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Politik

Deutsche Anwälte zeigen Assad an

Nina Werkhäuser
28. November 2016

Deutsche Anwälte haben Strafanzeige gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad erstattet. Gegen ihn soll wegen Kriegsverbrechen ermittelt werden - in Deutschland.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad in Damaskus
Bild: picture-alliance/dpa/Sana Handout

Insgesamt sechs Anwälte haben die Strafanzeige unterzeichnet, in der sie dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad (Artikelbild) "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anlasten. In den von Rebellen besetzten Teilen Aleppos habe die syrische Regierung gezielt Wohngebiete, Krankenhäuser und humanitäre Einrichtungen bombardiert, heißt es in der 37-seitigen Klageschrift, die an den Generalbundesanwalt in Karlsruhe adressiert ist.

Syrische Regierungstruppen hätten bei "wahllosen Luftangriffen" auf Zivilisten in Aleppo Fassbomben, Brandbomben und chemische Waffen eingesetzt. Sie hätten die Zivilbevölkerung eingekesselt und sämtliche Flucht- und Versorgungswege blockiert. "Wir erleben in Aleppo einen Völkermord in Zeitlupe", sagte der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler bei der Vorstellung der Klageschrift in Berlin. "Ich weigere mich zu akzeptieren, dass wir als Bürger und als Anwälte nichts dagegen unternehmen können."

Terror gegen Zivilisten

Insgesamt führen die Kläger 41 "rücksichtslose und unverhältnismäßige Angriffe auf die Zivilbevölkerung" in Aleppo in der Zeit zwischen dem 26. April und dem 11. November 2016 auf. Diese sind - das ist wichtig für die Klage - allesamt gut dokumentiert, sei es durch die Vereinten Nationen oder durch Hilfsorganisationen. Ein besonders drastisches Beispiel ist der Angriff auf einen Hilfskonvoi des Syrisch-Arabischen Roten Halbmondes am 19. September 2016. Die Lastwagen, die Nahrungsmittel und Hilfsgüter für die notleidende Zivilbevölkerung in Aleppo geladen hatten, wurden durch den Beschuss zerstört, die Fahrer getötet.  Ist die deutsche Justiz zuständig? 

Zwei der Kläger: Die Anwälte Jens Dieckmann (links) und Mehmet DaimagülerBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen/

Warum aber sollte sich der Generalbundesanwalt in Karlsruhe mit Kriegsverbrechen in Syrien befassen? Weder Täter noch Opfer sind deutsche Staatsangehörige und es ist höchst unwahrscheinlich, dass Baschar al-Assad deutschen Boden betreten wird. Die Kläger berufen sich auf das Deutsche Völkerstrafgesetzbuch aus dem Jahr 2002. Nach diesem unterliegen solche Verbrechen dem deutschen Strafrecht. Aber es gibt einen Haken: Das Gesetzeswerk gibt nationalen - also syrischen - Gerichten und internationalen Gerichten Vorrang bei der Strafverfolgung.

Hier argumentieren die deutschen Juristen, dass weder syrische Gerichte noch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag in dieser Sache derzeit aktiv werden könnten. Da Syrien kein Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs ist, müsste der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingreifen. Er müsste den Fall an das Gericht in Den Haag überweisen, was die Vetomächte Russland und China aber ablehnen. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts sei also gegeben, so die Kläger. "Schwerste Straftaten geschehen, und sie müssen juristisch adressiert werden", betonte Anwalt Daimagüler. Er sei optimistisch, dass die Bundesanwaltschaft die Strafanzeige "sehr ernsthaft prüfen" werde. Letztlich sei dies aber "eine politische Frage und keine juristische". 

Bezug zu Deutschland

"Deutschland hat sich immer als Förderer der internationalen Strafgerichtsbarkeit gesehen", unterstrich der Bonner Rechtsanwalt Jens Dieckmann, einer der Kläger. Was in Aleppo geschehe, geschehe "ja nicht in einem luftleeren Raum". Es seien Hunderttausende Syrer nach Deutschland geflüchtet - genau wegen solcher Verbrechen, wie sie die Klageschrift auflistet. Hierzulande würden sie von den deutschen Behörden zu ihren Erkenntnissen über Kriegsverbrechen in Syrien befragt. Käme ein Verfahren in Deutschland zustande, gebe es unter den syrischen Flüchtlingen also viele potentielle Zeugen oder auch Nebenkläger. "Sie sollten ein Forum geboten bekommen, um das, was sie erlebt haben, aufzuarbeiten", forderte Anwalt Daimagüler.

Zerstörtes Krankenhaus in AleppoBild: Reuters/A. Ismail

Beweise sichern

Für die Kläger wäre ein solches Verfahren auch eine juristische Investition in die Zukunft: Es könnten Beweise für Kriegsverbrechen der syrischen Regierungstruppen ermittelt und gesichert werden. Einen solchen Beweismittelsatz könnte die Bundesanwaltschaft später bei Bedarf an ein internationales Gericht abgeben. Oder sie könnte einen internationalen Haftbefehl gegen Assad anstrengen.

Die Kläger betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, die Verbrechen anderer Kriegsparteien in Syrien zu missachten. Völkerrechtlich könnten diese aber nicht gegeneinander aufgerechnet werden, sondern müssten separat betrachtet werden. Ein Ermittlungsverfahren gegen Baschar al-Assad in Deutschland, davon ist Anwalt Daimagüler überzeugt, würde auch in Damaskus seine Wirkung nicht verfehlen: "Das wäre ein starkes Zeichen, das wir nicht unterschätzen sollten."

 

Nina Werkhäuser Reporterin
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