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EU-Ratspräsidentschaft

Michaela C. Hertkorn30. Juni 2007

Michaela C. Hertkorn blickt in einem Gastkommentar aus der transatlantischen Optik zurück auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Abschluss der deutschen EU-Ratspräsidentschaft betont, dass sie ein Europa der zwei, oder mehreren Geschwindigkeiten für keine taugliche Option halte. Damit blieb die Bundeskanzlerin einem Kurs in der Europapolitik verpflichtet, der sich bereits vor ihrem Amtsantritt im Herbst 2005 abzeichnete. Damals, im Sommer 2005, nach einem ersten Besuch in Paris, betonte sie, die deutsch-französischen Beziehungen seien von zentraler Bedeutung für die weitere europäische Integration; jedoch dürften sie nicht zu Lasten anderer europäischer Nachbarn gehen.

Das Dilemma, welchem sich die EU seit Jahren gegenüber sah, lässt sich wie folgt zusammenfassen: "Vertiefung" oder "Integration" standen einer fortschreitenden "Erweiterung" der Union gegenüber; was so viel bedeutete, als dass die Institutionen der EU zuerst erfolgreich reformiert werden sollten, bevor weiteren EU Anwärtern die Möglichkeit für Aufnahmeverhandlungen mit der EU gegeben würde.

Nach der Aufnahme von zwölf neuen Mitgliedern seit 2004 stellen die nunmehr 27 Mitgliedsstaaten nicht zuletzt institutionell den Europäischen Rat bei jeder Abstimmung vor größere Herausforderungen, als dies bei einer Union von 15 Mitgliedern der Fall war. Die deutsche EU Ratspräsidenschaft strebte die "Rettung" der EU-Verfassung an. Dabei ist zu betonen, dass der ursprüngliche Verfassungstext durchaus vernünftige Reformen vorsah, zum Beispiel die Stärkung des Europäischen Parlamentes.

Wesentliche Eckpunkte des neuen Reformvertrages, auf den sich die EU-Mitglieder nunmehr einigten, betreffen unter anderem eine Ratspräsidentschaft, die künftig zweieinhalb Jahre dauern soll; einen Hohen Beauftragten für die EU-Außenpolitik; und eine Reduzierung der Gesamtzahl der EU-Kommissare von bisher 27 auf 15 im Jahre 2014.

Der augenscheinlichste Unterschied zwischen Verfassung und Reformvertrag besteht in seiner Länge. Die von Gegnern - ob Politiker, Bürger oder Blogger - bemängelte Verfassung umfasste insgesamt 485 Seiten. Was also 2004 als hart erkämpfter Kompromiss erreicht wurde, erlitt 2005 nicht umsonst eine Niederlage. Damals erteilten Bürger zweier Länder der Verfassung eine deutliche und, für EU-Bürokraten, peinliche Absage.

Wieso also befasste sich die Deutsche EU Ratspräsidentschaft schwerpunktmäßig damit, die EU Verfassung am Leben zu erhalten? Wie am 27. Juni 2007 aus dem Bundeskanzerlamt vermeldet wurde, konnte die Substanz der zuvor gescheiterten Verfassung erhalten werden. Obgleich die Idee eines gemeinsamen EU-Außenministers aufgegeben worden sei, bedeute die Einigung auf einen "Hohen Vertreter" für die EU-Außenpolitik einen "politischen Quantensprung". Groβe Fortschritte seien außerdem im Bereich der Klima- und Energiepolitik erzielt worden.

Das Britische Magazin "The Economist" argumentierte am 23. Dezember 2006, die Bundesrepublik verwende zu viel Energie auf die Rettung der EU-Verfassung. Dies mache keinen Sinn, da in Großbritannien und Frankreich ein Regierungswechsel anstünde. Befand sich die deutsche Präsidentschaft zeitweise in der "Verfassungs-Falle"? Manches deutet darauf hin: In einem ersten bilateralen Treffen zwischen Merkel und Frankreichs neuem Präsidenten, Nicolas Sarkozy, am 16. Mai 2007, stand die EU-Verfassung noch "hoch auf der Gesprächsagenda". Ein Monat später hieß es, man werde den EU-Partnern auf dem EU-Gipfel den Vorschlag unterbreiten, die Verfassung aufzugeben. Offensichtlich war in einer Reihe von bilateralen Gesprächen klar geworden, dass der Widerstand gegen eine Aufgabe der Verfassung gewichen war.

Inwieweit kann die jetzige Einigung auf einen "Nachfolge-Reform Vertrag" als Erfolg der Deutschen Präsidentschaft gewertet werden? Zum einen hängt die Zukunft der EU als globaler Akteur von der Fähigkeit ab, institutionell handlungsfähig zu bleiben. Andererseits erlauben die jetzt vereinbarten institutionellen Reformen die fortschreitende Erweiterung der Union. Während künftige EU-Mitgliedschaften, die über die Verhandlungen mit Kroatien hinausreichten, noch vor wenigen Wochen an die Ratifizierung der EU-Verfassung geknüpft waren, verschaffte die jetzige Einigung künftigen Verhandlungen ein neues Momentum. Ob sich dies auf die Mitgliedschancen der Türkei auswirken dürfte, ist fraglich.

Der Abschied von der EU Verfassung kommt allemal einer Abkehr von der "Föderation Europäischer Nationen" nach den Vorstellungen des früheren Deutschen Außenministers, Joschka Fischers, gleich. Es ist nicht zuletzt deutscher Auβenpolitik unter der jetzigen Regierung zu verdanken, daβ sich die transatlantischen und innereuropäischen Spannungen während der vergangenen ein bis zwei Jahre gelegt haben, und dass sich vor allem die US-Regierung unter George W. Bush zum ersten Male einer gemeinsamen Politik zum Klimaschutz während des G8-Gipfels in Heiligendamm nicht mehr verschloss.

Der Erfolg deutscher Europapolitik liegt somit in der Reintegrierung der beiden untrennbar miteinander verbundenen Säulen deutscher Auβenpolitik: konstruktive transatlantische Beziehungen, verbunden mit konstruktiven und ausgewogenen innereuropäischen bilateralen Beziehungen mit allen Nachbarn.

Die Autorin ist Adjunct Professor am Center for Global Affairs an der New York University und Adjunct Professor an der John C. Whitehead School of Diplomacy der Seton Hall University in South Orange, New Jersey.