1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteDeutschland

Deutsche Hamas-Geiseln: Familien hoffen noch

9. Juli 2025

Die Hamas hält in Gaza weiterhin 59 Geiseln fest, darunter sieben Deutsch-Israelis. Fünf von ihnen könnten noch leben. Ihre Verwandten waren in Berlin, um auf das Schicksal der Verschleppten aufmerksam zu machen.

Deutschland | Flugblatt mit deutsch-israelischen Geiseln
Ein Flugblatt erinnert an sieben Geiseln mit deutschem Pass in der Gewalt von HamasBild: Bernd Riegert/DW

"Wir haben immer noch Hoffnung", sagt Shachar Ohel mit ruhiger Stimme am 642. Tag nach dem 7. Oktober 2023. Damals wurde sein Neffe Alon Ohel von Hamas-Terroristen beim Supernova-Musikfestival im Süden Israels schwer verletzt, gefangen genommen und verschleppt. Seit 642 Tagen dreht sich das Denken und Fühlen der Familie nun um die Frage, ob der 24 Jahre alte Alon Ohel noch lebt und wie er freikommen kann.

Geiseln, die vor fünf Monaten von der Hamas freigelassen wurden und mit Alon gemeinsam eingesperrt waren, haben Shachar Ohel vom Schicksal seines Neffen erzählt. 

Das Bild seines Neffen Alon trägt Shachar Ohel auf seinem T-Shirt: "Bringt ihn heim!" steht da zu lesenBild: Malte Reinhold/DW

"Sie waren die ganze Zeit zusammen. Von ihnen wissen wir, dass Alon in sehr schlechter Verfassung ist. Er hat das rechte Auge verloren. Das linke ist auch in großer Gefahr. Er bekommt nichts zu essen. Er hungert. Er ist in einem kritischen Zustand", erzählt Shachar Ohel über seinen Neffen im DW-Interview. "Wir hoffen, dass er überlebt. Die Hamas will ja, dass er lebt. Sonst hätten sie nichts, um mit Israel verhandeln zu können."

Wahrscheinlich noch 24 lebende Geiseln

Alon Ohel zählt zu den Geiseln, die von der islamistischen Hamas bei ihrem Überfall auf Israel entführt wurden. 146 Geiseln konnten nach mehreren Verhandlungsrunden im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen. 83 starben in der Geiselhaft. 35 Leichen hat die Hamas noch nicht übergeben. 24 Geiseln sollen noch am Leben sein. Ihre sofortige Freilassung fordert das Forum der Angehörigen "Bring them Home".

Angehörige und Freunde von Geiseln, die neben der israelischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sind nach Berlin gekommen. Fünf der deutsch-israelischen Geiseln leben vermutlich noch, zwei sollen tot sein.

Fünf Verwandte von Geiseln werben in Berlin um Unterstützung für deutsche Staatsangehörige aus IsraelBild: Bernd Riegert/DW

In Berlin wirbt die Gruppe der Angehörigen unter anderem bei Außenminister Johann Wadephul und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um mehr Unterstützung. "Wir haben viel Sympathie erfahren und Umarmungen bekommen", sagt Liran Berman. Zwei seiner Brüder werden von der Hamas gefangen gehalten. "Aber jetzt ist es Zeit zu handeln und mehr Druck zu machen." Liran Berman und die übrigen Angehörigen setzen alle Hoffnungen auf die laufenden Waffenruhe-Verhandlungen zwischen Israel, den USA und der Hamas.

Deutschland sollte sich einmischen

"Wir sind in einer Krise, die wir noch nie hatten in unserer Geschichte. Es ist an den Regierungen, und ich glaube an Diplomatie, um zu einer Lösung zu kommen", meint Efrat Machikawa gegenüber der DW. Fünf ihrer Verwandten waren zeitweise in der Gewalt der Hamas. Vier kamen frei. Ein fünfter wurde ermordet. Sie setzt sich in Berlin mit anderen Angehörigen für die deutsch-israelischen Geiseln ein.

"Es geht nicht nur die an, die direkt am Verhandlungstisch sitzen, sondern auch andere Staaten wie Deutschland. Die haben Beziehungen zu denen am Tisch. Darum ist die Einmischung der internationalen Gemeinschaft so wichtig." Jeder Deutsche sollte sich angesprochen fühlen, meint Efrat Machikawa. Die Geiseln zu befreien, sei der erste Schritt, um die "schreckliche Situation im Nahen Osten" zu verbessern.

Efrat Machikawa: Die Welt hat die Pflicht, eine Lösung zu findenBild: Malte Reinhold/DW

Dass in Deutschland bei pro-palästinensischen Demonstrationen auch Slogans und Symbole der Entführer, der Terror-Organisation Hamas auftauchen, sei schmerzhaft, meint Machikawa. Aber Deutschland sei eine Demokratie und jeder könne sagen, was er wolle. "Die Menschen sollten mehr Fragen stellen und sich um Wissen bemühen", empfiehlt sie. "Wir wollen keine Rache. Wir sind friedliche Menschen." Mit Blick auf die Demonstrationen sagt Machikawa: "Es ist beängstigend, aber wir bleiben voller Hoffnung."

Ein gelbes Klavier als Symbol

Die Eltern von Alon Ohel haben zur Erinnerung an ihren Sohn, den Pianisten und Jazz-Liebhaber, ein gelbes Klavier mitten in Tel Aviv aufstellen lassen. Jeder kann darauf spielen und Alon grüßen. Für ein Solidaritätskonzert wurde das gelbe Klavier mit nach Berlin gebracht. 

Am 7. Oktober 2023 hatte die Hamas mehrere israelische Dörfer und das Supernova-Musikfestival in der Nähe des Gazastreifens überfallen, rund 1200 Menschen ermordet und 251 Geiseln genommen. Als Reaktion kämpft die israelische Armee seither gegen die Hamas im Gazastreifen. Seither wurden nach unterschiedlichen, nicht überprüfbaren Angaben zwischen 50.000 und 80.000 Menschen in Gaza getötet. Weite Teile des Gazastreifens sind zerstört. Die humanitäre Lage der Bevölkerung ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen katastrophal.

Die Hamas ist eine militante, islamistische, palästinensische Gruppe. Die Europäische Union, die USA, Deutschland und weitere Länder stufen sie als Terrororganisation ein.

Bernd Riegert Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin mit Blick auf Menschen und Politik in Deutschland
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen