Deutsche im Bürgerkrieg
2. Juli 2013Zwei feindliche Armeen trafen vom 1. bis 3. Juli 1863 aufeinander. Über 80.000 Männer in der blauen Uniform der Vereinigten Staaten von Amerika kämpften bei der kleinen Stadt Gettysburg in Pennsylvania gegen über 70.000 grauberockte Soldaten der Konföderierten Staaten. Drei Tage lang trugen diese beiden Armeen die blutigste Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges aus. Bekannte, Freunde und sogar Familienmitglieder standen sich auf den feindlichen Seiten gegenüber. Rund 50.000 Männer waren am Ende tot, vermisst oder gefangen. Gettysburg war der Beginn einer Wende des Kriegsverlaufs zu Gunsten der Nordstaaten. Die Konföderierten verloren diese entscheidende Schlacht ihres Vorstoßes auf das Gebiet der Nordstaaten und waren fortan in der Defensive. Zwar zog sich der Krieg noch fast zwei Jahre hin, gekämpft wurde aber nur noch auf dem Territorium der Südstaaten. Unter den Soldaten, die die Schlachten des Amerikanischen Bürgerkrieges wie der bei Gettysburg austrugen, befanden sich auch hunderttausende Deutsche. Rund ein Zehntel der Unionsarmee stellten diese Einwanderer aus dem fernen Europa.
Auf nach Amerika
Ein regelrechter Strom von Auswanderern verließ Deutschland in den 1850er Jahren Richtung USA - und ließ ihren Bevölkerungsanteil dort stark ansteigen. Fast 1,3 Millionen Einwohner der USA waren im Jahr 1860 Deutsche. "Der größte Teil der deutschen Auswanderer waren Wirtschaftsflüchtlinge", sagt Heike Bungert, die an der Universität Münster Nordamerikanische Geschichte lehrt. "Weitaus bekannter sind aber die sogenannten 48er, also die Anhänger der deutschen Revolution von 1848, die nach deren Scheitern in die USA emigrierten." Im März 1848 revoltierten die Bürger in vielen der deutschen Kleinstaaten und verlangten die Einführungen von Verfassungen und demokratischen Reformen - vergeblich. Viele Revolutionäre mussten aus dem Land fliehen. In Amerika erhofften sich die deutschen Neuankömmlinge Freiheit und Wohlstand - in jeder Beziehung. "Als Auswanderungsgrund darf man auch die religiöse Freiheit nicht vergessen", ergänzt Bernd Stöver, der an der Potsdamer Universität Neueste Geschichte und Zeitgeschichte lehrt, und 2012 eine Geschichte der USA veröffentlicht hat.
In den Vereinigten Staaten bahnte sich in der Zeit ein folgenschwerer Konflikt an: Als am 6. November 1860 Abraham Lincoln zum Präsidenten gewählt wurde, stand das Land vor der Spaltung. Vor allem an der Frage der Sklavenhaltung entzündete sich der Konflikt: In den südlichen Staaten der USA hielten viele Großgrundbesitzer Millionen vor allem afrikanischer Sklaven zur Bewirtschaftung ihrer Baumwollplantagen. In den Nordstaaten gab es dagegen keine Sklaverei. Viele Nordstaatler lehnten zudem die Versklavung eines Menschen ab. Als der zukünftige Präsident der USA sich nun als Gegner der Sklaverei aussprach, erklärten elf südliche Staaten der USA ihren Austritt aus der Union und schlossen sich zu den Konföderierten Staaten von Amerika zusammen. Am 12. April 1861 begann der Krieg zwischen diesen beiden Staatenbünden.
Umworbene Deutsche
Abraham Lincoln rief Freiwillige zu den Waffen, um die seiner Meinung nach aufständischen Staaten zu unterwerfen. Zahlreiche Deutsche folgten diesem Aufruf. Allein zehn Regimenter aus deutschen Freiwilligen kamen aus dem Bundesstaat New York. Deutsche Soldaten der Union schützten wenig später auch Lincolns Amtseinführung als Präsident. Rund 216.000 amerikanische Bürger deutscher Herkunft sollen insgesamt während der vier Jahre des Bürgerkrieges als Soldaten in der Unionsarmee gedient haben. Warum aber meldeten sich viele Deutsche freiwillig zur Armee? "Es gab natürlich Deutsche, die sich aus wirtschaftlichen Gründen zur Armee meldeten. Dort gab es Sold", erklärt Heike Bungert. "Und dann gab es die 48er, die ja vor allem politische Flüchtlinge waren."
Die deutsche Volksgruppe war von Präsident Lincoln umworben worden, aber nicht jeder Deutsche war kriegswillig. "Man hat lange gedacht, dass sich die Deutschen am Krieg überdurchschnittlich beteiligt hätten", führt Heike Bungert aus. "Mittlerweile weiß man aber, dass dies je nach Bundesstaat sehr unterschiedlich war. In Wisconsin war die Beteiligung proportional gesehen eher gering. Groß war das Engagement dagegen in New York und Missouri. In Missouri haben die Deutschen wohl tatsächlich den Ausschlag dafür gegeben, dass der Staat sich nicht der Konföderation anschloss."
Eigene Kompanien
Deutsche Regimenter aufzustellen war allerdings zunächst vor allem auch eine praktische Überlegung. Da viele Deutsche des Englischen kaum mächtig waren, war es einfacher alle Deutschen in einer Formation zusammenzufassen und so Sprachschwierigkeiten zu vermeiden. So wurde auch in Regimentern, in denen die Deutschen eine Minderheit stellten, oft eine "deutsche" Kompanie aufgestellt. In solchen Verbänden ging es mintunter überaus deutsch zu: So konnte manch deutscher Soldat Bier, Wurst und Sauerkraut zu Beginn des Krieges genießen, sogar die Uniform in einigen deutschen Regimentern war deutschen Vorbildern nachgeschneidert. Und wo solche deutsch-amerikanischen Soldaten Halt machten, gab es bald einen Gesangsverein und einen Turnplatz.
Wie Musik sei es für ihn, schrieb ein deutsch-amerikanischer Sergeant 1864, "wenn einem zuweilen heimatliche, deutsche, kernige, brave Worte ans Ohr klingeln". Ein deutscher Soldat desertierte nach Kriegsbeginn sogar von seiner englischsprachigen Einheit zu einem deutschen Kampfverband.
Aber auch auf Seiten des südlichen Kriegsgegners kämpften Deutsche. Allerdings in viel geringeren Zahlen. Die deutschen Siedlungsgebiete lagen fast alle im Norden. "In die Südstaaten sind nur wenige gegangen, es gab eine größere Kolonie um New Orleans und es siedelten auch viele in Texas", führt Heike Bungert aus. Bernd Stöver weiß: "Etwa 5000 Deutsche kämpften auf der Seite der Konföderation." Allerdings war nicht jeder Deutsche im Süden ein Befürworter der Sklaverei, es gab sogar Übergriffe auf Deutsche, die sich gegen die Sklavenhaltung und gegen die Sezession ausgesprochen hatten.
Tapfere Krieger?
"Entfernt die Deutschen aus der Unionsarmee und wir machen mit den Yankees kurzen Prozess", soll der berühmte Südstaatengeneral Robert E. Lee einmal gesagt haben. Ob das Zitat stimmt oder nicht: Den Deutschen eilte anscheinend ein Ruf als tüchtige Soldaten voraus. Bernd Stöver sieht in derartigen Aussagen eine Art der Mythisierung: "Das ist natürlich auch eine Form der Vergangenheitspolitik. Der tapfere Deutsche, der im Bürgerkrieg kämpft und fast im Alleingang den Krieg gewinnt." Tatsächlich schwankte die öffentliche Meinung über den Einsatz der Deutschen beträchtlich. "Wenn ein deutsches Regiment in einem Kampf floh, fiel das auf alle Deutschen zurück", meint Heike Bungert. Anscheinend erhofften sich aber viele Deutsche Anerkennung für ihren Kriegseinsatz.
Ein saarländischer Bergarbeiter meinte 1861: "Jetzt spötteln die Amerikaner nicht mehr über uns, da sie wissen, dass wir die Hauptstütze ihres Landes und ihrer Freiheit sind." Nach dem Ende des Bürgerkrieges kehrten die überlebenden Deutschen in ihre Heimatorte zurück - in denen noch für Jahrzehnte Deutsch gesprochen wurde. "Erst der Erste und später der Zweite Weltkrieg erzwangen später die vollständige Integration der deutschen Gemeinden in die amerikanische Gesellschaft", fasst Bernd Stöver zusammen. Wie viele deutsch-amerikanische Soldaten auf beiden Seiten gefallen sind, weiß niemand genau zu sagen.