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Türkei: Hoffen auf bessere Zeiten

27. September 2018

Der Sturzflug der Lira hat die deutschen Unternehmen in der Türkei hart getroffen. Stärker noch als sinkende Umsätze belastet sie jedoch die große politische und wirtschaftliche Unsicherheit.

Symbolbild Flagge Verhältnis Türkei Deutschland
Bild: Imago/Chromeorange/M. Schroeder

Deutsch-türkische Annäherung mit Tempo 300

02:13

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In der Türkei scheint sich die alte Faustregel zu bewahrheiten: Wo Unsicherheit herrscht, warten ausländische Investoren erst ab, dann gehen sie. Und nur wo Stabilität und Rechtssicherheit herrschen, wird das Geschäft ausgebaut.

Die Unsicherheit besteht weiter, denn noch scheinen Präsident Erdogan und die türkische Regierung kein überzeugendes Rezept gefunden zu haben, wie sie dauerhaft den Wechselkurs der kriselnden Landeswährung Lira stabilisieren und die galoppierende Inflation eindämmen können. Kein Wunder, dass viele deutsche Unternehmen, die in den vergangenen Jahren im Land investiert haben, ihr Türkeigeschäft neu bewerten.

Charmeoffensive wegen leerer Taschen

Zerstörtes Vertrauen zurückzugewinnen und ausländische Investoren zur Rückkehr zu bewegen - das ist die Mission bei den Besuchen des türkischen Finanzministers Albayrak und seines Schwiegervaters, Präsident Erdogan. Zwei Tage vor seinem Besuch in Berlin am vergangenen Freitag startete Albayrak eine regelrechte Charme-Offensive mit einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Titel: "Wir halten viel von Deutschland".

Der türkische Finanz- und Wirtschaftsminister Berat Albayrak (l.) am 21.09. mit dem deutschen Finanzminister Olaf Scholz (m.) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier in BerlinBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Noch vor einem Jahr geißelten Erdogan und seine Minister deutsche Spitzenpolitiker bis zur Bundeskanzlerin als faschistisch, rassistisch und türkenfeindlich. Doch das Land braucht dringend Geld aus dem noch vor kurzem so gebrandmarkten Almanya. Durch das chronische Leistungsbilanzdefizit der Türkei ist das Land von ausländischen Investitionen extrem abhängig und verwundbar.

Ruiniertes Image

Trotzdem gibt es deutsche Unternehmen, die nicht nur abwarten, wie es in der Türkei weiter geht, sondern Konsequenzen ziehen. Nach Informationen der staatlichen Außenwirtschafts- und Investitionsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) erwägt der Energieversorger EWE, der seit 2007 in der Türkei Erdgas vertreibt, den kompletten Rückzug aus dem Land.

Grund sind die gestiegenen Einkaufspreise für Erdgas als Folge der massiven Währungsabwertung. Allein im August 2018 verlor die türkische Lira gegenüber dem US-Dollar 25 Prozent an Wert, rechnet das GTAI vor.

Der Handelskonzern Mediamarkt, der in der Türkei viele Filialen betreibt, hat offenbar seine Pläne, Anteile des Konkurrenten Teknosa zu übernehmen, gestoppt. Begründet wird die Entscheidung mit den ungünstigen Absatzprognosen für Elektrogeräte.

Neue Devisenregulierung verunsichert weiter

Um den Kursverfall der Lira zu stoppen,versucht die türkische Regierung mit drastischen Schritten den Abfluss von Devisen zu stoppen. So verpflichtete das Finanzministerium am 4. September Exporteure dazu, mindestens 80 Prozent ihrer Devisenerlöse innerhalb von 180 Tagen in die Türkei zu transferieren und an eine türkische Bank zu verkaufen. Von diesem neuen Gesetz sind auch deutsche Unternehmen betroffen.

Ein Schraubenhersteller überlegt daher bereits, seine Ausfuhren aus der Türkei einzustellen, wie ein Unternehmensvertreter gegenüber Germany Trade and Invest bestätigte. Viele deutsche Unternehmen hoffen jetzt darauf, dass die Maßnahme revidiert wird, nachdem eine Reihe von Exportverbänden protestiert hat.

Noch stärker als die Verbraucherpreise sind durch den Lira-Verfall die Erzeugerpreise in der Türkei gestiegen - um 32 Prozent. Und für türkische Unternehmen ist es wegen der desolaten Wirtschaftslage unmöglich, diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Die Folge sind sinkende Gewinnmargen, die bei vielen Betrieben die Existenz bedrohen.

Deutsche Traditionsunternehmen in der Türkei

Die großen deutschen Akteure auf dem türkischen Markt, etwa der Nutzfahrzeughersteller MAN oder das Textilunternehmen Hugo Boss, sind schon seit längerem in der Türkei präsent. Sie lockt vor allem der Kostenfaktor, weil sie hier für rund ein Drittel der Produktionskosten, die in Deutschland anfallen, fertigen können.

Trotz zuletzt leichter Erholung ist die türkische Währung viel weniger Wert als zu Jahresbeginn

Der Nutzfahrzeughersteller Krone, der zweitgrößte Hersteller von LKW-Anhängern in Europa, ist seit 2012 in der Türkei.  Krone produziert in Izmir rund 10.000 Lastwagen-Anhänger im Jahr und beschäftigt etwa 100 Mitarbeiter. Krone hat rund 35 Millionen Euro in der Türkei investiert, geplant waren allerdings größere Investitionen.

Doch der damals lockende Absatzmarkt im Iran leidet unter den neuen US-Sanktionen und die Wirtschaftskrise in der Türkei dämpft zusätzlich das Geschäft. Außerdem belastet der andauernde Syrienkrieg weiter das Geschäft mit den Ländern des Nahen Ostens.

In der Türkei hat die Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Putsch seit 2016 dazu beigetragen, dass einige Mitarbeiter aus Deutschland nicht gerade begeistert sind, in der Türkei zu arbeiten - besonders die mit türkischen Wurzeln.

Gehen oder bleiben?

Bei deutschen Unternehmen in der Türkei herrsche "eine große Zurückhaltung, was Neuinvestitionen betrifft", hatte Jan Noether von der deutschen Handelskammer in Istanbul im April gegenüber der "Wirtschaftswoche" gesagt. Und damals liefen die Geschäfte noch besser.

Jetzt - fünf Monate später - sind durch den Währungsverfall auch die Zahlen nicht mehr berauschend. Deutsche Qualitätsprodukte sind für viele türkische Firmenkunden, die häufig unter der Last von extrem verteuerten Dollarkrediten ächzen, einfach unerschwinglich geworden.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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