Deutsche Drohnen-Allianz mit Taiwan?
1. Juli 2025
Deutschland importiert mehr Drohnen aus Taiwan. Das zeigt die jüngste Statistik vom Forschungsinstitut für Demokratie, Gesellschaft und neue Technologien (DSET) in Taipeh. Damit ist Deutschland im ersten Quartal 2025 zum zweitgrößten Abnehmer der unbemannten Luftfahrzeuge von Taiwan geworden, direkt hinter Polen.
"Wir versuchen, bei der Beschaffung von Drohnen unabhängiger vom Festland China zu werden", sagt Verena Jackson vom Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr in München. Obwohl China mit einem geschätzten Anteil von 70 bis 80 Prozent an der weltweiten Produktion nach wie vor den globalen Drohnenmarkt anführt, entwickelt sich Taiwan laut Jackson zu einem "aufstrebenden Stern" in der Lieferkette.
"Der Vorteil für taiwanesische Unternehmen besteht darin, dass sie Drohnen ohne Zulieferung vom Festland produzieren. "Das ist für die europäischen Partner sehr attraktiv", sagt Hong-Lun Tiunn, Forscher und Autor der DSET-Studie.
Seit 2022 verstärkt die taiwanesische Regierung ihre Bemühungen, eine eigene Drohnenproduktion aufzubauen und eine "nicht-kommunistische" Lieferkette zu schaffen. Dies ist Teil der neuen Verteidigungsstrategie zur Vorbereitung auf eine mögliche Invasion durch China. Peking sieht die Insel als eine abtrünnige Provinz. Ein Gesetz legitimiert die Anwendung von Waffengewalt, falls Taiwan die Unabhängigkeit erklären sollte. "In einem Kriegsszenario muss Taiwan über eigene Rüstungskapazitäten zur Herstellung von allen Komponenten einer Drohne verfügen", sagt Tiunn.
Europa kauft mehr Drohnen von Taiwan als die USA
In der zweiten Hälfte 2024 hat Europa laut dem DSET-Bericht die USA als wichtigstes Exportziel taiwanesischer Drohnen überholt. Zuvor hatte China die Exportkontrollen für Drohnen und Komponenten, insbesondere solche mit militärischen oder sogenannten dual-use Möglichkeiten, also Drohnen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, verschärft. Die neuen Regelungen gelten für alle Handelspartner der Volksrepublik.
Viele Analysten glauben, dass Pekings Exporteinschränkung als symbolisches Entgegenkommen interpretiert werden müsse. China wolle nicht als Unterstützer des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gesehen werden. In diesem Krieg werden viele bewaffnete Drohnen eingesetzt. Im Dezember 2024 hatte die Europäische Union Sanktionen gegen vier chinesische Unternehmen wegen der "Lieferung sensibler Drohnenkomponenten und mikroelektronischer Bauteile” an die russischen Streitkräfte beschlossen.
Ex-Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte während ihres Besuchs in Peking 2024 ebenfalls, dass Drohnen aus den chinesischen Fabriken "den Frieden in Mitteleuropa angreifen" und "die zentralen Sicherheitsinteressen Europas" verletzen würden.
Taiwan will liefern
Allerdings komme Deutschland ohne chinesische Zulieferung nicht aus, räumt Expertin Verena Jackson von der Universität der Bundeswehr ein. "Wir sind jetzt insgesamt sehr stark von chinesischen Drohnen abhängig, sowohl von kompletten Drohnen als auch von Teilen." Eine vollständige Trennung sei unrealistisch - zumindest noch.
Gleichwohl arbeite Deutschland daran, die Kernkomponenten wie Software, Sensoren und Chips zu diversifizieren. Diese Bereiche stellen ein hohes Risiko für die Sicherheit Deutschlands dar. Bei der Aktualisierung der Software der Drohnen zum Beispiel sei das Risiko für Datenpannen sehr groß. "Es ist im Grunde genommen eine offene Tür, durch die alle Informationen aus Deutschland nach außen gelangen und dann an ausländische Geheimdienste weitergeleitet werden könnten", sagt Jackson.
Noch sei der Marktanteil taiwanesischer Drohnenhersteller in Deutschland klein, sagt Forscher Tiunn gegenüber DW. "Die Komponenten, die wir nach Deutschland liefern wollen, sind Kernkomponenten wie Motoren und Chips und unsere IT-Erfahrung in der Systemintegration."
Aktuell boomt die Drohnenproduktion in Süddeutschland. Dort suchen viele Start-ups neue internationale Partnerschaften mit Taiwan. Sie seien im Gegensatz zu den etablierten Unternehmen, die seit Langem Beziehungen zu chinesischen Lieferanten unterhalten, deutlich offener, betont Jackson.
Anfang Juni unterzeichnete das taiwanesische Verteidigungsministerium eine Vereinbarung mit der Firma Auterion. Der Hersteller von Drohnensoftware sitzt in der US-Stadt Arlington, unweit vom US-Verteidigungsministerium. Der Hauptsitz in Europa befindet sich in München. Die Software wurde von der Ukraine im Krieg gegen russische Aggression erprobt. Nun will Taiwan ihre Kampfdrohnen mit der Software ausstatten.
Großer Eigenbedarf
Doch in erster Linie braucht Taiwan die Drohnen selbst. Die Inselrepublik will nach eigenen Angaben 180.000 Drohnen in den kommenden drei Jahren produzieren. Die aktuelle jährliche Produktionskapazität reicht nur für 8.000 bis 10.000 Einheiten. Wer ohne chinesische Komponenten Drohnen produzieren will, bei dem kostet es mehr und dauert länger.
Priorität habe derzeit die Vereinheitlichung der Datenstandards der Drohnen mit der US-Armee, sagt Cathay Fang, Politikanalystin der Denkfabrik DSET. "Die Cybersicherheit taiwanesischer Drohnen muss im Einklang mit den US-Sicherheitsinitiativen für unbemannte Flugsysteme (UAS) verbessert werden."
Die Abgleichung mit den USA wird die Drohnen "Made in Taiwan" auf dem europäischen Markt noch attraktiver machen. "Wenn wir sehen, dass die USA und Taiwan eng zusammenarbeiten, würden deutsche Unternehmen sicherlich folgen", sagt deutsche Expertin Jackson.
Allerdings müssten die strikten Vorgaben der EU bei öffentlichen Beschaffungen beachtet werden. "Unsere Ausschreibungen sind sehr kostenorientiert. Chinesische Firmen liefern nach wie vor zu den kostengünstigsten Konditionen. Die Umsetzung von Cybersicherheit oder Sicherheitsaspekten braucht deswegen mehr Zeit."
Im vergangenen Jahr hat die Bundeswehr Berichten zufolge die Beschaffungsverfahren für kleine kommerzielle Drohnen von chinesischen Unternehmen, darunter dem Weltmarktführer für Consumer-Drohnen Da-Jiang Innovations Science and Technology, kurz DJI, vereinfacht. Die Abwägung von Kosten und Sicherheit schlagen offensichtlich nicht immer zugunsten der Sicherheit aus.
"Das Bewusstsein und die Bereitschaft zu handeln entwickeln sich langsam in Deutschland. Aber sie sind sicherlich noch nicht an dem Punkt, der ausreichend ist", resümiert Expertin Jackson von der Universität der Bundeswehr.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan.