatsache, dass es nicht mal möglich ist, in eine Schule reinzugehen, ist schon bemerkenswert", betonte Haibach in Berlin.
Die Parlamentarier waren also vor allem darauf angewiesen, was ihnen ihre Gesprächspartner erzählten. Dazu gehörten Vertreter von Religionsgemeinschaften, von Minderheiten, aber auch Beamte im Regierungsapparat. Und die hatten manchmal ziemlich überraschende Antworten parat. Zum Beispiel als die Abgeordnete Angelika Graf von der SPD nach Gewalt gegen Frauen fragte: "Man hat uns im Brustton der Überzeugung versichert, dass es völlig unturkmenisch sei, Gewalt gegen Frauen auszuüben und folglich gäbe es das auch nicht. Das war die Logik in allen Fragen, wo wir in eine solche Richtung nachgefragt haben", berichtet Frau Graf.
Neue Kontakte zur Außenwelt
Ob von der neuen Regierung wirklich Reformen zu erwarten sind, bleibt deshalb das große Rätsel des neuen Präsidenten Gurbanguli Berdymuchammedow. Ein ermutigendes Zeichen: Seit einiger Zeit gibt es in der Hauptstadt Aschgabad Internetcafes. Zwar kann man davon ausgehen, dass kritische Seiten zensiert werden, dennoch eröffnet das Internet neue Verbindungen zur Außenwelt für die fast völlig abgeschottete Bevölkerung. Mit Sprachkursen und Austauschprogrammen müsse nun der Kontakt der Bevölkerung zur Außenwelt gestärkt werden, fordert der Grünen-Politiker Volker Beck: "Wenn man in diesem Land etwas macht, ist die Bildungsfrage der einzige Ansatzpunkt, denn in allen anderen Fragen verbietet es sich eigentlich fast, weil eben bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit da so gar nichts vorhanden ist. Es gibt keinen Grund dafür, das Regime für diesen Nullstandard auch noch zu belohnen."
Echter Dialog oder Feigenblatt?
Die Bundesregierung arbeitet gerade an einer neuen europäischen Strategie für die Zusammenarbeit mit Zentralasien. Dass der Menschenrechtsdialog Teil dieser Strategie sein soll, ist für den CDU-Politiker Haibach aber noch kein Grund zum Optimismus. Er meint: "Dialoge sind eine sehr gute Veranstaltung, wenn sie wirklich dazu führen, dass Dinge besprochen werden, wenn sie nicht eine Feigenblattfunktion übernehmen. Und da würde ich mir von unserer Bundesregierung wünschen, dass sie ganz klar sagt: Hört mal, das sind die Punkte, unter den Bedingungen können wir mit Euch in den Dialog eintreten, davon hängen auch andere Leistungen oder andere Wünsche nach Zusammenarbeit ab. Da muss man selber dann auch sagen: Das sind unsere Interessen in der Region, weil wir ein Interesse an Stabilität in der Region haben und Stabilität kann nicht durch Unrechtssysteme gewährleistet werden."
Eine neue Regierung in Aschgabad und eine neue Strategie in Europa – ob sich dadurch wirklich etwas ändert, davon wollen sich die Parlamentarier in ein, zwei Jahren auf einer zweiten Reise überzeugen.
Mathias Bölinger
DW-RADIO, 9.5.2007, Fokus Ost-Südost