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Deutsche Entwicklungshilfe: Die Wirtschaft soll ran

Tina Gerhäusser
13. Oktober 2025

Wirtschaftskooperation ist der neue strategische Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die zuständige Ministerin Alabali Radovan will deutsche Unternehmen für Investitionen im Globalen Süden gewinnen.

Reem Alabali Radovan  vor einem bunten Hintergrund an einem Rednerpult
Reem Alabali Radovan bei der Konferenz zur Neuausrichtung der EntwicklungspolitikBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Nach den Haushaltskürzungen von acht Prozent auf 10,3 Milliarden in diesem Jahr schärft das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) sein Profil. Ein strategischer Schwerpunkt: mehr wirtschaftliche Kooperation mit ausgewählten Staaten des Globalen Südens. Ganz bewusst präsentiert Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan ihren Aktionsplan "Starke Partnerschaften für eine erfolgreiche Wirtschaft weltweit" unlängst vor deutschen Wirtschaftsverbänden und Unternehmensvertretern in Berlin - und in Begleitung von Finanzminister Lars Klingbeil

Die SPD-Politikerin warb um private Investitionen: "Deutschland braucht Partner im Globalen Süden, das macht unsere Wirtschaft stark für die Zukunft." Wenn Partner wie die USA unsicherer würden, müsse man sich breiter aufstellen. "Damit setzen wir auch ein klares Zeichen in Regionen, in denen Russland und China immer mehr an Einfluss gewinnen", so Alabali Radovan.

Was ist neu?

Künftig sollen Wirtschaftsverbände und einzelne Unternehmen schon mitreden, bevor Regierungsverhandlungen mit strategisch wichtigen Partnern beginnen - in Kürze etwa im westafrikanischen Ghana. Insgesamt soll die deutsche Wirtschaft in die Auswahl von fünf "aufstrebenden Volkswirtschaften" einbezogen werden. "Indien wird ein  Leuchtturm dieses neuen, ganzheitlichen Ansatzes sein", heißt es im Aktionsplan.

Vizekanzler Lars Klingbeil begleitete Alabali Radovan zu der Strategie-KonferenzBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Das BMZ will außerdem dafür sorgen, dass Aufträge in der Entwicklungszusammenarbeit häufiger an deutsche oder europäische Unternehmen gehen, indem Ausschreibungskriterien angepasst und Firmen in Einzelfällen auch schon an der Projektentwicklung beteiligt werden. Durch die G20-Initiative "Compact with Africa" sollen Reformen in den Partnerländern angestoßen werden, damit sich private Investitionen lohnen. Hier arbeiten BMZ und Bundesfinanzministerium zusammen.

Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) forderte, sich gleichzeitig für Wertschöpfung vor Ort, für Schuldenrestrukturierung und die Bekämpfung von Geldwäsche einzusetzen - und China Konkurrenz zu machen. "Chinesische Investitionen in Infrastruktur und chinesische Kredite, die zur Verfügung gestellt werden, erscheinen in manchen Ländern des Globalen Südens als attraktives Angebot, das wir mit unserer Entwicklungszusammenarbeit zu lange nicht gemacht haben", so Klingbeil.

Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent: ausbaufähig…!

Deutsche Unternehmen haben zuletzt in einem Jahr 13 Milliarden Euro direkt auf dem afrikanischen Kontinent investiert, das entspricht lediglich einem Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen - so die Zahlen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE). Der parlamentarische Staatssekretär im BMWE, Stefan Rouenhoff, plädierte dafür, Entwicklungsmittel "flankierend" einzusetzen, um Risiken für deutsche Unternehmen zu mindern und Markteintritte zu erleichtern. Deutschland habe 2024 rund 7,8 Milliarden an neuen Mitteln für Partnerstaaten zugesagt, über Entwicklungsbanken werde zudem ein Vielfaches dieses Betrages an Krediten mobilisiert - aber, so Rouenhoff: "Leider profitieren viele deutsche Unternehmen nicht davon." Vor allem Rohstoffprojekte müssten vorangetrieben werden.

Arbeiter einer Kobalt- und Kupfermine in der Demokratischen Republik KongoBild: Emmet Livingstone/AFP/Getty Images

BMZ und BMWE wollen bis Ende des Jahres einen Maßnahmenkatalog verabschieden. "Gerade bei Kobalt und Kupfer führt kein Weg am Globalen Süden vorbei", sagte Entwicklungsministerin Alabali Radovan - und sorgte bei der Veranstaltung in Berlin auch für Stirnrunzeln: Im Publikum fragte sich ein etwa langjähriger Profi in der Entwicklungszusammenarbeit, wo zentrale Ansätze wie Menschenrechte und Demokratie geblieben seien: "Ist das noch Entwicklungszusammenarbeit oder reine Außenwirtschaft?"

Kooperation statt Charity

Die aus Nairobi zugeschaltete Managerin Debra Mallowah, Afrika-Chefin des Chemie- und Pharmariesen Bayer, forderte, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen müssten ein Kompass für die Praxis bleiben. "Wir müssen weg von der Co-Finanzierung von Projekten hin zur Co-Erfindung von Lösungen!", sagte Mallowah, "Afrikanische Landwirte brauchen keine Sympathie, sie brauchen Systeme, die funktionieren." Das könne nur erreicht werden, wenn der öffentliche und der private Sektor zusammenarbeiten. Bayer investiere beispielsweise 32 Millionen Euro  in Sambia,  um hochwertiges Hybridsaatgut herzustellen. Damit könne Mais für rund 30 Millionen Menschen im Jahr angebaut werden, so Mallowah.

Mehr Risikofreude wollte Weltbank-Präsident Ajay Banga wecken. Sein Best-Practice-Beispiel aus Indien sollte die Deutschen inspirieren: Die Weltbank und der US-Konzern Google haben mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein Tool entwickelt, das Landwirten direkt auf dem Handy das passende Insektenschutzmittel für ihr Getreide anzeigt und dazu die Information, wo man das Mittel in der Nachbarschaft bekommt.

"Eine echte Lösung gibt es nur, wenn Jobs für junge Menschen geschaffen werden", sagte Banga. Wenn 800 Millionen junge Menschen in den nächsten 15 Jahren keine Hoffnung hätten, Geld zu verdienen, könne man sich die Folgen vorstellen: "mehr illegale Einwanderung nach Europa". Um das zu verhindern, wollen BMZ und Weltbank gemeinsam Ideen entwickeln. Die nächste Gelegenheit dafür bietet die Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds in dieser Woche - die deutsche Entwicklungsministerin reist persönlich nach Washington.

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