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Politik

Privatwirtschaft statt Zivilgesellschaft

Daniel Pelz
16. Februar 2017

Passt die deutsche Entwicklungspolitik noch ins 21. Jahrhundert? Im Entwicklungsministerium diskutieren Politiker aus Deutschland und Afrika über einen umstrittenen Kurswechsel.

Tansania Symbolbild Deutsche Zusammenarbeit in Ostafrika
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Rednerliste schien die neue Richtung der deutschen Entwicklungspolitik schon anzudeuten. Politiker und ein Vertreter der Privatwirtschaft standen darauf - Entwicklungsorganisationen nicht.

Beim "Zukunftsforum: Globalisierung gerecht gestalten" am 15. Februar in Berlin sparte Hauptredner Horst Köhler denn auch nicht mit Kritik. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Entwicklungspolitik, auch in der Zivilgesellschaft, mit Hinweis auf ihre guten Intentionen vor allzu grundlegender Kritik schützen möchte", so Köhler. Es tue der Entwicklungspolitik gut, sich einmal von dem "rauen Winden der Gegenwart" durchschütteln zu lassen, so der Altbundespräsident. In seiner Zeit als Staatsoberhaupt und auch als Chef des Internationalen Währungsfonds hatte Köhler den Beziehungen zu Afrika besondere Priorität eingeräumt.

Sein aktuelles Fazit: Der Westen habe in Afrika durch politische Fehler an Glaubwürdigkeit verloren. Zudem gewinne Afrika zunehmend an Selbstbewusstsein. "Lieber Westen, wir betteln nicht mehr um Eure Almosen. Wir werden unseren Weg gehen. Unterstützt uns gerne. Aber die Richtung bestimmen wir": Das höre er oft aus Afrika, so Köhler. 

"Konzepte finden, die wirklich passen"

Afrikanische Stimmen müssten daher im Westen viel stärker gehört werden, forderte Köhler. Nur so könnten entwicklungspolitische Konzepte gefunden werden, die wirklich zu den Bedürfnissen vor Ort passten.

Ex-Bundespräsident Köhler, hier bei einer Veranstaltung im Jahr 2015, will einen Kurswechsel in der EntwicklungspolitikBild: cc-by-nc-Frederic Schweizer

Doch aktuell geschieht aus Köhlers Sicht manchmal eher das Gegenteil. "Wenn nicht mehr das entscheidend ist, was Afrika nachhaltig voranbringt, sondern nur noch das, was die Zahl der bei uns ankommenden Afrikaner reduziert, dann hat das nicht mehr viel mit wirksamer Entwicklungspolitik zu tun", sagte er.

Marshallplan: Inhalt gut, Titel schlecht?

Mit dem Begriff "Marshallplan" fremdle er etwas, sagte der Altbundespräsident unter Verweis auf den "Marshallplan mit Afrika" von Entwicklungsminister Müller. "Er stammt aus einer Zeit des oben und unten, der Sieger und Besiegten", so Köhler. Das neue Strategiepapier macht Vorschläge für eine neue Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa.

Viele Vorschläge aus dem Marshallplan unterstützt Köhler jedoch. Zum Beispiel die verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.  Er hoffe, dass der "etwas folkloristische Abwehrreflex gegenüber dem Privatsektor", den er in Teilen der entwicklungspolitischen Community spüre, überwunden würde, so Köhler: "Wo sollen denn die Millionen Jobs für Afrikas Wirtschaft entstehen, wenn nicht in der Privatwirtschaft?"

Doch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ist umstritten. Kritiker verweisen darauf, dass die Firmen Afrika vor allem als potenzielle Märkte sehen. Vertreter der Zivilgesellschaft werfen einigen ausländischen Firmen - darunter auch deutschen - Landraub oder die schlechte Bezahlung von einheimischen Arbeitern vor.

"Es gibt zwei Afrikas"

Benins Planungsminister Bio Tchane plädierte bei der Veranstaltung in Berlin dennoch für mehr privates Wirtschaftsengagement in Afrika: "Ich würde lieber zehn neue Firmen nach Benin bringen, als zehn Prozent mehr Entwicklungshilfe zu bekommen", sagte er. Der Marshallplan des deutschen Entwicklungsministers sei eine "exzellente Initiative".

Mehr deutsche Firmen sollen in Afrika aktiv werdenBild: Pedro Borralho Ndomba

Zugleich warnte er aber vor zu viel Enthusiasmus: Nicht alle afrikanischen Länder seien für eine neue Zusammenarbeit mit dem Westen schon bereit. Denn wie sein Vorredner Entwicklungsminister Müller betonte, beruhe sein Marshallplan auf der Idee, dass beide Seiten ihr Engagement für Afrikas Entwicklung steigern müssen. "Afrika muss selbst mehr leisten. Die afrikanischen Staaten müssen ihren eigenen Ansprüchen mehr gerecht werden", so Müller.

Politisch und wirtschaftlich gesehen gebe es zwei Afrikas, sagte Tchane. "Ein Afrika ist im Senegal, in Benin oder in Namibia zu sehen. Aber wir haben auch Länder wie Gambia, Gabun oder Burundi." In wirtschaftlicher Hinsicht gebe es also einerseits Reformstaaten, die zu harten Entscheidungen bereit seien. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Länder, die zu selbstzufrieden seien: "Wenn die Preise für Öl oder andere Rohstoffe hoch sind, ist alles gut. Wenn sie aber fallen, sieht man plötzlich ganz andere Strategien."

Doch noch ist völlig unklar, ob sich die deutsche Zusammenarbeit mit Afrika wirklich ändern wird. Im September sind Bundestagswahlen. Wer danach das Entwicklungsministerium führen wird, steht erst fest, wenn die künftige Bundesregierung gebildet worden ist.

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