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Gegen TTIP und Ceta auf die Straße

17. September 2016

Deutschlandweit wollen Demonstranten ein Zeichen gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada setzen. Erste Teilnehmerzahlen sind jedoch ernüchternd. Ein Sieg also für die Befürworter?

Demonstration gegen Ceta und TTIP in Köln (Foto: picture-alliance/dpa/W. Kastl)
Köln: Greenpeace-Aktivisten seilen sich von der Deutzer Brücke abBild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

"CETA & TTIP stoppen - für einen gerechten Welthandel!" - unter diesem Motto sind in sieben Großstädten Deutschlands Menschen auf die Straße gegangen. Eine Sprecherin der Veranstalter erklärte angesichts des schlechten Wetters in Berlin und München: "Die Leute lassen sich die Laune nicht verderben."

Dabei ließ die Polizei verlauten, an den Protesten nähmen deutlich weniger Menschen teil als von den Veranstaltern erwartet. Diese haben nach eigenen Angaben rund 320 000 Teilnehmern gezählt - in Berlin 70.000, in Hamburg 65.000, in Köln 55.000, in Frankfurt 50.000, in Stuttgart 40.000, in München 25.000 und in Leipzig 15.000 Teilnehmer. Die Polizei sprach hingegen in Berlin von gut 40.000 Teilnehmern, in Hamburg von 30 000. In Köln hieß es aus Polizeikreisen, man gehe von 18.000 Teilnehmern aus. In Frankfurt zählte die Polizei 15.000 Teilnehmer, in München 23.000 und in Stuttgart 20.000. Die Leipziger Polizei gab keine eigene Zahl bekannt.

Zu den Demonstrationen hatten zahlreiche Organisationen aufgerufen - Verbraucher- und Umweltverbände, Gewerkschaften und Kirchen, die Netzwerke Attac und Campact, Grüne und Linkspartei sowie der Deutsche Kulturrat. Ihr Protest richtet sich gegen das bereits fertig ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta der EU mit Kanada und das TTIP-Abkommen mit den USA, wo die Verhandlungen allerdings festgefahren sind.

Zeichen gegen eine ungerechte Globalisierung

"TTIP und Ceta haben mit einem fairen Welthandel nichts zu tun", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter vor Beginn der Proteste. Die Abkommen stünden für Klageprivilegien, Dumping-Standards und machten die Globalisierung ungerechter. "Tausende setzen heute bundesweit ein klares Zeichen: Wer gegen TTIP ist, muss auch Ceta ablehnen. Da führt kein Weg dran vorbei", sagte Hofreiter.

Im Falle Cetas haben die Gegner nicht mehr viel Zeit bis zur UnterzeichnungBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Seit 2013 verhandeln die EU mit der USA über eine "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP). Ihr Ziel: Rund 40 Prozent des Welthandels vereinigen und damit den bedeutendsten Wirtschaftsraum der Welt schaffen. Durch eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks erhoffen sich die Befürworter deutliche Wachstums- und Beschäftigungsimpulse.

Die Kritiker befürchten dagegen eine Angleichung von Standards auf geringerem Niveau und monieren eine mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen. Die TTIP-Gegner machen sich zudem für eine öffentliche Gerichtsbarkeit, ordentliche Arbeitsrechte für alle und den Erhalt der europäischen Umweltstandards stark.

Ceta als TTIP-Blaupause

Als Blaupause für TTIP gilt das zwischen Europa und Kanada ausgehandelte Abkommen "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (Ceta). Hier stehen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss: Der Text muss vor allem noch vom Europäischen Rat unterzeichnet werden. Stichtag hierfür ist der 27. Oktober, bei dem die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen werden. Erst danach dürfen die nationalen Parlamente über das Abkommen abstimmen.

Die Eröffnungskundgebung in BerlinBild: Reuters/F. Bensch

Der deutsche Bundestag soll allerdings nicht mitentscheiden dürfen. Das wollen die Grünen nun ändern: Ein Entschließungsantrag der Bundestagsfraktion, der dem "Handelsblatt" vorliegt, fordert, Ceta im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Die Grünen gehen sogar noch einen Schritt weiter. Dem Bericht zufolge forderten sie die Bundesregierung auf, den Ceta-Vertrag schon im EU-Entscheidungsverfahren abzulehnen und seine vorläufige Anwendung nicht zu genehmigen. Eine Vertiefung der Handelsbeziehungen mit Kanada sei zwar wünschenswert, zitiert das "Handelsblatt" aus dem Antrag. "Allerdings müssen Handelsabkommen transparent verhandelt und nach sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kriterien fair ausgerichtet sein."

Kritik der Kritik

Eine, die mit der Kritik der TTIP- und Ceta-Gegner nichts anfangen kann, ist EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. "Viele TTIP-Gegner halten es mit der Wahrheit und den Fakten nicht so genau", sagte die Schwedin der "BILD"-Zeitung. "Es entspricht einfach nicht der Realität, wenn behauptet wird, dass die Verhandlungen völlig undurchsichtig seien. Dies sind die transparentesten Handelsgespräche aller Zeiten!" Die EU-Vorschläge und Zusammenfassungen der Verhandlungsrunden stünden frei auf den Internetseiten der EU, erklärte sie. Auch stimme es nicht, dass TTIP Umweltstandards senken werde und die Demokratie in Europa aushöhle. "Deutschland wird zweifelsohne der große Gewinner sein, besonders der Mittelstand", betonte die Politikerin. „Nicht nur, weil Zölle abgebaut werden, sondern auch Bürokratie. In der Autobranche könnten doppelte Produktionslinien abgebaut oder Tests künftig nur noch ein- statt zweimal nötig werden."

Auch in Stuttgart haben sich Gegner der Freihandelsabkommen zu einem Protestmarsch eingefundenBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Diesem Tenor folgt auch die deutsche Industrie. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, erklärte anlässlich der Proteste gegen die Freihandelsabkommen: Sollten TTIP und Ceta nicht umgesetzt werden, wäre dies "alles andere als der Sieg einer aufgeklärten Protestbewegung". "Wir Europäer hätten damit bewiesen, dass wir nicht willens sind, gemeinsam Regeln zu entwickeln, die den Welthandel fairer und besser machen", mahnte er. Freihandelsabkommen dienten dazu, die Zukunft der Europäer "auf Grundlage unserer eigenen Werte und Standards" zu gestalten.

Nochmal spannend könnte es am Montag werden. Dann wollen die Sozialdemokraten auf einem Parteitag in Wolfsburg darüber entscheiden, ob sie Ceta mittragen oder nicht. Vor allem für SPD-Chef Sigmar Gabriel, könnte sich damit eine Schicksalsfrage entscheiden. Sollte die SPD ihm nicht folgen, hätte das für den Bundeswirtschaftsminister zwar keine rechtliche Bindung für die Abstimmung innerhalb der EU. Da sich Gabriel jedoch vehement für Ceta stark macht, wäre er innenpolitisch als SPD-Vorsitzender und potenzieller Kanzlerkandidat beinahe unmöglich gemacht.

nin/uh (dpa, afp, rtr, epd)

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