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Deutsche Fahrradbranche boomt

10. März 2021

Während der Pandemie haben immer mehr Menschen das Radfahren für sich entdeckt, auch mit elektrischer Unterstützung. Der von Corona verstärkte Boom geht weiter - und sorgt für neue Probleme.

200 Jahre Fahrrad Mountainbike Elektroantrieb
Bild: Imago/MITO

Wie kaum eine andere Branche haben Fahrradindustrie und Fahrrad-Fachhandel 2020 von der Corona-Pandemie profitiert. Überall gingen die Umsätze steil nach oben, besonders bei E-Bikes und Lastenfahrrädern. Auch im laufenden Jahr rechnen die Fachleute mit einer hohen Nachfrage, die sogar zu erneuten Lieferengpässen führen könnte.

Vor allem teure E-Bikes trieben den Absatz und Durchschnitts-Verkaufspreis in die Höhe, wie die Verbände ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) und VDZ (Verband des deutschen Zweiradhandels) am Mittwoch in Frankfurt mitteilten. Dabei wird der Verkauf von E-Bikes immer wichtiger und lukrativer für die Branche: Mit 1,95 Millionen verkauften E-Bikes legte der Absatz batteriegetriebener Fahrräder im vergangenen Jahr um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

Radtouren statt Strandurlaub

Die Corona-Pandemie sorgte für einen zusätzlichen Schub für die ohnehin boomende Branche: Viele Menschen meiden aus Angst vor einer Ansteckung nach vor wie den öffentlichen Nahverkehr und suchten Bewegung an der frischen Luft. Außerdem verbrachten viele Deutsche ihren Urlaub im Inland, wo sie oft das eigene Fahrrad mit im Gepäck hatten, lautet die Erklärung der beiden Branchenverbände ZIV und VDZ.

Insgesamt legte der deutsche Fahrradmarkt im Jahr 2020 deutlich mit mehr als 5 Millionen verkauften Fahrrädern und E-Bikes um 16,9 Prozent gegenüber 2019 zu. Auch der Cargobike-Boom setzte sich 2020 fort. Mehr als 100.000 verkaufte Lastenräder fanden neue Besitzer, davon sind rund 78.000 mit elektrischer Unterstützung unterwegs. Im Schnitt gaben die Verbraucher 1279 Euro pro Fahrzeug aus. Der Umsatz kletterte um 60,9 Prozent auf 6,44 Milliarden Euro. Die heimischen Hersteller profitierten von der stark gestiegenen Nachfrage nach hochwertigen E-Bikes und steigerten sowohl Produktion als auch Export.

Auf Pedalen durch die Corona-Krise: Fahrradkunden stehen Schlange in HannoverBild: Imago Images/F. Stark

Wunschmodelle oft vergriffen

Allerdings bekamen nicht alle Kunden im vergangenen Jahr ihr Wunschmodell, räumte Thomas Kunz vom Handelsverband Zweirad (VDZ) ein. Auch in den Werkstätten kam und kommt es immer wieder zu langen Wartezeiten. Die Händler hätten ihre Geschäfte im Herbst annähernd leer verkauft. Für das laufende Jahr verfüge man aber wieder über volle Lager.

"Industrie und Handel haben alles in Bewegung gesetzt, um eine möglichst gute Warenversorgung in der kommenden Fahrradsaison zu gewährleisten", so Kunz. Die Kunden sollten sich aber bei mehreren Händlern umschauen und sich nicht auf ein einziges Modell festlegen.

Aktuell schwächelt der Rahmen-Nachschub aus Asien, erklärte Industrievertreter Ernst Brust. Auch weitere Fahrrad-Komponenten könnten wegen knapper See-Container verspätet eintreffen.

Der deutsche E-Motoren-Produzent Brose berichtet von ähnlichen Engpässen wie in der Auto-Industrie: "Probleme bereiten uns derzeit die Hersteller von Mikrochips, beziehungsweise deren Vorlieferanten, die ihre Produktion nicht entsprechend der Marktentwicklung steigern können", sagte der Leiter E-Bike-Systeme, Thomas Leicht, in Berlin.

Generationsübergreifender Trend: Fast jedes zweite verkaufte Fahrrad ist ein E-Bike Bild: picture-alliance/dpa Themendienst

Forderung nach Inzidenz-unabhängigen Öffnungen

Die Händler stört, dass sie wegen der Corona-Beschränkungen noch nicht in allen Bundesländern loslegen können. Um den bevorstehenden Ansturm auf neue Räder zu entzerren, sollten die Fahrradgeschäfte unabhängig von der Corona-Inzidenz öffnen dürfen, verlangt Kunz. Man wundere sich schon sehr über die sehr unterschiedlichen Bestimmungen, denn immerhin ermöglichten Fahrräder eine infektionssichere Mobilität. Zudem bedeuteten die vollen Lager für die Betriebe auch eine sehr hohe Kapitalbindung.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt zwar die "tolle Entwicklung", dass im Krisenjahr so viele Menschen neu aufs Rad gestiegen seien. Die Infrastruktur könne da aber bei weitem nicht mithalten, kritisierte Verkehrsexpertin Stephanie Krone in Berlin:

"Die Radwegenetze waren schon vor der Krise katastrophal, deshalb verschärfen sich jetzt die Probleme bei zunehmendem Radverkehr." Die Städte müssten jetzt das Fenster der Gelegenheit für den Ausbau der Radinfrastruktur nutzen. "Es ist so viel Geld wie noch nie vom Bund dafür da - und die Menschen gieren förmlich danach, mehr Rad zu fahren", sagte Krone. Das werde auch mit der Corona-Pandemie nicht enden.

tko/hb  (dpa, VDZ, ZIV)

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