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PolitikChina

Deutsche China-Strategie: Kritischer Umgang statt Abkopplung

13. Juli 2023

Berlin sieht immer mehr Trennendes zwischen Deutschland und China, will aber der deutschen Wirtschaft keine allzu großen Fesseln im Geschäft mit China anlegen.

Zwei Männer in Anzügen vor deutschen und chinesischen Flaggen schauen sich an
Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Xi Jinping: Mehr Rivalität als Partnerschaft zwischen beiden LändernBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass sich die Bundesregierung eine eigene China-Strategie gibt. Sie ist eingebettet in eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie, die ebenfalls neu ist und im Juni vorgelegt wurde.

"China hat sich verändert – dies und die politischen Entscheidungen Chinas machen eine Veränderung unseres Umgangs mit China erforderlich", heißt es gleich zu Beginn. Die Bundesregierung sieht ein immer aggressiver auftretendes China mit Sorge.

Chinesische Militärübung in der Taiwanstraße: wachsende geopolitische Spannungen Bild: An Ni/Xinhua/AP/picture alliance

Die China-Strategie ist der Versuch, die große Abhängigkeit Deutschlands von dem Land abzubauen, ohne die Kontakte aufzugeben. Wie wichtig die Wirtschaftsbeziehungen für beide Seiten sind, zeigt das Handelsvolumen: China war 2022 zum siebten Mal in Folge wichtigster Handelspartner. 2022 betrug der Warenaustausch knapp 300 Milliarden Euro. Es steht also viel auf dem Spiel.

Kanzler Olaf Scholz gegen Außenministerin Annalena Baerbock

Bundeskanzler Olaf Scholz von den Sozialdemokraten und deutsche Wirtschaftsverbände haben sich deshalb auch dafür eingesetzt, dass die Strategie nicht zu restriktiv ausfällt. Mit dem Ergebnis, dass die Vorgaben für deutsche Unternehmen, die zu einer Diversifizierung und Investitionen auch in anderen asiatischen Staaten angehalten werden, eher allgemein gehalten sind – zum Ärger der Grünen in der Regierungskoalition.

Vor allem die grüne Außenministerin Annalena Baerbock hatte seit dem Antritt der Regierung einen härteren Kurs gegenüber China eingeschlagen und Menschenrechtsverstöße dort offener angesprochen. Mit scharfen Konsequenzen: Bei einem Auftritt mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang im April in China gab der zurück: "Was China am wenigsten braucht, sind Lehrmeister aus dem Westen."

Abkehr von Merkels China-Politik

Während der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (2005-2021) herrschte Aufbruchstimmung. Der Handel wuchs rapide, Merkel blieb in ihrer Kritik leise. Als eine Art Krönung der deutsch-chinesischen Beziehungen wurden sie 2014 zur "umfassenden strategischen Partnerschaft" erklärt.

Angela Merkel, hier 2021 kurz vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft, hielt sich mit Kritik zurückBild: Liu Bin/XinHua/dpa/picture alliance

Doch das Trennende nimmt seit einigen Jahren zu – beziehungsweise wird in Berlin stärker wahrgenommen und auch angesprochen als früher. Ob es Chinas "felsenfeste Freundschaft" mit Moskau trotz Ukraine-Invasion ist, die wachsenden Spannungen in der Taiwanstraße, die Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China oder der beklagte Technologieabfluss aus Deutschland - von Partnerschaft ist immer weniger die Rede und immer mehr von Rivalität. Das sieht man auch in anderen europäischen Hauptstädten so und erst recht in Washington, wo man verstärkt Druck auf die Bundesregierung ausübt.

Thorsten Benner, Direktor der Berliner Denkfabrik Global Public Policy Instutute, nennt es gegenüber der DW "erfreulich, dass sich die Strategie sehr entschlossen von den Blütenträumen einer umfassenden strategischen Partnerschaft mit China verabschiedet, die Angela Merkel auch noch mit Präsident Xi verfolgt hat. Diese deutliche Abkehr war dringend notwendig."

Handelskammerchef warnt vor missionarischem Auftreten

Die deutsche Wirtschaft kann offenbar mit der Strategie leben. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, begrüßt sie grundsätzlich, warnt aber noch einmal: "Die Gefahr besteht, dass unternehmerische Handlungsdynamik zu weit eingeschränkt und so Wohlstandsgenerierung und Innovation unnötig behindert wird."  

Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, hatte während der Beratungen gegenüber der Deutschen Presseagentur den Begriff "Wandel durch Handel" verteidigt. Das sei zwar kein Automatismus. "Aber ich bin mehr als skeptisch, ob der Verzicht auf Handel zu mehr positivem Wandel oder einer besseren Welt führen würde. Eher im Gegenteil. Denn wenn wir im Austausch sind, können wir andere besser verstehen sowie Teile unserer Werte und Kultur vermitteln." Adrian warnte vor allem vor einem missionarischen Auftreten. Man dürfe nicht als Besserwisser wahrgenommen werden.

VW in China: China ist seit Jahren Deutschland wichtigster HandelspartnerBild: Xing Yun/Costfoto/picture alliance

Die Frage ist jetzt, ob der Spagat gelingt, den Handel zu diversifizieren und Abhängigkeit von China in kritischen Bereichen zu verringern, aber dabei das Geschäft nicht zu gefährden. Thorsten Benner nennt die Strategie "ein erfrischend realistisches Dokument mit einem ambitionierten Hausaufgabenheft, das es jetzt mit Nachdruck umzusetzen gilt".

"Teilweise etwas blauäugig" nennt er aber die Strategie, wo sie etwa eine engere Zusammenarbeit mit China in Klimafragen anstrebt, denn der angestrebte offene wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Austausch werde von Peking mit seiner Einparteienherrschaft unmöglich gemacht.

Chinesische Kritik: China ist kein Gegner

Olaf Scholz hat beim NATO-Gipfel im litauischen Vilnius vor Journalisten noch einmal betont, es gehe nicht um ein Abkoppeln von China, sondern um eine Minimierung des Risikos ("de-risking" und kein "de-coupling"). Und Außenministerin Baerbock ergänzte, die Botschaft sei, "dass wir gemeinsam mit allen Partnern auf dieser Welt, mit allen Ländern auf dieser Welt in Frieden und Freiheit leben wollen – und dass wir zugleich nicht naiv sind".

Chinas Außenminister Qin Gang mit Amtskollegin Annalena Baerbock: "Wir brauchen keine Lehrmeister aus dem Westen."Bild: Kira Hofmann/photothek/IMAGO

Beide Äußerungen dürften versöhnlich gegenüber China gemeint gewesen sein. Aber die chinesische Botschaft in Berlin reagierte sehr schnell und sehr verärgert auf die Strategie. "China ist Deutschlands Partner in der Bewältigung von Herausforderungen und kein Gegner", hieß es in einer ersten Reaktion, die in chinesischer Sprache auf der Internetseite der Botschaft veröffentlicht wurde. Eine ideologische Betrachtungsweise Chinas verschärfe Missverständnisse und schade dem gegenseitigen Vertrauen. Die Passagen zu Taiwan und zur Menschenrechtslage wertete die chinesische Botschaft als Einmischung in innere Angelegenheiten und die geplante Verringerung von Abhängigkeiten als Risiko für die Wiederbelebung der Wirtschaft und für die globale Stabilität.

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