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Politik

Deutsche Eurofighter über Japans heiligem Berg Fuji

Martin Fritz aus Tokio
29. September 2022

Deutschland und Japan arbeiten militärisch enger zusammen, die Kooperation wird jedoch ganz unterschiedlich interpretiert. Martin Fritz aus Tokio.

Japan Luftwaffenstützpunkt Hyakuri | Besuch deutsche Luftwaffe, Eurofighter
Bild: Kento Nara/Geisler-Fotopress/picture alliance

Drei deutsche Kampflugzeuge über Japan mit deutschen Soldaten an den Steuerknüppeln gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg, als die beiden Länder als faschistische Achsenmächte verbündet waren, jedoch nie ein gemeinsames Luftmanöver. Doch auch hier kommt es zu einer Zeitenwende: Am Mittwoch (28.09.) begrüßten sich der deutsche Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz in einem Eurofighter und der japanische Stabschef der Luftverteidigungsstreitkräfte, Shunji Izutsu, in einer Mitsubishi F-2 nahe dem Berg Fuji und übten eine Formation von insgesamt sechs Kampfflugzeugen. Beide Offiziere saßen selbst in der Kanzel und verliehen der Begegnung damit eine spezielle Bedeutung. 60 deutsche Soldatinnen und Soldaten landeten auf der Luftwaffenbasis Hyakuri nordöstlich von Tokio.

Am nächsten Tag kündigten die zwei Offiziere an, ihre Zusammenarbeit bei den Manövern "Talisman Sabre 2023" und "Pitch Black 2024" in Australien fortzusetzen. "Wir haben gezeigt, dass wir sowohl den NATO-Luftraum sichern als auch unsere Flugzeuge schnell nach Asien verlegen können", erklärte Luftwaffeninspekteur Gerhartz. Deutschland könne von Japan lernen, wie man die hochmodernen F-35 Tarnkappenbomber bedient. Deutschland sei noch bei der Beschaffung, Japan setze die Flugzeuge bereits ein, sagte der Generalleutnant und Luftwaffenchef. "Die Sicherheit in Europa und im Indopazifik sind untrennbar miteinander verbunden", bekräftigte sein japanischer Amtskollege Izutsu. Später joggten die beiden Männer mit anderen Soldaten zusammen zum Kaiserpalast in Tokio.

Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz mit Amtskollegen Shunji Izutsu (r.)Bild: Keizo Mori/newscom/picture alliance

Mehr Aktivitäten im Indopazifik-Raum

Die Verlegung deutscher Kampfflugzeuge von Singapur nach Japan war Teil der Militärübung "Rapid Pacific 2022". Dabei flogen sechs deutsche Eurofighter und je vier Transport- und Tankflugzeuge Mitte August zunächst nach Singapur. Anschließend nahmen diese Maschinen an einem internationalen Manöver mit 16 Nationen in Australien teil. Der Formationsflug am Fuji war schon der zweite deutsche Militäreinsatz in Japan nach dem Besuch der Fregatte "Bayern" in Tokio und Yokosuka im November 2021. Denn noch unter Kanzlerin Angela Merkel hatte Deutschland sich erstmals Leitlinien für eine eigene Indopazifik-Politik gegeben.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht unterstrich im Interview mit der Zeitung "Japan Times", Deutschland wolle sich langfristig im Indopazifik engagieren. „Die militärische Aufrüstung in der Region nimmt an Fahrt auf, die geopolitischen Spannungen verschärfen die Territorialkonflikte und die Gefahr einer Eskalation nimmt zu", zitierte die Zeitung Lambrecht. "Wir sind uns bewusst, dass die euro-atlantische Sicherheit und die Sicherheit im indopazifischen Raum miteinander verbunden sind."

(Archiv) Fregatte "Bayern" in Tokio im Novermber 2021Bild: Kyodo/picture alliance

Jedoch ordnen Deutschland und Japan diesen Schritt unterschiedlich ein. Die japanische Seite sieht darin eine Reaktion auf Chinas Hegemoniestreben. "Die Übungen haben gezeigt, dass Deutschland in der Lage ist, seine Luftstreitkräfte einzusetzen, die im Krisenfall schneller am Zielort eintreffen als Schiffe", sagte Michito Tsuruoka, Professor an der Keio Universität in Tokio, der Zeitung Nikkei. "Das ist eine starke strategische Botschaft mit Blick auf China." In Peking scheint es eine ähnliche Wahrnehmung zu geben: Dass die alten Achsenmächte wieder zusammen trainieren, erzeuge Sorgen, schrieb die Global Times, das Sprachrohr von Chinas KP, vergangene Woche.

Windeln für Piloten

Davon will Deutschland jedoch nichts hören. "Unser Einsatz in Japan ist kein Signal gegen irgendjemanden", beteuerte Luftwaffeninspekteur Gerhartz. "Wir sind unbewaffnet auf internationalen Routen geflogen und haben niemanden provoziert." Solche Aussagen beäugen einige Analysten skeptisch. "Die deutsche Indopazifik-Strategie wird zunehmend militarisiert und trägt wenig dazu bei, die Eskalationsrisiken der Region zu entschärfen", meint Sicherheitsexperte Sebastian Maslow von der Shirayuri Frauenuniversität in Sendai.

Ankunft von deutschen Eurofightern in JapanBild: Kento Nara/Geisler-Fotopress/picture alliance

Jedenfalls stehen Deutschland und Japan derzeit unter selten ähnlichem Handlungsdruck. Beide Länder richten gerade ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu aus - Deutschland wegen der russischen Invasion in der Ukraine, Japan wegen der verstärkten Bedrohung von Taiwan durch China. Sowohl Berlin als auch Tokio planen eine drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Zugleich wollen sie sich international stärker engagieren. "All das wird Teil der neuen nationalen Sicherheitsstrategien sein, die Berlin und Tokio noch in diesem Jahr vorstellen werden", kommentiert Experte Maslow. "Wir werden sehen, wie die neue deutsch-japanische Sicherheitszusammenarbeit dazu beitragen kann, europäische, amerikanische und japanische Interessen im Indopazifik zu verknüpfen. Erst dann wird sich zeigen, ob es sich um mehr als Symbolpolitik handelt."

Der militärische Wert der Verlegung von deutschen Kampflugzeugen in den Fernen Osten scheint jedenfalls eher begrenzt zu sein. Auf den extremen Langstrecken zwischen Deutschland, Singapur und Japan müssen Piloten mangels Bordtoilette offenbar eine Windel tragen "Der Geist ist stark, aber das Fleisch ist schwach", belustigte sich der chinesische Militärexperte Zhang Xuefeng darüber in der Global Times.