Deutsche Football-Talente auf dem Weg in die NFL
18. März 2025
"Ich möchte ein Vorbild für die nächste Generation von Footballspielern sein", sagt Leander Wiegand im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Für alle, die immer wieder abgewiesen werden oder denen gesagt wird, dass das Talent nicht da ist oder man nicht groß genug ist."
Wiegand ist Football-Profi. Er spielt seit 2024 für die Munich Ravens in der European Football League (EFL). Die Liga, ein europäischer Ableger der NFL, der den Sport in Europa fördern und professionalisieren soll, ist schon seit einigen Jahren Wiegands sportliche Heimat.
Vor seiner Zeit in München, war der 1,96 Meter große und 132 Kilogramm schwere Athlet 2022 in Köln für die Cologne Centurions und 2023 in Düsseldorf bei den Rhein Fire aktiv. Mit Rhein Fire gewann Wiegand sogar die EFL-Meisterschaft und blieb mit seinem Team dabei ungeschlagen.
Wiegands dritte Chance auf eine NFL-Karriere
Der große Karrieretraum des gebürtigen Hamburgers ist aber die National Football League (NFL) in den USA. Zweimal schon hatte er die Möglichkeit, es in die beste Liga der Welt zu schaffen. 2021 spielte er mit einem Football-Stipendium für die University of Central Florida.
Allerdings verkürzten die Corona-Pandemie und familiäre Verpflichtungen in der Heimat seine Zeit in den USA. 2022 versuchte er, sich über den International Player Pathway (IPP) für ein Team der NFL interessant zu machen.
Der IPP ist ein Programm der NFL, das internationalen Football-Spielern die Möglichkeit bietet, sich in einem zehnwöchigen Trainingslager zu verbessern und für die Herausforderungen, die die NFL bereithält, fit zu machen. Wiegand schaffte es vor drei Jahren aber nicht in die kleine Gruppe von Talenten, die letztlich am Trainingslager teilnehmen durfte.
Das sieht in diesem Jahr anders aus: Wiegand hat sich in der Vorausscheidung durchgesetzt und ist seit Januar Teil der IPP Class of 2025, die aus 14 Spielern besteht. Die Gruppe befindet sich mittlerweile fast schon am Ende ihres intensiven Trainingsprogramms, das an der IMG Academy in Florida durchgeführt wird.
Abschließend, beim sogenannten Pro Day, müssen die Teilnehmer ihre Fähigkeiten vor NFL-Club-Scouts und Trainern präsentieren. Wer positiv genug auffällt, hat anschließend die Chance, Ende April im NFL-Draft tatsächlich von einem Team ausgewählt zu werden.
Später Start in den Football mit 19 Jahren
Dass Wiegand es so weit geschafft hat, ist bemerkenswert. Der heute 25-Jährige hat erst 2019 mit dem Footballspielen angefangen. Er war anfangs nicht schnell und verfügte nicht über viel Kraft oder Ausdauer. Eines Tages aber fing er an, Training, Ernährung und Erholung ernst zu nehmen - und er lernte, auf Dinge zu verzichten.
Auch der Tagesablauf in der IMG Academy ist für Wiegand komplett durchgetaktet und besteht im Grunde nur aus Training auf dem Feld und im Kraftraum sowie Besprechungen mit den Coaches. In den Pausen bleibt Zeit zum Essen und für medizinische Behandlungen, sollten sie nötig sein. Und auch seine wenige Freizeit nutzt Wiegand für Zusatzschichten. "Es ist absoluter Grind [Schinderei, Anm.d.Red.]", sagt er mit einem Lächeln.
IPP-Teilnahme keine Garantie auf NFL-Karriere
Den IPP gibt es seit 2017. Insgesamt ist die Quote derjenigen, die über ihn in die Liga gelangen und dort auch tatsächlich regelmäßig auf dem Feld stehen, sehr gering. Beste Beispiele, dass es dennoch gelingen und man sich anschließend auch in der NFL etablieren kann, sind Jordan Mailata und Jakob Johnson.
Der Australier Mailata wurde 2018 von den Philadelphia Eagles gedraftet, für die er immer noch spielt und mit denen er im Februar den Super Bowl gewann. Johnson ist Deutscher. Er wurde 2019 von den New England Patriots ausgewählt, damals noch mit Star-Quarterback Tom Brady eines der stärksten Teams der NFL. Johnson ist nach wie vor NFL-Profi und hat für die Patriots, die Las Vegas Raiders und die New York Giants bislang insgesamt 70 NFL-Spiele absolviert. In der kommenden Saison wird er für die Houston Texans auflaufen.
Mailatas und Johnsons Weg zeigt, dass IPP-Teilnehmer mit den richtigen Eigenschaften zu NFL-Stars ausgebildet werden können. "Diese Eigenschaften können explosive Schnelligkeit, Koordination, Gleichgewicht, die Fähigkeit, mit großer Geschwindigkeit die Richtung zu wechseln, Stärke und explosive Kraft sein", sagt Dominic Fevrier-McPherson, NFL International Football Development Manager, der DW. "Diese Eigenschaften werden in der NFL wirklich gebraucht."
Fevrier-McPherson weiß aber auch, dass Spieler, die über den IPP in die NFL kommen, es nicht sofort in den aktiven Kader der Teams schaffen werden und auf Spieleinsätze in der NFL erstmal warten müssen. Aber sie haben eine reelle Chance, in die Trainingsgruppe aufgenommen zu werden und sich dort weiter zu verbessern. In täglicher Konkurrenz mit den etablierten NFL-Profis müssen sie lernen, wie sie ihre körperlichen Fähigkeiten mit den mentalen Anforderungen eines neuen Lebens in Amerika und als NFL-Spieler in Einklang bringen können.
Deutscher Kicker mit echter NFL-Chance
Seit 2024 gibt es das IPP nicht nur für "gewöhnliche" Feldspieler, sondern auch für Kicker und Punter. Der Kicker muss beim American Football den Ball bei Field Goals und Extrapunkten durch die Torpfosten schießen, um Punkte für sein Team zu erzielen oder das "Ei" beim Kickoff in die gegnerische Hälfte befördern. Der Punter ist ein weiterer Spezialist, der den Ball in bestimmten Spielsituationen mit dem Fuß nach vorne kickt.
Diese "specialists" sind nicht von Anfang an beim IPP-Trainingslager dabei, sondern stoßen später dazu und sie haben es etwas einfacher als die Kollegen der Offensive oder Defensive Line, die deutlich mehr trainieren müssen.
Einer der talentiertesten Kicker dieses Jahrgangs ist der 22-jährige Lenny Krieg. Mit 19 Jahren gab der Berliner den Fußball auf, weil er die Freude daran verloren hatte und brachte sich das Kicken des American Football selbst bei, indem er sich YouTube-Tutorials ansah.
Nach einer Saison bei den Stuttgart Surge in der EFL wurde Krieg zum NFL Scouting Combine eingeladen. Bei diesem Probetraining verwandelte er prompt alle 14 seiner Field-Goal-Versuche aus Distanzen zwischen 35 und 55 Yards sicher. Er war der einzige, der an diesem Tag perfekt war, und laut eines Berichts des TV-Senders ESPN sagte ein Scout sogar: "Er war besser als die meisten Amerikaner."
Krieg, der in der Akademie zwei Stunden am Tag kickt und abends seine Technik anhand von Filmen überprüft, feilt an seinem Handwerk und hofft, in diesem Jahr ein NFL-Kicker zu werden. "Es ist eine Ehre für mich, diesen Schritt zu machen und jungen Spielern und vielleicht sogar denen, die keinen Football spielen, zu zeigen, dass man diese Brücke überqueren kann und dass es nie zu spät ist, den Sport zu wechseln und Ambitionen zu haben", so Krieg gegenüber DW.
Immer mehr Deutsche - bei Fans und Spielern
Neben Wiegand und Krieg ist mit Bastian Roppelt, dem Punter von EFL-Team Frankfurt Galaxy, sogar ein dritter Deutscher Teil der Gruppe. Alle drei würden gerne die wachsende Anzahl deutscher NFL-Profis vergrößern.
In der vergangenen Saison standen mit Amon-Ra St. Brown (Detroit Lions) und seinem Bruder Equanimeous (New Orleans Saints), Johnson (New York Giants), David Bada (Detroit Lions) und Brandon Coleman (Washington Commanders) immerhin fünf deutsche oder deutsch-stämmige Spieler auf dem Feld. Der sechste, Marcel Dabo (Indianapolis Colts), war im Team, kam aber nicht zum Einsatz.
Wiegand, Krieg und Roppelt wollen ihnen nacheifern - immerhin boomt die NFL auch in Deutschland und die Lust der Fans auf lokale Helden ist groß. Am 26. März ist Pro Day, vom 24. bis 26. April der Draft. Sollten es die drei deutschen NFL-Anwärter so weit schaffen, wäre viel erreicht.
Dennoch wäre es auch dann noch ein weiter und harter Weg bis zum ersten Einsatz in der NFL. Am 4. September ist Kickoff zum ersten Spieltag.
Dieser Artikel wurde aus dem englischen Original "International NFL hopefuls looking to change the game" adaptiert.