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Deutsche Bank: Aktionäre zwischen Wut und Verzweiflung

Henrik Böhme z.Zt. Frankfurt am Main
23. Mai 2019

Die Kritik der Aktionäre war beißend, am Ende aber fiel der Aufstand aus. Aufsichtsratschef Achleitner wurde von der Hauptversammlung entlastet, ebenso Bankchef Sewing. Der hat weiter viel Arbeit.

Deutschland Hauptversammlung Deutsche Bank in Frankfurt
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Paul Achleitner machte dieses Mal kurzen Prozess. Wo es im letzten Jahr noch anderthalb Stunden brauchte, um über einen Antrag abzustimmen, ihm die Leitung der Deutsche-Bank-Hauptversammlung zu entziehen, ließ der umstrittene Aufsichtsratsvorsitzende in diesem Jahr keine Aussprache, sondern nur eine Abstimmung darüber zu. Ergebnis: 99 Prozent der anwesenden Aktionäre stimmten dagegen. Und auch bei der abschließenden Abstimmung über die Entlastung Achleitners erhielt er knapp 72 Prozent der Stimmen. Zuvor hatte sich der Österreicher einiges anhören müssen: "Sie sind der schlechteste Aufsichtsratsvorsitzende in der Geschichte der Bank", rief der Investor Karl Walter Freitag unter dem tosenden Beifall des Publikums aus. Man habe einfach viel zu spät angefangen, die Bank zu sanieren, kritisierte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Und meinte damit nicht den Vorstandschef Christian Sewing, sondern eben Paul Achleitner, in dessen siebenjähriger Amtszeit der Kurs der Aktie über 70 Prozent verloren hat. "Ist die Bank nicht längst ein Übernahmekandidat?"

Aufsichtsratschef Paul Achleitner unter BeschussBild: Reuters/K. Pfaffenbach

"Das werden wir ändern!" 

Eine Antwort blieb Christian Sewing zwar schuldig. Er, seit einem Jahr Chef der Deutschen Bank, redete aber wenigstens nicht um den heißen Brei herum. Er verwies auf erste zarte Erfolge, die die Bank unter seiner Führung erreicht habe. Doch das meistgebrauchte Wort in seiner Rede vor den Aktionären war "ändern". In Bezug auf die Unternehmenskultur der Bank wird er überdeutlich: "Zu oft hatten in unserer Bank diejenigen die Oberhand, die bremsen statt Neues zu ermöglichen, die Altes verwalten, anstatt Chancen zu nutzen." Der werde man gezielt angehen, "indem wir unsere Haltung ändern".

Oder zum Aktienkurs, der zu Beginn des Aktionärstreffens um weitere vier Prozent in den Keller rauschte auf ein 45-Jahres-Tief von 6,35 Euro. Da werde er alles daran setzen, "das sich das ändert". Dann spricht er über eine "Perle des Geschäfts", die sie bei der Bank in den vergangenen Jahren offenbar immer übersehen haben - die sogenannte Transaktionsbank. Dieses Brot- und Butter-Geschäft versprüht weniger Glamour als das Investmentbanking, ist aber unerlässlich für Privat- wie Firmenkunden. Damit sieht sich die Bank als Nummer Eins bei Euro-Zahlungen weltweit und wickelt mehr als fünf Prozent des weltweiten Währungshandels insgesamt ab. Nur habe man das, so Sewing selbstkritisch, zu wenig im Fokus gehabt. Ergo: "Das ändern wir nun."

Proteste gegen die Geschäftspolitik der Deutschen BankBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Zu "harten Einschnitten" bereit

Und er bleibt im Angriffsmodus, wenn er über seine Strategie spricht: "Es wird zu weiteren Anpassungen in unseren Geschäftsbereichen kommen", sagt er zunächst allgemein. Alle Geschäftsbereiche hätten klare Renditevorgaben zu erfüllen. Um sich dann die zuletzt besonders schwächelnde Investmentbank konkret vorzuknöpfen - bis zur Weltfinanzkrise eine Gewinnmaschine, seither das Sorgenkind. "Wir sind zu harten Einschnitten bereit", versichert er den Aktionären. Und schließlich geht er auch auf die Demonstranten ein, die vor der Frankfurter Festhalle ihrem Unmut Luft gemacht hatten, zum Beispiel über die nach wie vor millionenschweren Investments der Bank in fossile Energien. Man arbeite derzeit an konkreten Zielen, verspricht Sewing, künftig weniger Projekte mit fossilen Energieträgern zu finanzieren. Dafür habe er selbst den Vorsitz eines Bank-internen Nachhaltigkeitsrates übernommen.

Für die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer ist das allenfalls ein Feigenblatt. Die Mitorganisatorin der "Fridays for Future"-Proteste in Deutschland nennt die Bank einen "Mittäter der Klimakrise", weil sie einer der drei größten Financiers der Kohleindustrie in Europa sei und auch die Ölsuche in der Arktis finanziell ermögliche. Die Bank gehöre zum "Traurigen Club der Gestrigen". Sewing hört sichtlich interessiert zu und wird später antworten. Er unterstütze ausdrücklich und als als Familienvater die "Fridays for Future"-Bewegung. Die Bank stehe voll hinter den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Dennoch könne man nicht einfach Hals über Kopf sämtliche Geschäftsbeziehungen kappen. Das brauche einfach Zeit. 

     

Klima-Aktivistin Luisa Neubauer: "Mittäter der Klimakrise".Bild: DW/H. Böhme

Gehaltsgefüge bleibt Kritikpunkt   

Am Ende gibt es immerhin braven Applaus für Sewing von den einigen Tausend anwesenden Aktionären im Saal, aber wirklich besänftigen kann er sie nicht. Immer wieder brandet Applaus auf, wenn es um die Verfehlungen der Vergangenheit geht, die bis heute nachwirken und um das aus Sicht der Aktionäre überbordende Vergütungssystem der Bank. Immerhin knapp zwei Milliarden Euro an Boni wurden im vergangenen Jahr wieder ausgezahlt, obwohl die Geschäftszahlen der Bank alles andere als rosig waren - und sind. Zwar sei die Bank ein "Sanierungsfall", aber das sei nicht das wirkliche Problem, bemängelt etwa Marcus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Angesichts des Gehaltsgefüges vermisse er eher den versprochenen Kulturwandel: "Gehen sie doch dahin, wo sie bekommen, was sie zu verdienen meinen!", ruft er den anwesenden Vorstandsmitgliedern zu.

So war es eigentlich wie immer in den letzten Jahren auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank. Hier die beißende Kritik der Aktionäre, dort das um Besserung bemühte Management. Sogar Aufsichtsratschef Achleitner übt sich im Verlauf der Versammlung in Demut. Natürlich habe er Fehler gemacht in den vergangenen sieben Jahren, und: "An einem Denkmal liegt mir nichts, am Wohl der Deutschen Bank aber schon." Überraschung: Im Saal regt sich nichts, kein Beifall, aber auch keine Buhrufe oder Pfiffe. Beinahe könnte man sich fast wünschen, dass es nun endlich besser werde, denn dass die deutsche Wirtschaft eine auch international starke Bank braucht, ist wohl unbestritten.

Wären da nicht die fortwährenden schlechten Nachrichten: Geldwäsche-Vorwürfe an mehreren Fronten samt Razzien, fragwürdige Geschäfte mit dem Trump-Imperium. Auch wenn Christian Sewing betont, dass man die allergrößten Rechtsstreitigkeiten mittlerweile beigelegt habe, bleiben doch Zweifel: "Wenn das langweilig ist", so fragte Klaus Nieding den Vorstandschef der Bank, "dann möchte ich nicht erleben, wenn es mal spannend wird in der Bank."

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