Bahn auf der Suche nach der verlorenen Zeit
11. März 2018Stürme, Gewitter und Starkregen sind schuld, findet Bahnchef Richard Lutz: "Für ein Unternehmen, das viel unter freiem Himmel arbeitet, ist die Zunahme extremer Wetterphänomene eine echte Aufgabe." Der "Bild am Sonntag" sagte der Vorstandsvorsitzende, die Deutsche Bahn baue deshalb "mit Hochdruck ein Lagezentrum Pünktlichkeit auf". Dort sollten alle Informationen zusammenlaufen, die die Bahn benötige, um Verspätungen zu minimieren - vor allem bei Unwettern. Wenn die wüten, fallen viele Züge gleich ganz aus.
Daran - und an der wochenlangen Sperrung der für den Nord-Süd-Verkehr zentralen Rheintalbahn zwischen Rastatt und Baden-Baden - habe es dann auch gelegen, so Lutz, dass die Bahn 2017 das postulierte "Pünktlichkeitsziel" nicht erreichte. Die magische Zahl hieß: 81 Prozent aller Fernzüge sollten pünktlich ankommen. Dennoch formuliert Lutz ungerührt: "Unser Ziel im Fernverkehr liegt für dieses Jahr bei 82 Prozent." Im Januar 2018 hat die Bahn das erreicht - allerdings berechnet sie Pünktlichkeit auf ihre eigene Art: Verspätung hat ein Zug erst, wenn er mindestens sechs Minuten nach Fahrplan am Bahnsteig eintrifft. Nur dann zählt ihn die Negativstatistik.
"Verlässlichkeit ist unser oberstes Ziel für dieses Jahr", hatte Lutz am Freitag schon in der "Wirtschaftswoche" beteuert. Er musste aber auch einräumen, es gebe nicht "die eine Stellschraube", an der man drehen könne: "Pünktlichkeit ist eine Kollektivaufgabe."
"Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht"
Im Nahverkehr testet die Bahn seit zwei Wochen eine leuchtende Bahnsteigkante, um die Fahrgäste zum schnelleren Einsteigen zu bewegen und dadurch Verspätungen zu vermeiden. Am Bahnhof Stuttgart-Bad Cannstatt in Baden-Württemberg zeigen im Boden eingelassene Leuchtsymbole vor der Einfahrt des nächsten Zuges, wo die Wagen halten und wo sich die Türen befinden. Offizielles Motto: "Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht." Das könnte in der Pilotregion gut ziehen - Schwaben gelten in Deutschland als besonders ordentliche und pünktliche Zeitgenossen.
Fahrkartenkontrollen im Fernverkehr will die Bahn ab Mai reduzieren - beziehungsweise digitalisieren. Wer eine Platzreservierung habe und sich selbst über sein Smartphone einchecke, werde nicht mehr kontrolliert. Der Zugbegleiter wisse dann, dass auf diesem Platz der eingecheckte Fahrgast sitze.
Nicht nur ihr Pünktlichkeitsziel - auch ihr Gewinnziel für 2017 hat die Deutsche Bahn Aufsichtsratskreisen zufolge verpasst. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) habe 2,15 Milliarden Euro betragen, sagten mit den Zahlen Vertraute am Donnerstag. Das ist zwar ein Plus von rund 200 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Im Sommer war als Ziel jedoch noch ein Betriebsergebnis von mindestens 2,2 Milliarden Euro angekündigt worden. Auch dafür sollen die Herbst- und Winterstürme und die Sperrung der Rheintrasse verantwortlich sein.
hin/jj (dpa, afp, rtr)