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DVD-Tipp

Jochen Kürten
7. August 2009

Wie stellten sich die Menschen vor 80 Jahren die Zukunft vor? Der restaurierte Kulturfilm "Wunder der Schöpfung" gibt Antworten. In der "Edition Filmmuseum" kann man sich diesen und andere Schätze jetzt wieder anschauen.

Mann am Schreibtisch - Szenenfoto S/W - (film und kunst gmbh)
Arbeiten für die ZukunftBild: film & kunst

Man könnte ins Schwärmen geraten. Wäre da nicht gleichzeitig immer auch ein großes Bedauern. Was hätte aus dem deutschen Kino alles werden können, wenn nicht der Nationalsozialismus und der große Krieg gekommen wären und viele Filmkünstler aus dem Land getrieben hätten. So wurden Karrieren zerstört, ganze Lebensläufe, viele Hoffnungen. Talente kamen nicht wieder auf die Beine, Altmeister konnten in der Fremde nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Nur wenigen gelang die nahtlose Fortsetzung der Karriere.

Sensationelle Wiederentdeckung

ZukunftsstadtBild: film & kunst

Das alles ist keine neue Erkenntnis, sie wird dem Filmliebhaber aber immer wieder schmerzhaft bewusst, wenn er auf restaurierte, wiederhergestellte frühe Filmwerke trifft, die heute vor allem auf DVD erscheinen. Der Regisseur Hanns Walter Kornblum war so einer, dessen Karriere zerstört wurde. Auch weil seine Frau jüdischer Herkunft war. Seinen Zukunftsfilm "Wunder der Schöpfung" aus dem Jahre 1925 kann man getrost als sensationelle Wiederentdeckung feiern.

Unterbrochene Karrieren

Und dann gab es noch die Anderen. Auch um die ist es schade, um die Künstler, die sich in den Dienst der Nationalsozialisten stellten und sich damit selbst zugrunde richteten. So wie Walter Ruttmann, dessen Film "Berlin, die Sinfonie der Großstadt" heute gefeiert wird als Meilenstein der Kinohistorie, und dessen künstlerische Experimental- und Werbefilme aus den 1920er Jahren noch heute bezaubern.

Ein anderer Fall ist die gebürtige Wienerin Hedy Lamarr. Sie schaffte als eine der Wenigen den Sprung nach Hollywood und wurde dort zum Star. Eine Ausnahme. In der verdienstvollen DVD-Reihe "Edition Filmmuseum" verschiedener Filmarchive und -institutionen liegen nun die Werke dieser (vergessenen) Künstler vor

"Wunder der Schöpfung" (Deutschland 1925)

Blick auf die MenschheitBild: film & kunst

Ein phantastischer Film. Kornblums Blick ins Weltall, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Ein Kulturfilm, wie man das früher nannte. Heute würde man Kornblums sagenhaften Genremix aus Spiel- und Dokumentarszenen, aus Fantasy- und Science Fiction-Elementen wohl als essayistischen Film bezeichnen. Ein wildes wie verrücktes, ein kühnes wie phantasievolles Filmopus über die ersten und letzten Tage der Menschheit.

Bild: Edition Filmmuseum

...der Ursprung der Welt

In neun Akten erzählt der 1970 verstorbene Regisseur die Geschichte der Zivilisation, philosophiert über den Ursprung wie über das Ende der Menschheit. Einziger Wehrmutstropfen: die - aus heutiger Sicht - allzu vielen und überladen wirkenden Zwischentitel, die den Fluss der Bilder an manchen Stellen stören.

"Berlin, die Sinfonie der Großstadt" (Deutschland 1927)

Ein damals revolutionärer filmischer Blick auf die Stadt. Bild, Musik und Montage wurden von Ruttmann zu einer wirkungsvollen Einheit verschmolzen. Die deutsche Hauptstadt erscheint als dynamische, pulsierende Metropole, die aus unzähligen Momenten eines Berliner Frühlingstages zusammengesetzt ist. Über den Film ist viel Positives geschrieben worden, aber er stieß auch schon früh auf Ablehnung. Siegfried Kracauer sah in ihm einen frühen Vorboten des später von den Nazis geförderten Stils. Das Individuum verschwindet dabei in einer auf Oberflächen reduzierten Formenvielfalt. Nicht zufällig wohl arbeitete Ruttmann später mit Leni Riefenstahl zusammen.

Szene aus "Berlin, Sinfonie der Großstadt" von Walter RuttmannBild: film & kunst GmbH

Nun kann sich jeder ein eigenes Bild machen, die DVD enthält vorbildlich restaurierte Fassungen der Ruttmann-Filme aus den 1920er Jahren. Beim auf das internationale Filmerbe spezialisierten Festival "Cinema Ritrovato" in Bologna wurde die DVD in diesem Jahr ausgezeichnet. Sehenswert sind auch die frühen abstrakten sowie die phantasievollen Werbefilme des Regisseurs. In den 1930er Jahren stellte Ruttmann sich dann in den Dienst der Nazis und fertige Propagandafilme wie "Deutsche Panzer" an. Er starb 1941.

"Extase" (Tschechoslowakei/Österreich 1933)

Wurde in den 1940er jahren von so manchem als schönste Frau der Welt verehrt: Hedy LamarrBild: picture-alliance/ dpa

Hedy Lamarr, Tochter eines jüdischen Bankiers, (die eigentlich Eva Maria Kiesler hieß, Hedy Lamarr war dann der amerikanische Künstlername), flüchtete 1937 aber nicht vor den Nazis, sondern erst einmal vor einem herrschsüchtigen Ehemann. Es verschlug sie schließlich nach Hollywood. Zu Ruhm war sie schon vorher gelangt. Im Film "Extase" lief sie mehrere Minuten nackt durch eine Wald- und Seenlandschaft. Das war damals ungeheuerlich. In Hollywood schaffte sie mit ihrem blendenden Aussehen schnell den Aufstieg zum Superstar. In den 1940er Jahren feierte sie viele Filmerfolge und sorgte für Schlagzeilen am Boulevard.

Hedy LamarrBild: film & kunst GmbH

"Extase" ist aber nicht nur wegen der Skandalszenen interessant. Der Film ist ein frühes melodramatisches Kunstwerk, das fast ohne Dialoge auskommt und sich ganz auf seine Bildsprache verlässt. In der Box enthalten ist auch die Dokumentation "Secrets of a Hollywood Star" von Barbara Obermaier und den Brüdern Donatello und Fosco Dubini über das bizarre Leben des Stars.

Die Filme liegen auf DVD bei der "Edition Filmmuseum" in restaurierten Fassungen mit reichlich Zusatzmaterial vor.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Gudrun Stegen

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