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Deutsche Gefängnisse mit Transpersonen überfordert

17. August 2023

Der Klimaaktivistin Penelope Frank droht Haft - die Transfrau will nicht in den Männerknast. Das geplante Selbstbestimmungsgesetz wird zur Herausforderung.

Gefängniszelle mit halb geöffneter Tür, Blick auf Toilette und Wachbecken, dahinter Bett, Tisch und Stuhl
Zelle in der Haftanstalt Eichstätt in BayernBild: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

In Deutschland sollen trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen künftig mit einer einfachen Erklärung ihr im Pass eingetragenes Geschlecht und ihren Vornamen ändern können. Noch diesen Sommer will sich die Bundesregierung auf einen Gesetzesvorschlag dazu einigen, den sie ins Parlament einbringt. Das mehr als 40 Jahre alte Transsexuellengesetz mit seinen Zwangsbegutachtungen könnte als schon bald auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.

Für Penelope Frank allerdings könnte das neue Gesetz zu spät kommen. Denn die Klimaaktivistin der Letzten Generation und Transfrau hat sich Ende 2022 auf dem Rollfeld des Berliner Flughafens festgeklebt. Wird sie für das Lahmlegen des Flugbetriebs verurteilt, dann könnte Frank im Gefängnis landen. Da sie auf dem Papier noch ein Mann ist, droht ihr der Männerknast.

Und damit der Gang in eine Institution, die auf den Umgang mit Transpersonen mehr als unzureichend vorbereitet sei. "An die Auswirkungen auf die Sicherheitsbehörden wurde offensichtlich gar nicht gedacht," sagt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten in Deutschland, René Müller. "Man muss sie natürlich zu deren Schutz auch im Auge behalten. Da sind wir personell momentan nicht so gut aufgestellt, dass wir das jederzeit ermöglichen können. Wir fühlen uns tatsächlich vom Bundesjustizministerium ein Stück weit allein gelassen."

Fachkräftemangel auch in Gefängnissen

Schätzungsweise 60.000 Strafgefangene, Sicherungsverwahrte und Menschen in Untersuchungshaft sind laut Müller in den knapp 200 deutschen Justizvollzugsanstalten inhaftiert, und schon jetzt ächzen die Gefängnisse unter Personalmangel. 2.000 Justizvollzugsbeamtinnen und -beamte fehlen aktuell, was auch keine gute Nachricht für verurteile Transpersonen ist. Schätzungen darüber, wie hoch deren Zahl sein könnte, gehen weit auseinander. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität rechnet damit, dass insgesamt bis zu 500.000 Transpersonen in Deutschland leben könnten. 

"Bei der Unterbringung geht es ja auch um andere Sicherheitsbehörden wie die Polizei" - René MüllerBild: privat

In den Haftanstalten bedeutet weniger Personal weniger Fürsorge, weniger Kenntnis über die Lebensgeschichte und weniger Möglichkeiten einzuschreiten, wenn hinter Gittern das Recht des Stärkeren gelebt wird. Damit zurechtkommen müssen die Bundesländer, denn Justizvollzugsanstalten sind in Deutschland Ländersache.

"Man kann das nicht auf die Bundesländer abwälzen oder sogar die Justizvollzugsanstalten allein lassen, die Entscheidungen zu treffen. Diese müssen sich anschließend auch für Entscheidungen rechtfertigen, und wenn dort etwas passiert, müssen sie den Kopf dafür hinhalten. Das funktioniert so nicht", kritisiert Müller.

Bundesländer reagieren unterschiedlich auf Herausforderung

Derzeit kocht jedes Bundesland in Sachen verurteilte Transpersonen seinen eigenen Brei. Es gibt Länder, die schon spezielle Plätze geschaffen haben. Andere haben Leitfäden entwickelt, wieder andere Fortbildungen durchgeführt. Verbindliche, einheitliche Regelungen?

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Meist Fehlanzeige, es wird von Fall zu Fall entschieden, die Unterbringung richtet sich oft noch nach dem Zustand der Genitalien. Es ist für die Haftanstalten eine riesige Herausforderung, denn Männer und Frauen dürfen sich laut dem Grundsatz der Geschlechtertrennung in den Gefängnissen nicht begegnen.

René Müller plädiert für Einzelunterbringung und separate Haftbereiche: "Jedes Bundesland sollte zumindest überlegen, dass transgeschlechtliche Personen sowohl zur Untersuchungshaft als auch im Strafvollzug untergebracht werden können. Und dann ist es Aufgabe der Ministerien, diese Anstalten personell, logistisch und finanziell entsprechend auszustatten. Das ist unsere Forderung an die Politik."

"Durchlavieren" die bisherige Lösung

Thomas Galli würde Müllers Wünsche direkt unterschreiben, er kennt die deutschen Gefängnisse aus dem Effeff. Der Jurist hat zwei Gefängnisse geleitet und ist seit 2016 als Rechtsanwalt in Augsburg tätig – weil er der festen Meinung ist, damit mehr im Justizvollzug ändern zu können. Es ist also kein Zufall, dass ausgerechnet er die Transfrau Annemarie House vertreten hat, die fast zwei Jahre lang wegen Betrugs inhaftiert war.

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"Es hat dann zum Glück geklappt, dass sie entlassen werden konnte. Aber es war eindeutig zu merken, der Vollzug ist überhaupt nicht vorbereitet auf so etwas", sagt Galli, "es ist dann immer so ein Durchlavieren. Die Leute werden monatelang auf der Krankenabteilung quasi versteckt oder irgendwo sonst isoliert, weil man nicht so recht weiß, was man mit ihnen tun soll."

Transpersonen droht in der Haft Spießrutenlauf 

House war mal im Herren-, mal im Frauenvollzug, erzählt der Rechtsanwalt. Als sie einen Arzttermin hatte, hätte sie allerdings nicht ihre Perücke tragen dürfen. Ein Gutachten, dass klären sollte, welcher Vollzug für House in Frage kommt, zog sich über Monate hin. Ihr Fall könnte als Paradebeispiel für die Überforderung der Haftanstalten dienen. Nicht zu vergessen der Spießrutenlauf, den Transpersonen in Haftanstalten erwarten können, sagt Galli.

"Die Gefängnisse sind nicht ausreichend vorbereitet, weil es an den gesetzlichen Grundlagen fehlt" - Thomas GalliBild: Andreas Burkhardt

"Es herrscht schon in den meisten Gefängnissen eine sehr starke Machokultur und Kultur des Stärkeren und nicht unbedingt eine ganz große Toleranz. Dort sind meistens auch jüngere Männer untergebracht, auch problematische Persönlichkeiten, vielleicht auch mit einer Gewaltneigung. Aus meiner Sicht ist schon zu befürchten, dass Transpersonen gemobbt und vielleicht sogar sexuell bedrängt werden und es möglicherweise sogar zu Übergriffen kommt."

Der Umgang mit älteren Inhaftierten als Vorbild?

Zusätzliche Haftplätze wären vielleicht gar nicht nötig, denkt Thomas Galli. Schon jetzt gebe es Bereiche für Inhaftierte mit speziellen Bedürfnissen, geriatrische Abteilungen für ältere Gefangene zum Beispiel. Für Transpersonen müsse auf alle Fälle ein Mitspracherecht her, in welchem Bereich sie untergebracht werden wollen – ohne ihnen jedoch allein die Wahl zu überlassen.

Galli fordert, dass in allen Ländergesetzen spezielle Regelungen im Umgang mit Transmenschen getroffen werden. "Dass die Ausbildung der Justizvollzugsmitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in dem Bereich vorangetrieben wird. Und dass spezielle Abteilungen für Menschen geschaffen werden, die weder in den Männer- noch in den Frauenvollzug richtig hineinpassen."

Alltag als Gefängniswärter

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