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Politik

Deutsche Firmen profitieren von Korea-Konflikt

30. März 2017

Auf der koreanischen Halbinsel herrscht weiterhin Kalter Krieg. Durch die Atomrüstung des Nordens ist er noch gefährlicher geworden. Südkorea deckt sich zu seiner Verteidigung auch bei deutschen Rüstungsfirmen ein.

U-Boot Werft ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel (Foto: picture-alliance/dpa/C. Charisius)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Der deutsche Marschflugkörper Taurus KEPD-350 findet in Südkorea reißenden Absatz. Die fast 1000 Kilo schwere High-Tech-Waffe des gleichnamigen deutschen Herstellers Taurus Systems hat eine Reichweite von fast 500 Kilometern. Sie wurde eigens dafür entwickelt, engmaschige Luftverteidigungssysteme im Tiefflug zu durchdringen. Am Zielpunkt kann die Waffe entweder tief unter der Erde liegende Bunker treffen oder großflächige Areale zerstören. Wie wichtig Südkorea für die Firmenzentrale von Taurus im bayerischen Schrobenhausen ist, zeigt die 2014 erfolgte Eröffnung einer Vertretung in Seoul. Im Oktober 2016 wurden 177 Marschflugkörper an die Südkoreaner übergeben. Die Lieferung von 90 weiteren ist bereits beschlossen.

Doch Südkorea kaufte im vergangenen Jahr nicht nur Marschflugkörper. Im ersten Halbjahr 2016 hat Seoul für mehr als 200 Millionen Euro deutsche Rüstungsgüter gekauft. Das ist dem jüngsten "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter" zu entnehmen. Verkauft wurden unter anderem: Teile für U-Boote, Kampfschiffe, Flugkörper, Flugkörperabwehrsysteme, Teile für Raketen, Teile für Kampfpanzer und Panzerhaubitzen. Damit war Südkorea im ersten Halbjahr 2016 der viertgrößte Abnehmer von Kriegswaffen aus Deutschland. Die Geschäfte von 2016 reihen sich nahtlos in die vergangenen Jahrzehnte. Regelmäßig findet sich Südkorea unter den Top fünf der Zielländer deutscher Rüstungsexporte. Die größten Deals der letzten Jahre fielen in die Jahre 2001 und 2008. Damals schaffte sich Südkorea neue U-Boote, Fregatten und Kampfschiffe Made in Germany an.

Gefährlicher Krisenherd

Die koreanische Halbinsel ist eine der spannungsreichsten Regionen der Welt. Als der ehemalige US-Präsident Barack Obama seinen Amtsnachfolger Donald Trump im November 2016 auf das Amt vorbereitete, nannte er als drängendstes Sicherheitsproblem das nordkoreanische Atomprogramm. Auch wachsen die Spannungen zwischen den Ländern China, Japan und Südkorea, wie eine im Februar 2017 erschienene Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik aus Berlin betont. Das Misstrauen zwischen den Staaten in Ostasien ist groß. Die komplizierten, miteinander verschränkten Sicherheitsinteressen bzw. Bedrohungsvorstellungen werden nur unzureichend von der schwach ausgebildeten Sicherheitsarchitektur aufgefangen. Es gibt zwischen den Konfliktparteien wenige Gesprächskanäle.

Der Verkauf von Kriegswaffen an Südkorea ist aus Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) dennoch unproblematisch. Auf Anfrage der Deutschen Welle verwies das BMWi auf den umfangreichen Gesetzes- und Grundsätze-Katalog, der in Deutschland den Handel mit Kriegswaffen regelt. Das Grundgesetz legt fest, dass Kriegswaffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen.

Alles Weitere ist dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenhandelsgesetz, sowie dem gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union von 2008 und den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund, so das BMWi, werde der Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern, die nicht der NATO oder der EU angehören, besonders restriktiv gehandhabt. Jeder Einzelfall werde geprüft. "Zu einzelnen Genehmigungen können aus Gründen des verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses keine Detailinformationen gegeben werden."

Trotz Außenministergesprächen zwischen Japan, China und Südkorea ist die regionale Krisenprävention noch nicht weit gediehenBild: Reuters/K. Kasahara

Legal, aber problematisch

Auch der Politologe Marius Bales kommt bei Betrachtung der Gesetzeslage zu dem Schluss: "Grundsätzlich sind Rüstungsexporte nach Südkorea legitim." Südkorea ist seit Ende der Militärdiktatur 1988 ein demokratischer Rechtsstaat. Das Land ist fast allen internationalen Abrüstungsverträgen beigetreten. Die Menschenrechte sind mit Einschränkungen gewährleistet. Angesichts der Bedrohung durch Nordkorea wird niemand Südkorea das Recht auf Selbstverteidigung absprechen wollen.

Allerdings lasse sich das Thema Kriegswaffenexport nicht allein auf die legale Dimension reduzieren, sagt Bales. "Den Menschen in Deutschland muss bewusst sein, dass auch deutsche Waffen Teil des Konflikts sind." Empirische Studien belegten, dass Rüstungsexporte in spannungsreiche Regionen destabilisierend wirken. "Und wenn der Ernstfall eintritt, werden diese Waffen auch eingesetzt werden." Bales verweist auf den Fall Saudi-Arabien. Das Land ist jahrzehntelang mit deutschen Waffen beliefert worden, nie gab es Bedenken. Doch inzwischen sind die Menschenrechtslage und die von Saudi-Arabien geführte Militärintervention im Jemen ein großes Thema, die Waffenexporte sind zum Politikum geworden. "Wir müssen uns eben auch fragen: Wo führt das ganze hin?", sagt Bales. Genehmigungen werden heute erteilt, die Lage kann sich freilich ändern, die Waffen sind dann aber immer noch nutzbar.

Nicht zuletzt sei das oft vorgebrachte Argument der Abschreckung problematisch. "Das berüchtigte 'Gleichgewicht des Schreckens' des Kalten Kriegs hat nur funktioniert, weil die Akteure einigermaßen rational agiert haben." Ob Nordkorea sich dieser Rationalität unterwerfe, sei mehr als fraglich und es sei auch völlig unklar, wie sich der neue US-Präsident Trump im Falle einer Eskalation verhalten würde. All diese Punkte müssten nach Ansicht von Bales in der deutschen Öffentlichkeit und insbesondere im deutschen Parlament diskutiert werden.

Die am stärksten militarisierte Grenze der WeltBild: picture-alliance/AP Photo/Wong Maye-E,

Was ich nicht weiß …

Dass es die Debatte nicht gibt, hat eine ganze Reihe von Gründen. Zum einen ist der Vorgang wie dargelegt aus juristischer Sicht legal. Zum zweiten, ergänzt Bernhard Moltman von der hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung im Gespräch mit der Deutschen Welle, ist die Kooperation mit Korea sehr alt und eingefahren. "Da kommen Mechanismen zum Zuge nach dem Motto: Wenn wir Südkorea schon das eine geliefert haben, dann können wir auch noch das andere liefern. Das hat sich historisch so entwickelt und bewegt sich in einer Blase, in die man nicht hineinsticht und nachfragt."

Zum dritten weisen sowohl Bales als auch Moltmann darauf hin, dass es bedeutende wirtschaftliche Interessen zwischen der Bundesrepublik und Korea gibt. "Für Genehmigungen ist das häufig der ausschlaggebende Faktor", sagt Bales, "obwohl es natürlich eigentlich die Sicherheitspolitik sein sollte." Schließlich erfährt die Öffentlichkeit immer erst im Nachhinein von den Rüstungsgeschäften. Der Exportbericht erscheint, nachdem der Export bereits genehmigt oder sogar schon vollzogen wurde. Für eine Debatte ist es dann zu spät.

 

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